Unter der Webseite Golem.de erschien am vergangenen Freitag ein Artikel unter Verweis auf einen Bericht des Handelsblatt, wonach die Bundesregierung plant, Dritten den Zugriff auf die Daten der LKW-Maut zu gewähren. Hierzu werden folgende Aussagen der Koalition und verschiedener Politiker zitiert:


Die Daten sollen „ausschließlich für Zwecke der Verkehrslenkung und Verkehrsforschung vollständig anonymisiert und in enger Abstimmung mit den Datenschutzbeauftragten […]“ angeboten werden (aus dem Entschließungsantrag der Koalition, so wie er dem Handelsblatt vorliegt).

„Es wird sicher Startups geben, die daraus Dienste entwickeln.“ Verkehrspolitiker Thomas Jarzombek (CDU)

„Diese Daten sollen für die Auswertung und künftige Planung zur Verfügung stehen“ Lars Klingbeil (netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion)

„Die Anonymität der Daten muss zwingende Voraussetzung für jegliche Zweckänderung sein“. Konstantin von Notz (stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen)

Der Artikel stellt ferner dar:

„Die Erfassungsbrücken der Lkw-Maut ermöglichen es, recht genau nachzuvollziehen, wo sich ein Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit befunden hat. Durch die Massenerfassung ist es denkbar, Staus vorherzusagen oder die Fahrer auf Rastmöglichkeiten hinzuweisen. Im Gegensatz zu Autofahrern müssen Lkw-Fahrer Ruhezeiten penibel einhalten. Staatliche Stellen könnten bei Auswertung der Daten genauer feststellen, welche Streckenabschnitte stark belastet sind und wo neue Straßen oder weitere Spuren eröffnet werden sollten.“

Auf die LKW-Maut und die Freigabe der Daten an Dritte soll nachfolgend näher eingegangen werden.

Welche Daten werden im Rahmen der LKW-Maut erhoben und verarbeitet?

Im Rahmen der elektronischen Mautdatenerfassung und- abrechnung werden eine Vielzahl an Daten erhoben und verarbeitet. Genaueres regelt das Gesetz über die Erhebung von streckenbezogenen Gebühren für die Benutzung von Bundesautobahnen und Bundesstraßen (BFStrMG): Es muss differenziert werden zwischen fahrtbezogene und kontrollbezogene Daten.

Zu den fahrtbezogenen Daten (§ 4 Abs. 3 BFStrMG) gehören:

  • die Höhe der zu entrichteten Maut,
  • die Strecke, für die die Maut zu entrichtet ist,
  • Ort und Zeit der Mautentrichtung,
  • im Falle einer Entrichtung der Maut vor der Benutzung einer mautpflichtigen Bundesautobahn: der für die Durchführung der Fahrt zulässige Zeitraum sowie die Belegnummer,
  • das Kennzeichen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination und
  • für die Mauthöhe maßgebliche Merkmale des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination.

Die kontrollbezogenen Daten (§ 7 Abs. 2 BFStrMG) umfassen:

  • das Bild des Fahrzeugs,
  • den Namen der Person, die das Fahrzeug führt,
  • den Ort und die Zeit der mautpflichtigen Bundesautobahnbenutzung,
  • das Kennzeichen des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination sowie
  • für die Mauthöhe maßgebliche Merkmale des Fahrzeugs oder der Fahrzeugkombination.

 Handelt es sich bei den Daten um personenbezogene Daten?

Überwiegend umfassen die erhobenen Daten Informationen über den LKW (KFZ-Kennzeichen des LKW, Anzahl der Achsen, Schadstoffklasse). Darüber hinaus werden aber auch Daten ermittelt, die darüber Aufschluss geben, welche mautpflichtige Strecke ein LKW befahren und zu welcher Zeit dieser sich an einem bestimmten Ort aufgehalten hat. Ist der Fahrer bzw. Beifahrer des LKW bekannt oder zumindest bestimmbar, kann mithilfe von Mautdaten dargestellt werden, wo dieser sich zu einem bestimmten Zeitpunkt befunden hat.

Es handelt sich bei den Daten mithin um personenbezogene Daten.

 Wie funktioniert die LKW-Maut

Zwar besteht die Möglichkeit, sich an Maut-Terminals oder über das Internet für eine mautpflichtige Fahrt anzumelden. Diese wird grundsätzlich nur von Fahrern genutzt, die sporadisch durch Deutschland fahren. Überwiegend erfolgt die Erfassung elektronisch durch ein vollautomatisches Einbuchen in das Mautsystem über die On Bord-Unit (OBU), die in die Fahrzeuge eingebaut sind.

Die automatische Einbuchung basiert auf einer Kombination der Mobilfunktechnologie GSM (die OBU ist mit einer SIM-Karte ausgestatten, die per SMS regelmäßig abrechnungsrelevante Informationen über das Mobilfunknetz an die MATERNA GmbH als zentralen Dienstleister verschickt), des Satellitenortungssystem GPS und dem Infrarot-Kurzstrecken-Kommunikationssystem DSRC. Über das GPS-Signal wird permanent die aktuelle Position des LKW bestimmt und mit einer in der OBU hinterlegten digitalen Autobahnkarte abgeglichen.

