Das Verwaltungsgericht (VG) München stellte in seinem Urteil vom 12.02.2025 (Az.: M 7 K 22.4558) fest, welche Datenschutz-Aufsichtsbehörde für ein kommunales Verkehrsunternehmen zuständig ist. Das hier betroffene Unternehmen tritt zwar in privater Rechtsform auf, sei aber als öffentliche Stelle im Sinne des Bayerischen Datenschutzgesetzes (BayDSG) anzusehen.
Hintergrund
Die Klägerin, ein kommunaler Verkehrsbetrieb in Form einer Aktiengesellschaft, wandte sich gegen datenschutzrechtliche Maßnahmen des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz (BayLfD, Beklagter), der ihre Videoüberwachungsmaßnahmen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) überprüft hatte. Der BayLfD hatte fehlende Transparenz und eine zu weitreichende Erfassung durch die Videokameras in den öffentlichen Raum hinein bemängelt.
Der Landesbeauftragte wies auf seine Zuständigkeit hin, da die Klägerin als öffentliche Stelle gemäß dem BayDSG einzustufen sei. Zur Erinnerung: Bei der Datenschutzkontrolle im Freistaat Bayern wird zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen unterschieden. Es gibt daher zwei Aufsichtsbehörden: den BayLfD, der für den öffentlichen Bereich ständig ist, und das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA), zuständig für private Wirtschaftsunternehmen, freiberuflich Tätige, Vereine etc. Der BayLfD begründet seine Zuständigkeit mit der Tatsache, dass sich die Klägerin über eine städtische Holding vollständig im Eigentum der Stadt N. befände und somit Aufgaben der öffentlichen Verwaltung (hier: ÖPNV) im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG erbringe. Die Videoüberwachung sei nicht unmittelbar der Teilnahme am Marktgeschehen zuzurechnen, weshalb die Ausnahme von Art. 1 Abs. 3 BayDSG nicht greife.
Die Klägerin hingegen sieht sich als nichtöffentliche Stelle im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) an, da sie als privatrechtliche Aktiengesellschaft agiere und keine hoheitliche Aufgabe erfülle. Sie verweist u. a. auf die fehlenden Weisungsrechte der Stadt, welche zwar an der Klägerin mittelbar beteiligt sei, jedoch nicht die operativen Unternehmenstätigkeiten der Klägerin beherrsche, und betont die Teilnahme am Wettbewerb. Die zuständige Aufsichtsbehörde sei hier das BayLDA; die Videoüberwachungsmaßnahme sei an der DSGVO und dem BDSG zu messen, nicht am BayDSG.
Feststellungen des VG München
Das Gericht bewertet die Klägerin als öffentliche Stelle im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, für die die datenschutzrechtlichen Vorgaben des Art. 24 BayDSG zur Videoüberwachung gelten würden und die Beklagte die zuständige Aufsichtsbehörde sei. Das Gericht führt dazu aus:
„Bei der Klägerin handelt es sich um eine öffentliche Stelle im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, da sie als Aktiengesellschaft eine Vereinigung des privaten Rechts ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt und an ihr eine Gemeinde (hier: kreisfreie Stadt) durch eine solche Vereinigung (mittelbar) beteiligt ist.“ (Rn. 41)
Das Gericht verweist auf Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, der neben einer unmittelbaren Beteiligung des Freistaats Bayern oder einer nachgeordneten öffentlichen Stelle an der privatrechtlichen Vereinigung auch die Alternative der nur mittelbaren Beteiligung regelt. Auch diese führe dazu, dass eine privatrechtliche Vereinigung als eine öffentliche Stelle im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG anzusehen sei. In dieser Konstellation sei jedoch eine weitere Voraussetzung erforderlich, die das Gericht ebenfalls als gegeben ansieht:
