Die 6. Kammer am Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) sprach in ihrer Entscheidung vom 11. Mai 2021 der Klägerin, einer gekündigten Mitarbeiterin, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1000 Euro zu. Vorliegend stellten die Vorsitzenden fest, dass ein Schmerzensgeldanspruch nach Art. 82 DSGVO dann bestehe, wenn ein Auskunftsersuchen gem. Art. 15 DSGVO nicht rechtzeitig innerhalb der in Art. 12 Abs. 3 DSGVO festgelegten Frist von einem Monat bzw. drei Monaten erteilt und das Auskunftsbegehren nur unvollständig beantwortet wird.

Der Sachverhalt

In dem zu entscheidenden Rechtsfall reichte eine freigestellte Mitarbeiterin Kündigungsschutzklage gegen die ausgesprochene Kündigung seitens ihres ehemaligen Arbeitgebers beim zuständigen Arbeitsgericht in Herne ein. Neben der Kündigungsschutzklage machte die Klägerin ferner einen immateriellen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO geltend, da ihr ehemaliger Arbeitgeber auf ein Auskunftsersuchen gem. Art. 15 DSGVO verspätet reagiert hat und dem Ersuchen erst nach siebenmonatiger Wartezeit nachgekommen ist. Vorliegend waren insbesondere die Daten der Arbeitszeiterfassung, die das beklagte Unternehmen von der Klägerin speicherte, von Interesse für die Klägerin. Nach mehrmonatiger Funkstille kam die Beklagte dem Ersuchen nach und übermittelte die erbetenen Stundenzettel sowie die Stundennachweise über die Arbeitszeiten der Klägerin.

Entscheidungsgründe der Kammer

Das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht Herne erachtete den Klagevortrag als unbegründet und wies diesen entsprechend ab. Vorliegend nahm das AG Herne in der verspäteten Auskunft zwar einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 3 und 4 DSGVO an, wertet diesen jedoch nicht als immateriellen Schaden zugunsten der Klägerin. Die Begründung der Entscheidung des AG Herne lag darin, dass nicht jede Verletzung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Satz 1 GG einen Entschädigungsanspruch begründet.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens legte die Klägerin vor dem zuständigen LAG Hamm gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung ein und bekam Recht. Die zuständige Kammer gab der Klage statt und verurteilte das Unternehmen zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 1000 Euro. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehe der Klägerin ein Anspruch auf Entschädigung zu, da die Beklagte vorliegend gegen die in Art. 12 und Art. 15 DSGVO geregelten Pflichten verstoßen habe. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Klägerin durch die verspätete und unvollständig erteilte Auskunft ein immaterieller Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO entstanden ist.

Dazu heißt es in der Urteilsbegründung:

„Die Beklagte hat bis heute keine Auskunft darüber erteilt, ob und zu welchem Verarbeitungszweck (Art. 15 Abs. 1 lit. a)) und nach welchen Kategorien (Art. 15 Abs. 1 lit. b)) sie entsprechende Daten der Klägerin verarbeitet. Die Beklagte hat auf das gestellte Auskunftsverlangen erstmals unter dem 13.08.2020 reagiert und der Klägerin ‑ [sic] offenbar auch im Hinblick auf den zu diesem Zeitpunkt klageweise rechtshängig gemachte und auf den Umfang der geleisteten Arbeitszeit im Arbeitsverhältnis beschränkten Auskunftsantrag – Arbeitszeitnachweise zugesendet. Eine weitere Auskunft ist – bis heute – nicht erfolgt.“

Ein durchaus spannender, aber zugleich aktuell hochumstrittener Punkt lässt sich aus der Urteilsbegründung herauslesen. Nach Ansicht des LAG Hamm reicht vorliegend ein einfacher Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Normen aus, um einen Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO begründen zu können. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass es für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches keines qualifizierten Rechtsverstoßes bedarf und Entschädigungsansprüche bereits beim Vorliegen einer Bagatellverletzung zugesprochen werden können.

