Können Gruppenfotos ohne die Einwilligung der abgebildeten und erkennbaren Personen auf Social-Media-Seiten veröffentlicht werden? Mit dieser Frage musste sich das OVG Lüneburg kürzlich genauer befassen und gelangt letztendlich zu dem Schluss, dass bei der Veröffentlichung von Gruppenfotos regelmäßig die Einwilligungen der abgebildeten Personen oder die Unkenntlichmachung (z.B. durch Verpixelung) der Gesichter erforderlich ist. Das OVG Lüneburg bestätigt mit Beschluss vom 19.01.2021 (Az.: 11 LA 16/20) die Entscheidung des VG Hannover vom 27.11.2019 und damit die Rechtmäßigkeit einer datenschutzrechtlichen Verwarnung, die die zuständige Aufsichtsbehörde im Januar 2019 gegenüber einer politischen Partei ausgesprochen hatte, nachdem diese ein Gruppenfoto (mit 30-40 Personen) ohne die Einwilligung aller abgebildeten Personen auf Facebook veröffentlichte.

Warum ist dieser Fall so spannend?

Die Veröffentlichung von Fotoaufnahmen auf Social-Media-Kanälen ist seit Inkrafttreten der DSGVO zunehmend ein strittiges Thema. Im Fokus steht hierbei stets die rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung (gilt als Verarbeitung i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO) und die Frage, inwiefern das sog. Kunsturhebergesetz (KUG) weiterhin herangezogen werden kann. Für die Veröffentlichung von Einzelporträts wird der Verantwortliche dabei regelmäßig eine Einwilligung der betroffenen Person benötigen. Wie sich das ganze bei Gruppenfotos verhält, ist allerdings abhängig vom Einzelfall und nicht hinreichend geklärt (wir berichteten). Zwar äußern sich Aufsichtsbehörden in ihren Orientierungshilfen zu dieser Thematik bereits mehr oder weniger eindeutig (z.B. hier), gerichtliche Entscheidungen sind seit Inkrafttreten der DSGVO hierzu jedoch rar.

Mit dem Beschluss des OVG Lüneburg liegt nun erstmalig seit Geltung der DSGVO eine zweitinstanzliche Entscheidung vor, in der die rechtliche Grundlage für die Veröffentlichung von Gruppenfotos (auch Privatpersonen) auf Social-Media-Seiten näher thematisiert wird. Außerdem nimmt das OVG eine Abgrenzung des Begriffs der „Journalistischen Zwecke“ im Sinne des Art. 85 DSGVO vor.

Zusammenfassung des Sachverhalts

Im August 2014 fand auf einer Landstraße eine öffentliche Veranstaltung zum geplanten Bau einer Ampelanlage statt, an der zahlreiche Anwohner, Mitarbeiter der Kommunalverwaltung und Vertreter einer politischen Partei teilnahmen. Zu dieser Veranstaltung hatte die Partei zuvor über die öffentliche Presse eingeladen. Einer der Veranstaltungsteilnehmer nahm hierbei ein Foto auf, auf dem 30-40 Personen zu sehen sind. Neben dem im Fokus stehenden Vorsitzenden der politischen Partei war auch das Ehepaar F. (Anwohner) auf dem Bild zu sehen. Frau F. (frontal vom Kopf bis zu den Knien) und Herr F. (frontal nur mit dem Kopf) waren darauf eindeutig erkennbar abgebildet.

Nachdem sich der Baubeginn der Ampelanlage verzögert hatte, veröffentlichte die Partei das Bild vier Jahre später (September 2018) zusammen mit einem Bild der Baustelle auf seiner Facebook-Fanpage. Daraufhin forderte Herr F. den Fanpage-Betreiber (Partei) auf, das Foto zu löschen, da er und seine Frau nicht in die Veröffentlichung des Fotos eingewilligt hatten und reichte kurze Zeit später eine Beschwerde bei der zuständigen Datenschutz-Aufsichtsbehörde ein. Diese leitete darauf ein Prüfungsverfahren ein und sprach eine Verwarnung aus, nachdem die Partei in einer anwaltlichen Stellungnahme mitteilte, dass die Veröffentlichung des Bildes weder gegen das KUG noch die DSGVO verstoße. Die politische Partei reichte daraufhin Klage gegen die behördliche Verwarnung beim Verwaltungsgerichtshof Hannover ein. Das VG Hannover bestätigte die Rechtmäßigkeit der Verwarnung. Der Berufungsantrag der Kläger wurde nun vom OVG Lüneburg mit Beschluss vom 19.01.2021 abgelehnt.

