Am vergangenen Freitag veröffentlichte die Aufsichtsbehörde Niedersachsen eine Pressemitteilung, wonach gegenüber der notebooksbilliger.de AG ein Bußgeld in Höhe von 10,4 Mio. Euro – das mit Abstand bislang höchste von dortiger Stelle – verhängt worden ist. Anlass dafür ist eine Videoüberwachung, die nach Ansicht der Behörde in vielerlei Hinsicht über die Stränge schlägt:
- Die Überwachung erfasse pauschal viele der Mitarbeiter und teilweise auch Bereiche, in denen sich vorwiegend Kunden (längere Zeit) aufhalten.
- Die aufgezeichneten Bilder wurden bis zu 60 Tage – mithin unverhältnismäßig lang – gespeichert.
- Zur beabsichtigten Aufdeckung von Straftaten seien keine milderen Mittel (wie z. B. stichprobenartige Taschenkontrollen beim Verlassen der Betriebsstätte) zuvor ausgeschöpft worden.
Aus Sicht des verantwortlichen Unternehmens klingt das ein wenig anders. Von dort heißt es, dieses Vorgehen sei in der Branche so Standard. Man bezwecke in erster Linie, den Warenfluss im Unternehmen zu kontrollieren, um Beschädigungen oder Diebstählen aufzuklären, und eine Auswertung des Videomaterials erfolge ausschließlich zu eben diesem Zweck. Auch in Bezug auf eine mögliche Verhaltenskontrolle – aus Sicht der LfD Barbara Thiel ein besonders schwerwiegender Verstoß – gehen die Argumentationen erheblich auseinander: Während die Behörde offenbar die Montage der Kameras an sich moniert, sei aus Sicht der Unternehmensleitung die Überwachung „technisch überhaupt nicht dafür [Anm. d. Red.: für die Mitarbeiter-Kontrolle] ausgestattet“ – was auch immer konkret mit dieser Äußerung gemeint sein mag.
Sanktion trotz bereits erfolgter Umsetzung
Immerhin habe man von Seiten des Verantwortlichen eng kooperiert, um die festgestellten Mängel abzustellen, was letztlich auch eingetreten ist – so erwähnt die LfD in ihrer Mitteilung, dass die Überwachungseinrichtung „mittlerweile rechtmäßig ausgestaltet“ sei, und das sogar nachgewiesen. Für die Zeitspanne, in welcher die Kameras aber noch nicht den behördlichen Vorgaben entsprochen haben, soll es nun trotzdem einen finanziellen Tadel geben. Interessanterweise habe die Behörde innerhalb der Dauer des insgesamt dreijährigen Verfahrens nicht die Gelegenheit ergriffen, die betreffenden Räumlichkeiten zu besichtigen. Anscheinend war man von Seiten der Behörde bereits nach „Aktenlage“ von der Rechtswidrigkeit überzeugt, so dass sich diese Option gar nicht eröffnete.
Stattdessen verweist man auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) und den aus einer Überwachung resultierenden Überwachungsdruck für die Mitarbeiter. Danach seien im Einzelfall hohe Hürden zu überwinden, um eine solche Maßnahme zu legitimieren. Dass aber die Entwicklung dieser Rechtsprechung in jüngerer Vergangenheit eine relativ arbeitgeberfreundliche Richtung eingeschlagen hat, haben wir bereits thematisiert. Das besagte Urteil von vor gut einem Jahr hat einige spannende Fragen aufgeworfen, die auch in diesem Fall – so er denn vor Gericht landen wird – mit Sicherheit zu diskutieren sein werden.
Zwar betont die LfD, dass der Bußgeldbescheid noch nicht rechtskräftig sei; theoretisch wäre also auch eine Beilegung noch im behördlichen Widerspruchsverfahren denkbar. Doch das Unternehmen hat bereits angekündigt, ganz grundlegende Aspekte nach dem Maßstab des Verschuldens sowie zum Ablauf des Verfahrens diskutieren zu wollen. Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der medienwirksamen Höhe des Bußgeldes erscheint folglich eine gerichtliche Auseinandersetzung als sehr wahrscheinlich. Das Unternehmen hat zu diesem Zweck übrigens die gleichen Anwälte verpflichtet, die bereits für den Telekommunikationsanbieter 1&1 im vergangenen November (wir berichteten) eine erhebliche Reduzierung des verhängten Bußgeldes um mehr als 90 % erstritten haben.
Kurzer Ausblick
Ein Bußgeld in Millionenhöhe entfaltet stets Signalwirkung. Das scheint auch eines der treibenden Motive für den Bescheid der LfD Niedersachen gegen notebooksbilliger.de zu sein. Im Rahmen einer etwaigen gerichtlichen Überprüfung dürfte ausschlaggebend zum einen die Rechtsprechung des BAG sein, welche zuletzt einen Wandel hinzu mehr Freiräumen für den Arbeitgeber andeutete. Zum anderen mag berücksichtigt werden, ob eine Sanktion in dieser Höhe auch dann gerechtfertigt ist, wenn der Verantwortliche – wenngleich nach einer relativ langen Verfahrensdauer, aber unterm Strich doch – eingelenkt und die Maßnahme für die Zukunft rechtmäßig ausgestaltet hat. Ob die Herangehensweise der Behörde in diesem Lichte (zur Gänze) Bestand hat, darf angesichts der jüngeren Urteile in vergleichbaren Fällen (einerseits zur Höhe des Bußgeldes, andererseits in der Sache, also zur Videoüberwachung) wohl bezweifelt werden.
Anonymous
13. Januar 2021 @ 15:51
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