Im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens musste das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (LAG Schleswig-Holstein) die Obergrenze eines Schmerzensgeldanspruchs gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO beziffern, welcher der Antragstellerin aufgrund eines Datenschutzverstoßes in Form einer – vermeintlich – unzulässigen Veröffentlichung eines Werbevideos, das die Antragstellerin ausschnittsweise abbildet, zusteht.

Dem Beschwerdeverfahren vor dem LAG Schleswig-Holstein lag ein zuvor vom Arbeitsgericht Kiel (AG Kiel) ergangener Beschluss zugrunde. Das AG Kiel hatte der Antragstellerin in dem vorinstanzlichen Beschluss eine ratenfreie Prozesskostenhilfe für ihren Schmerzensgeldantrag zugebilligt, diesen jedoch nur bis zu einer Höhe von 2.000 Euro bewilligt, wogegen die Klägerin aber eine Schmerzensgeldsumme in Höhe von 6.000 Euro begehrte. Die ausführliche Beschlussbegründung (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 01.06.2022 – 6 Ta 49/22) kann hier im Volltext abgerufen werden.

Der Sachverhalt

Anlass des zugrunde liegenden Rechtsstreits war ein auf der Videoplattform „YouTube“ veröffentlichtes Werbevideo zur Rekrutierung neuer Mitarbeitender, in welchem die Antragstellerin ausschnittsweise zu sehen war. Zum Zeitpunkt des Drehs war sie bei dem beklagten Pflegeunternehmen beschäftigt. Dem Beschluss nach hatte die Antragstellerin zwar dem Mitwirken im Werbevideo mündlich zugestimmt, jedoch hatte es die Beklagte versäumt, die Klägerin transparent über den eigentlichen Zweck der Datenverarbeitung nach Art. 13 DSGVO zu informieren bzw. sie auf das bestehende Widerrufsrecht gem. § 26 Abs. 2 S. 4 BSDG hinzuweisen. Auch eine schriftlich erteilte Einwilligung in die Datenverarbeitung seitens der Antragstellerin erfolgte zu keinem Zeitpunkt.

Kurz nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sah sich die Antragstellerin dazu berufen, dass bereits veröffentlichte Werbevideo zum Anlass zu nehmen und gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber wegen der Veröffentlichung der Aufnahmen Klage zu erheben und von diesem ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro gem. Art. 82 DSGVO zu fordern. Des Weiteren forderte die Antragstellerin es zu unterlassen, das bereits in Verkehr gebrachte Video weiter zu nutzen. Dieser Forderung kam das beklagte Unternehmen nach, in dem es noch vor der angesetzten Güteverhandlung das streitige Video von der Plattform nahm.

Entscheidungsgründe der Gerichte

Sowohl das erstinstanzliche AG Kiel als auch das LAG Schleswig-Holstein erkannten in der Anfertigung und anschließenden Veröffentlichung des Werbevideos ohne das Vorliegen einer Einwilligung seitens der betroffenen Antragstellerin einen potenziellen Schadensersatzanspruch. Potenziell aus dem Grund, weil die zuständige Kammer des LAG im Rahmen des Beschwerdeverfahrens lediglich einschätzen musste, ob der hier geltend gemachte Schadensersatzanspruch überhaupt in Betracht kommt und angemessen sei. Ob ein solcher Anspruch der Antragstellerin tatsächlich und in welcher Höhe zusteht, werden wir vorliegend leider nicht mehr erfahren, da die Parteien zwischenzeitlich einen Vergleich geschlossen haben.

Nach Ansicht des LAG Schleswig-Holstein liege in der fehlenden Information über die beabsichtigte Datenverarbeitung und deren eigentlichen Zweck sowie in der fehlenden schriftlichen Belehrung über die bestehende Widerrufsmöglichkeit im Sinne des § 26 Abs. 2 S. 4 BSDG ein Verstoß gegen geltende datenschutzrechtliche Vorschriften vor, der zumindest bei der betroffenen Person einen immateriellen Schaden hervorruft. Der Gerichtsauffassung nach bedarf es auch keiner weiteren Darlegung eines tatsächlich erlittenen Schadens, sodass bereits ein bloßer Verstoß gegen eine der datenschutzrechtlichen Vorschriften einen auszugleichenden immateriellen Schaden gem. Art. 82 Abs. 1 DSGVO begründet. Um seine Auffassung hinsichtlich der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu untermauern, verweist und orientiert sich das LAG ausdrücklich an einer Entscheidung (8 AZR 253/20 (A)) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 26.08.2021, in dem das BAG zu klären hatte, ob einem Anspruchsstellenden ein materieller bzw. immaterieller Schadensersatzanspruch aufgrund einer Verletzung datenschutzrechtlicher Vorschriften im Arbeitsverhältnis zusteht.