Wesentliche Aussagen zur Rechtsgrundlage der Veröffentlichung

Die Gerichte vertreten in den Entscheidungen die Ansicht, dass Teilnehmer einer öffentlich bekanntgemachten Veranstaltung zwar damit rechnen müssen, dass auf diesen Veranstaltungen Fotos angefertigt werden, die anschließend auch veröffentlicht werden. Eine konkludente Einwilligung hierein (vgl. BGH, Urteil vom 11.11.2014 – VI ZR 9/14) könne aber allenfalls für die Veröffentlichung in der Presse gelten, nicht aber für die Veröffentlichung auf Social-Media-Kanälen.

Eine Verarbeitung der Fotos durch die Partei zur Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e DSGVO) lehnte das OVG ab, weil die Veröffentlichung weder für eine öffentliche Aufgabe erforderlich war noch eine spezialgesetzliche Regelung im Sinne des Art. 6 Abs. 3 DSGVO vorlag.

Dementsprechend kam als mögliche Rechtsgrundlage nur das berechtigte Interesse des Verantwortlichen gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO in Betracht. Hierzu führte das Gericht aus, dass die Partei mit der Veröffentlichung des Fotos auf Facebook zwar berechtigte Interessen verfolge, aber es zur Wahrung dieser Interessen nicht erforderlich gewesen sei, das Ehepaar F. erkennbar abzubilden. Zur Dokumentation des Interesses der kommunalen Bevölkerung am Bau der Ampelanlage wäre es vielmehr ausreichend gewesen, wenn die Gesichter der Anwesenden, z.B. durch eine Verpixelung, unkenntlich gemacht worden wären. Eine Verpixelung der Personen, die keine Einwilligung erteilt haben hält das Gericht auch unter Berücksichtigung des Kosten- und Zeitaufwandes für zumutbar und sieht weder die „Glaubwürdigkeit bzw. Seriosität des Facebook-Posts“ noch die verfolgten Ziele hierdurch ernsthaft gefährdet.

Im Rahmen der Interessenabwägung führt das Gericht dann weiter aus, dass insbesondere die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen sowie die Absehbarkeit bzw. Vorhersehbarkeit der Verarbeitung sowie die Missbrauchsanfälligkeit der verarbeiteten Daten berücksichtigt werden müssen. Ein besonderes Gewicht kommt dabei nach Ansicht des Gerichts der Missbrauchsanfälligkeit der auf Social-Media-Kanälen veröffentlichten Fotos zu. Dies resultiere zum einen aus dem Kontrollverlust der betroffenen Person, die nach der Veröffentlichung des Fotos in einem sozialen Netzwerk nicht mehr nachvollziehen kann, wer dieses Foto speichert, vervielfältigt oder verfremdet. Ein Empfänger wäre dann mithin nicht in der Lage eine Veränderung des Originalfotos zu erkennen. Zum anderen ergeben sich die erheblichen Missbrauchsrisiken aufgrund der großen Reichweite eines sozialen Netzwerks wie Facebook.

Nach der Gesamtbetrachtung der aufgeführten Aspekte kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Personen in diesem Fall den Interessen des Verantwortlichen überwiegen.

Abschließend geht das OVG Lüneburg noch auf die Frage ein, ob im vorliegenden Fall eine journalistische Tätigkeit vorliegt und damit womöglich eine Privilegierung im Sinne des Art. 85 Abs. 2 DSGVO eintritt. Dies lehnt das Gericht aber ab und führt dazu aus, dass Art. 85 Abs. 2 DSGVO kein allgemeines Meinungsprivileg enthalte und dementsprechend auch nicht jegliche im Internet veröffentlichte Information, die sich auf personenbezogene Daten bezieht, unter den Begriff der journalistischen Tätigkeit“ falle. Von der Privilegierung seien demnach nur Tätigkeiten erfasst, die ausschließlich journalistischen Zwecken dienen.