„Obwohl das Gesetz keine Mindestbeteiligung vorsieht, genügt nicht jede beliebige Beteiligung für eine Zuordnung zu den öffentlichen Stellen und damit für die Rechtsfolge von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Die juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG muss bei einer Beteiligung, die datenschutzrechtlich als öffentliche Stelle erscheinen soll, eine beherrschende Stellung innehaben. Diese ungeschriebene Voraussetzung beruht auf dem systematischen Zusammenhang von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 mit Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayDSG. Bei einer Übertragung der dem Rechtsträger im Rahmen der staatlichen Aufgabenordnung typischerweise durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zugewiesenen Aufgabe auf eine Vereinigung des privaten Rechts verbleibt eine Gewährleistungsverantwortung bei der übertragenden Stelle. Umgekehrt erlangt die Vereinigung des privaten Rechts hinsichtlich der Aufgabe keine Dispositionsmacht. Dies gilt insbesondere für die unternehmerische Entscheidung, eine Leistung, die Gegenstand einer öffentlichen Aufgabe ist, zukünftig nicht mehr oder in einer wesentlich anderen Form anzubieten.“ (Rn. 42, Hervorhebungen durch die Autorin)
Und weiter:
„Eine Beherrschung durch die öffentliche Hand liegt auch vor, wenn sämtliche Anteilseigner oder Mitglieder zu den in Abs. 1 Satz 1 genannten (bayerischen) juristischen Personen des öffentlichen Rechts zählen.“ (Rn. 42)
Das Gericht hebt zudem die Erfüllung von Verwaltungsaufgaben für eine öffentliche Stelle (hier konkret den öffentlichen Personennahverkehr als Aufgabe der Daseinsvorsorge) hervor: Privatrechtliche Organisationen gelten dann als öffentliche Stellen nach dem BayDSG, wenn sie im Auftrag der öffentlichen Hand Verwaltungsaufgaben erfüllen, die diese selbst erbringen müsste oder könnte, sich jedoch hierfür einer privatrechtlichen Vereinigung bedient. Weder die private Rechtsform noch die Teilnahme am Wettbewerb schließen die Qualifikation als öffentliche Stelle aus. Auch sei der Zweck des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSG, die Anwendung des Gesetzes (hier BayDSG) grundsätzlich auch dann zu gewährleisten, wenn Verwaltungsaufgaben auf privatrechtliche Rechtssubjekte übertragen werden. Die andere Rechtsform desjenigen, der die Aufgaben erfüllt, soll nicht zu einer Änderung im Datenschutzstandard führen.
„Der Wille zur Erbringung einer eigenen Leistung des Staates oder der Kommune ist kennzeichnend für die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung durch eine privatrechtliche Vereinigung. Die Leistung, die die privatrechtliche Vereinigung Dritten gegenüber anbietet, muss mittelbar als Leistungserbringung der öffentlichen Verwaltung gewollt sein.“ (Rn. 43, Hervorhebungen durch die Autorin)
Zuletzt würde der Stadt N. auch eine beherrschende Stellung gegenüber der Klägerin zukommen, was u. a. auf die hundertprozentige Anteilsinhaberschaft zurückzuführen sei. Im Hinblick auf die Videoüberwachung kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass zum Bereich des ÖPNV nach Art. 8 Abs. 1 BayÖPNV-Gesetz nicht nur dessen Planung und Organisation, sondern auch die tatsächliche Leistungserbringung, einschließlich begleitender Maßnahmen wie einer Videoüberwachung gehöre – diese könne hier von der öffentlichen Aufgabe nicht getrennt betrachtet werden.
Hinweis der Autorin
Aufgrund der unterschiedlichen Regelungen zum Anwendungsbereich der einzelnen Landesdatenschutzgesetze und deren Einbeziehung von nichtöffentlichen Stellen ist das Urteil des VG München nicht eins zu eins auf vergleichbare Situationen in anderen Bundesländern übertragbar. Vielmehr bedarf es in unklaren Situationen einer Einzelfallbewertung anhand der jeweiligen Landesregelung. Gerne unterstützen wir hierbei!