In der Urteilsbegründung heißt es hierzu:

„Weder der DSGVO noch ihren Erwägungsgründen lässt sich indes entnehmen, dass der Schadensersatzanspruch einen qualifizierten Verstoß gegen die DSGVO voraussetzt. Für die Annahme einer Erheblichkeitsschwelle oder anders ‑ herum [sic] formuliert – die Ausnahme von Bagatellfällen, gibt es keinen Anhaltspunkt […].“

Die bemessene Entschädigungshöhe

Bei der Bemessung der Höhe des zu zahlenden immateriellen Schadensersatzes überließ die Klägerin dem LAG Hamm die Entscheidung, wobei die Klägerin im Ausgangsverfahren noch von einem zu ihren Lasten entstandenen immateriellen Schaden in Höhe von 3000 Euro ausgegangen war. Im Berufungsverfahren hingegen verdoppelte die Klägerin die Schadensersatzforderung und hielt ein Schmerzensgeld in Höhe von 6000 Euro für angemessen. Die Schadenshöhe begründet die Klägerin damit, dass ihr Auskunftsbegehren verspätet und unvollständig beantwortet worden ist.

Unter Berücksichtigung der vorgetragenen Tatsachen kam die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Klägerin lediglich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1000 Euro zustehe. Bei der Festlegung der Entschädigungshöhe berücksichtigte die Kammer die in Art. 83 Abs. 2 DSGVO aufgelisteten Kriterien für die Verhängung von Bußgeldern durch Aufsichtsbehörden. So bewertete die Kammer zu Lasten der Beklagten, dass diese kein Problembewusstsein zeigte, indem diese dem Auskunftsbegehren der Klägerin verspätet und unvollständig nachgekommen war. Zu Lasten der Klägerin führte die Kammer aus, dass diese ihr Auskunftsbegehren nicht konsequent verfolgt habe und der Grad der persönlichen Betroffenheit minimal gewesen sei, um eine höhere Entschädigungssumme begründen zu können.

Rechtliche Einordnung des Urteils

Mit der Entscheidung und dem Zuspruch eines immateriellen Schadensersatzes gem. Art. 82 DSGVO, reiht sich das LAG Hamm in einer erkennbaren Tendenz bei arbeitsgerichtlichen Rechtsprechungen im Zusammenhang mit Kündigungsschutzklagen ein. So bescherten in der Vergangenheit vermehrt Arbeitsgerichte – wohlgemerkt anders als die ordentliche Gerichtsbarkeit – klagenden Arbeitnehmenden eine Entschädigung, begründet durch eine Verletzung gegen geltende Datenschutzbestimmungen. In den meisten Sachverhalten wurde Klagenden eine Entschädigung für unvollständige, verspätete oder intransparente Auskünfte zugesprochen.

Die Tendenz der ungleichen Auslegung des Art. 82 DSGVO durch nationale Gerichte wird sich vermutlich vorerst weiter fortsetzen, bis die obersten Richter am Europäischen Gerichtshof sich hinsichtlich der Auslegung der Schadensersatz-Vorschrift verbindlich geäußert und die Konturen final festgelegt haben. Mit einer höchstrichterlichen Antwort kann in absehbarer Zeit gerechnet werden, da dem EuGH bereits mehrere Sachverhalte in Form von Vorabentscheidungsverfahren zur Klärung vorliegen. So hat zuletzt der Österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) mit Beschluss vom 15. April 2021 (Az. 6Ob35/21x) den Weg zu einer einheitlichen Auslegung des datenschutzrechtlichen Schadensersatzrechts geebnet. Möglicherweise findet auch der vorliegende Sachverhalt Gehör beim EuGH, da gegen die Entscheidung Revision beim zuständigen Bundesarbeitsgericht eingelegt wurde.

Unabhängig von der höchstrichterlichen Entscheidung beweist der vorliegende Sachverhalt wieder einmal, dass die Praxis bereits jetzt gut beraten ist, funktionierende Organisationsprozesse zu etablieren aber auch die eigenen Mitarbeitenden für den Datenschutz zu sensibilisieren, um zukünftige Klagen dieser Art erfolgreich abwehren zu können.