Nur noch verpixelte Gruppenfotos auf Social-Media-Kanälen?

Das Urteil des OVG Lüneburg zeigt, dass es bei der Veröffentlichung eines Gruppenfotos auf sozialen Netzwerken, ohne die Einwilligung der betroffenen Personen, auf die Erforderlichkeit einer personenbeziehbaren Veröffentlichung des Fotos für die die verfolgten Zwecke sowie die konkrete Interessenlage ankommt. Hierbei dürfte es unter Berücksichtigung des dargestellten Urteils nur wenige Szenarien geben, in denen die Interessen des Verantwortlichen bei einer Interessenabwägung derart ins Gewicht fallen, dass diese über die Interessen der betroffenen Person(en) (insbesondere dem Schutz vor Missbrauch des Fotos) überwiegen. Auch die Erforderlichkeit einer personenbeziehbaren Veröffentlichung des Fotos zur Erreichung der verfolgten Ziele dürfte regelmäßig nur schwer zu begründen sein. Im Zweifelsfall wird der Verantwortliche also prüfen müssen, ob abgebildete Gesichter z.B. durch eine Verpixelung vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht werden müssen.

Aber auch ohne die Verpixelung von Fotoaufnahmen kann der Verantwortliche zumindest Maßnahmen ergreifen, um die Interessen der fotografierten Personen besser zu schützen und damit auch die Risiken einer Beanstandung zu reduzieren.

Die Teilnehmer einer Veranstaltung sollten hierzu im Vorwege möglichst deutlich und transparent (z.B. auf Einladungsschreiben oder gut wahrnehmbare Aushänge) über die geplanten Fotoaufnahmen und Veröffentlichungsformen (sowie damit einhergehende Missbrauchsrisiken) informiert werden, sodass die Teilnehmer entsprechend mit einer Aufnahme von Fotos und deren Veröffentlichung rechnen können. Aus der Information sollte auch eindeutig hervorgehen, wie sich Veranstaltungsteilnehmer gegen eine entsprechende Veröffentlichung zur Wehr setzen können und auf welche Rechtsgrundlage die jeweilige Verarbeitung gestützt wird. Um eine reibungslose Umsetzung sicherzustellen, bedarf es einer hinreichenden Instruktion und Schulung der beauftragten Fotografen bzw. der verantwortlichen Mitarbeiter der Marketingabteilung. Für eine Veröffentlichung in einem sozialen Netzwerk sollten sodann nur Fotos ausgewählt werden, auf denen die abgebildeten Personen klar und wissentlich für ein Foto posieren bzw. die Gesichter oder andere personenbeziehbare Merkmale (z.B. Tattoos, Narben, etc.) nicht erkennbar sind. Auch sollten die Bilder lediglich das Gesamtgeschehen abbilden und keinesfalls „private Situationen“.

Als einzig rechtssicherer Weg für die Veröffentlichung von Gruppenfotos und Portraits bleibt letztlich nur das Einholen einer nachweisbaren Einwilligung der betroffenen Person(en). Kann der Verantwortliche im Zweifelsfall keine valide Rechtsgrundlage für das Veröffentlichen von Fotos auf Social-Media-Kanälen nachweisen, sind neben Sanktionen der Aufsichtsbehörden mitunter auch Schadensersatzforderungen der betroffenen Personen möglich. Die Höhe des Schadensersatzes ist dabei stets abhängig vom Einzelfall. Ein Prozess aus dem Jahr 2019 zeigt aber, dass Schadensersatzforderungen von 1.000 € und mehr pro Kläger*in nicht unrealistisch sind (vgl. ArbG Lübeck, Beschluss vom 20.06.2019 – 1 Ca 538/19; oder auch dieser Fall).