Das DSRC-System dient der Kommunikation zwischen OBU und Mautkontrollbrücken, von denen mehr als 300 Stück die deutschen Autobahnen überspannen. Die Mautkontrollbrücken versuchen mit heranfahrenden Fahrzeugen Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig wird das Fahrzeug von einem Laser abgetastet, um zu ermitteln, ob das Fahrzeug mautpflichtig ist und wie viele Achsen es besitzt. Ferner nehmen die digitalen Infrarotkameras der Kontrollbrücke ein Übersichtsbild des Fahrzeuges sowie mehrere Fotos von dessen Kennzeichen auf.

Entsteht ein DSRC-Kontakt, werden die Messdaten mit den in der OBU hinterlegten Daten abgeglichen. Bei einer Diskrepanz werden die Daten an Toll Collect zur weiteren Prüfung übermittelt.

Entsteht kein DSRC-Kontakt, wird anhand der Messdaten geprüft, ob es sich grundsätzlich um ein mautpflichtiges Fahrzeug handelt. Ist das der Fall, werden die Daten zur Prüfung eines etwaigen Verstoßes an Toll Collect übermittelt.

Handelt es sich nicht um ein mautpflichtiges Fahrzeug oder ergibt der DSRC-Kontakt keine Diskrepanz, werden die Daten unverzüglich gelöscht.

 Wer sind die Beteiligten der LKW-Maut

Neben dem Fahrer, dem Mautschuldner (Eigentümer oder Halter des Fahrzeuges) und der MATERNA GmbH (als Rechenzentrums-Dienstleister)sind die Toll Collect GmbH sowie das Bundesamt für Güterverkehr am Verfahren beteiligt.

Die Toll Collect GmbH ermittelt die Gebührenpflicht des Mautschuldners, zieht dessen Zahlung ein und leitet diese an den Bund weiter. Das Bundesamt für Güterverkehr ist mit der Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben beim Vollzug der LKW-Maut betraut.

Was bedeutet die Freigabe der Daten an Dritte?

Die Nutzung der Daten durch Dritte ist durch das BFStrMG ausgeschlossen. Die Daten unterliegen einer strengen Zweckbindung und können ausschließlich für mautrelevante Sachverhalte verarbeitet werden. Selbst den Strafverfolgungsbehörden ist eine Verarbeitung oder Nutzung der Daten unmöglich.

Sofern als Ziel einer weitergehenden Datennutzung die Vorhersage eines Staus, die Empfehlung von Rastmöglichkeiten oder ähnliches verfolgt wird, stellt sich die Frage, wie dies bei Gleichzeitig geforderter Anonymisierung realisierbar sein soll.

In jedem Fall müssen die kontrollbezogenen Daten von der Nutzungsmöglichkeit ausgeschlossen werden.

Entsprechende Vorhersagen oder Empfehlungen müssen im Bezug zu einem konkreten Fahrzeug abgegeben werden, damit diese sinnvoll sind. Der LKW-Fahrer, der gerade im Raum München unterwegs ist benötigt Informationen zum Stau auf dem Mittleren Ring und nicht zur Sperrung des Elbtunnels bzw. zu Rastplätzen in der Region, in der er sich aufhält.

Verkehrsinformationen können noch über den GPS-Standort des Fahrzeuges anonymisiert versandt werden: Die Information zum Stau des Mittleren Ringes können an alle Fahrzeuge versandt werden, deren Standort sich in einem bestimmten Umkreis um die entsprechenden Koordinaten der Staustelle befinden.

Spätestens bei den Rastmöglichkeiten, im Hinblick auf die Lenkzeiten ergeben sich jedoch Probleme. Hier wird es einer konkreten Ansprache des Fahrzeuges bedürfen, das schon eine kritische Zeitspanne im Betrieb ist. Für die Fahrzeugführer, die ihre Fahrt gerade erst begonnen haben, wären entsprechende allgemeine Informationen irrelevant.

Insoweit erscheint es zwangsnotwendig, mit LKW-IDs zu arbeiten, um konkrete Ansprachen zu gewährleisten. Durch die ID können Datensätze einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet werden. Infolgedessen wäre keine Anonymisierung der Daten, sondern allenfalls eine Pseudonymisierung gegeben.

Bei einer Pseudonymisierung könnten anhand der Mautdaten differenzierte Bewegungsprofile erstellt werden, die unter Umständen eine weitgehende Überwachung durch den Diensteanbieter, aber auch durch öffentliche Stellen ermöglichen. Der nächste Schritt zum gläsernen Autofahrer wäre gemacht.

Es bleibt abzuwarten, wie sich dieser Entschluss der Koalition konkretisiert, insbesondere welche Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Fahrzeugführer, die sich wegen der bestehenden Mautpflicht einer Datenerhebung und –verarbeitung nicht entziehen können, getroffen werden und wie eine Überwachung der datenverarbeitenden Startups realisiert wird.