Werbung ist und bleibt ein spannungsgeladenes Thema im Datenschutz. Insbesondere der Umgang mit Kaltakquise und der Nutzung von öffentlich zugänglichen Telefonnummern von Unternehmen sollte aus datenschutzrechtlicher Sicht sensibel behandelt werden. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich mit dieser Thematik in seinem Urteil vom 29.01.2025 – Az. 6 C. 3.23 beschäftigt und klargestellt, dass die Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Telefonnummern nicht auf das berechtigte Interesse von Unternehmen gestützt werden kann, wenn nicht wenigstens eine mutmaßliche Einwilligung der Betroffenen gegeben ist.

Ausgangsfall: Verarbeitung der Kontaktdaten von Zahnarztpraxen zum Zweck der Telefonwerbung ohne (mutmaßliche) Einwilligung

Die Klägerin ist ein Unternehmen, das Edelmetalle unter anderen von Arztpraxen ankauft, um diese weiterzuverkaufen. Um an die begehrten Edelmetalle zu kommen, bediente sich die Klägerin den allseits beliebten Telefonbüchern wie bspw. den gelben Seiten. Anschließend wurden die jeweiligen Arztpraxen durch die Klägerin telefonisch kontaktiert.

Das unabhängige Datenschutzzentrum Saarland, welches in dieser Sache zuständig ist, forderte die Klägerin bereits im Jahr 2017 auf, die Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Daten, die durch das oben beschriebene Vorgehen erlangt wurden zu unterlassen, da keine (mutmaßliche) Einwilligung vorliegen würde. Folglich sei die Klägerin nicht dazu berechtigt, die Telefonnummern zur Kaltakquise zu nutzen.

Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 beantragte die Klägerin erfolglos die Aufhebung des Bescheids der saarländischen Datenschutzaufsichtsbehörde, da sich die Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Telefonnummern auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO stützen lasse. Das zuständige saarländische Verwaltungsgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass sich trotz des Inkrafttretens der DSGVO „die Rechtslage nicht zu Gunsten der Klägerin geändert“ habe.

Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung

Maßgeblich dafür, dass das berechtigte Interesse nicht als Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von öffentlich zugänglichen Telefonnummern herangezogen werden konnte, ist, dass neben der DSGVO auch das Gesetz zum unlauteren Wettbewerb (UWG) bei Werbung beachtet werden muss. Demnach kann die erstmalige Kontaktaufnahme ohne vorherige Einwilligung über Telefon (Kaltakquise) bei B2B-Kunden (Business to Business), wie den Arztpraxen, nach einer konkreten Einzelfallprüfung legitim sein, sofern § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG zutrifft. Eine mutmaßliche Einwilligung würde nach den UWG-Vorschrift vorliegen, wenn ein „sachliches Interesse“ am Verkauf von Edelmetallresten vorliegt und somit die Arztpraxen damit einverstanden sind, dass diese zum Zwecke des Edelmetallankaufs angerufen werden (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010, Az. I ZR 27/08 Rn. 11). Diesen Umstand verneinte das Bundesverwaltungsgericht und sah in dem Anruf der Klägerin keine mutmaßliche Einwilligung durch die Arztpraxen, da weder „der Verkauf von Edelmetallresten zur Gewinnerzielung typisch noch wesentlich für die Tätigkeit“ von Arztpraxen sei. Demzufolge war der Werbeanruf eine unzumutbare Belästigung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG gegenüber den Arztpraxen.

Darüber hinaus ist auch der Grundsatz der Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 lit. b DSGVO zu beachten. Danach müssen personenbezogene Daten für festgelegte eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden.

Bezogen auf den dargestellten Fall liegt der Zweck der Veröffentlichung von Telefonnummern der Arztpraxen darin, Patienten eine Kontaktmöglichkeit zu bieten, die Arztpraxen anrufen zu können. Die Bereitstellung der Telefonnummern zu anderen Zwecken, wie bspw. zum Verkauf von Edelmetallen, würde einer Zweckänderung nach Art. 6 Abs. 4 DSGVO gleichkommen. Der ursprüngliche Zweck der Veröffentlichung von Telefonnummern zur (medizinischen) Kontaktaufnahme ist demnach mit dem neuen Zweck des Ankaufs von Edelmetallen nicht vereinbar. Somit bedarf es für diese Verarbeitung vielmehr einer vorherigen Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO.

Fazit

Der oben aufgeführte Fall zeigt einmal mehr, dass auch im B2B-Bereich nicht immer auf ein berechtigtes Interesse bei Werbeanrufen abgestellt werden kann, sondern dass stets eine Einzelfallprüfung von Nöten ist, um herauszufinden, ob tatsächlich eine mutmaßliche Einwilligung der betroffenen Wirtschaftsakteure vorliegt. Rechtssicherste Vorgehensweise ist auch bei B2B-Kunden weiterhin die Einholung einer vorherigen und ausdrücklichen Einwilligung.