So begründet das LAG die Annahme eines Schadensersatzanspruchs in dem vorliegenden Sachverhalt damit, „dass Art. 82 Abs. 1 DSGVO neben seiner Ausgleichsfunktion auch spezial- bzw. generalpräventiven Charakter hat und dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens zu Lasten des Verantwortlichen zu berücksichtigen ist […]. Verstöße müssen nämlich effektiv sanktioniert werden. Der Schadensersatz bei Datenschutzverstößen soll eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen (effet utile).“

Ferner weist das Gericht hinsichtlich der Auslegung des Schadensbegriffs auf den Erwägungsgrund 146 S. 3 der DSGVO hin, „wonach der Begriff des Schadens im Lichte der Rechtsprechung des EuGH weit und auf eine Weise ausgelegt werden soll, die den Zielen der Verordnung in vollem Umfang entspreche.“

Abschließend verweist das LAG in seiner Begründung darauf, dass die Grenze einer erheblichen Rechtsverletzung überschritten sei, sodass die Handlung durch die Beklagte durchaus einen Schmerzensgeldanspruch gem. Art 82 Abs. 1 DSGVO rechtfertigt.

Spätestens an dieser Stelle kann durchaus infrage gestellt werden, ob der Antragstellerin durch die Veröffentlichung des Werbevideos und der ausgebliebenen Information über den Verarbeitungszweck bzw. der fehlenden schriftlichen Unterrichtung über das bestehende Widerrufsrecht tatsächlich ein immaterieller Schaden entstanden ist, der ein solches Schmerzensgeld begründen würde. Folgt man der Begründung des LAG kann diese Frage zumindest bejaht werden.

Blick über den Tellerrand

In der zitierten Entscheidung des BAG hatte dies zwar eine durchaus arbeitnehmergünstige Position hinsichtlich der Begründung eines Schadensersatzanspruchs eingenommen, wogegen die maßgebenden Fragen bzgl. der Auslegung von datenschutzrechtlichen Vorschriften – u. a. der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO – weiter an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens im Sinne des Art. 267 AEUV zu Klärung gereicht wurden. Das Ersuchen und die darin enthaltenen Fragen, die gewiss eine praktische Relevanz haben, können hier im Einzelnen abgerufen werden. Eine Entscheidung seitens des EuGH steht aktuell noch aus.

Rechtliche Einordnung & Fazit

Der vorliegende Sachverhalt – obgleich es sich hierbei lediglich um eine eingelegte Beschwerde in einem anhängig gemachten Prozesskostenhilfeverfahren handelt – zeigt wieder einmal signifikant auf, dass Arbeitsgerichte hinsichtlich der Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO mit der Annahme eines weiten Schadensbegriffs eine weitestgehend stringente arbeitnehmerfreundliche Linie verfolgen.

Bemerkenswert – wogegen nicht ganz unumstritten – an diesem Sachverhalt ist der Punkt, dass das erstinstanzliche Gericht trotz der Feststellung keiner schwerwiegenden Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Bild, da die Antragstellerin wissentlich an dem angefertigten und veröffentlichten Videomaterial mitgewirkt hat, einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 2.000 Euro zugunsten der Antragstellerin bejaht hat. So wurde der Schmerzensgeldanspruch allein dadurch begründet, dass die Beklagte es versäumt hatte, die Antragstellerin über den eigentlichen Zweck der Datenverarbeitung zu informieren und diese über das bestehende Widerrufsrecht zu unterrichten. An dieser Stelle kann durchaus die Frage aufgeworfen werden, auf welche Schmerzensgeldobergrenze sich die Richter festgelegt hätten, wenn es sich vorliegend nicht um eine offenkundige, sondern um eine verdeckte Datenverarbeitung gehandelt hätte.

Um etwaige, mutmaßlich vermeidbare Fettnäpfchen zu umkurven und erst gar nicht in den „Genuss“ einer gerichtlichen Auseinandersetzung oder von unangenehmen Ersuchen seitens der Datenschutzaufsichtsbehörde zu kommen, sind Verantwortliche daher gut beraten, zeitliche sowie finanzielle Ressourcen für funktionierende Organisations- und Informationsprozesse sowie für Sensibilisierungsmaßnahmen bereitzustellen.

In diesem Zusammenhang bleibt abschließend noch ein Verweis auf einen anderen Beitrag in unserem Blog, in dem wir das Thema Mitarbeitende als Models und die zu ergreifenden erforderlichen Maßnahmen hinsichtlich der Anfertigung und Veröffentlichung von Videomaterial im Beschäftigungskontext behandelt haben.