Minderjährige – eine Thematik, die in den zivilrechtlichen Klausuren der juristischen Ausbildung einen wahren Dauerbrenner darstellt. Liebevoll wurden die Vorschriften zum Schutz Minderjähriger im Rechtsverkehr damals in der Uni auch gerne als „die heilige Kuh des Zivilrechts“ bezeichnet.

Als also in einem aktuellen Beratungsfall mehrere Fragen zum Umgang mit der Verarbeitung personenbezogener Daten von minderjährigen Betroffenen aufkamen, setzte ein kurzes Gefühl von Déjà-Vu ein. Im Zuge der folgenden Recherche stellte sich allerdings heraus, dass im Datenschutzrecht – im Gegensatz zum Zivilrecht – leider die entsprechenden Regelungen nicht ganz so einfach händelbar sind.

Eindeutige Regelung für Minderjährige bei der Nutzung von Online-Diensten

Klare Vorschriften gibt es nur in Bezug auf die Nutzung von Diensten der Informationsgesellschaft durch Minderjährige: Hierzu ist nach Art. 8 Abs. 1 S. 2 DSGVO die Einwilligung der Erziehungsberechtigten oder zumindest deren Zustimmung zur Einwilligung der minderjährigen Person erforderlich, sofern diese unter 16 Jahre alt ist.

Was Dienste der  Informationsgesellschaft im Einzelnen sind, ergibt sich aus der Definition in Art. 4 Nr. 25 DSGVO: Es handelt sich um in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistungen – hierunter fallen Leistungen wie Online-Informationsangebote oder Werbung; Werkzeuge für die Informationssuche, den Zugang zu Daten und deren Abruf sowie Videoabruf (Video-on-demand) oder das Versenden von Werbung per E-Mail (vgl. Ziffer 1.2. der Mitteilung 52003DC0410 der Kommission).

Einwilligungsfähigkeit in andere Datenverarbeitungen

Für Datenverarbeitungen, die außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. 8 DSGVO liegen, wird hingegen weiterhin auf die individuelle Einsichtsfähigkeit der betroffenen minderjährigen Person abgestellt. Ist „das Kind selbst in der Lage […], eine freiwillige, informierte Einwilligung abzugeben“, ist keine Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich (Specht/Mantz, Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht, § 24 Datenschutz in Schule und Schulverwaltung Rn. 48, beck-online).

Die in Art. 8 DSGVO genannten Altersgrenze von 16 Jahren wird jedoch häufig auch auf andere datenschutzrechtliche Einwilligungen übertragen. Die Frage, ob die einwilligende Person die nötige Einsichtsfähigkeit besitzt, die Bedeutung sowie die Konsequenzen ihrer Entscheidung überschauen zu können, ist zwar grundsätzlich im konkreten Einzelfall zu prüfen. Da mit der festen Altersgrenze des Art. 8 DSGVO zumindest eine Orientierungshilfe vorliegt, ab welchem Alter diese Einwilligungsfähigkeit im Normalfall gegeben sein könnte, bietet sich aber ein Rückgriff auf diese Vorschrift als Referenz an.

Daneben wird zur rechtlichen Bewertung der Einwilligungsfähigkeit Minderjähriger auch die Rechtslage vor der DSGVO häufig noch als Anhaltspunkt herangezogen: Damals „hatten sich die Aufsichtsbehörden als Regelvermutung auf eine Altersgrenze von 14 Lebensjahren verständigt“, ab der von einer ausreichenden Einsichtsfähigkeit bei Minderjährigen ausgegangen wurde (Gola/Heckmann/Schulz, 3. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 8 Rn. 10). Einige Stimmen gehen sogar soweit, anzunehmen, dass „die bisher nach der DSRl und dem BDSG a. F. geltende Rechtslage zur Einsichtsfähigkeit von Kindern […] weiter Bestand haben [wird]“ (Taeger/Gabel/Taeger, 4. Aufl. 2022, DS-GVO Art. 7 Rn. 117).

Datenverarbeitung Minderjähriger auf Grundlage berechtigter Interessen

Auch wenn die Rechtsgrundlage der geplanten Datenverarbeitung keine Einwilligung ist, sondern diese auf berechtigte Interessen des Verantwortlichen nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO gestützt wird, ergeben sich Besonderheiten, sofern die betroffenen Personen minderjährig sind: Die im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderliche Interessenabwägung wird im Normalfall zu dem Ergebnis kommen, dass Personen, denen die datenschutzrechtliche Einsichtsfähigkeit noch fehlt, besonders schützenswert sind und deren Interessen daher diejenigen des Verantwortlichen regelmäßig überwiegen.

Erwägungsgrund 38 der DSGVO stellt hierzu klar: „Kinder verdienen bei ihren personenbezogenen Daten besonderen Schutz, da Kinder sich der betreffenden Risiken, Folgen und Garantien und ihrer Rechte bei der Verarbeitung personenbezogener Daten möglicherweise weniger bewusst sind. Ein solcher besonderer Schutz sollte insbesondere die Verwendung personenbezogener Daten von Kindern für Werbezwecke oder für die Erstellung von Persönlichkeits- oder Nutzerprofilen und die Erhebung von personenbezogenen Daten von Kindern bei der Nutzung von Diensten, die Kindern direkt angeboten werden, betreffen.“

Darüber hinaus stellt Erwägungsgrund 58 erhöhte Anforderungen an die Transparenz im Rahmen der Informationspflichten: „Wenn sich die Verarbeitung an Kinder richtet, sollten aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit von Kindern Informationen und Hinweise in einer dergestalt klaren und einfachen Sprache erfolgen, dass ein Kind sie verstehen kann.“

Ein Blick in die Praxis

An dieser Stelle einmal ein kleiner Abgleich mit der Lebensrealität minderjähriger Mediennutzender: Dienste wie TikTok, Instagram und Snapchat werden zu großen Teilen von Kindern und Jugendlichen verwendet, von denen sicher viele unter 16 Jahren alt sind. Dies kann man nun pädagogisch bewerten, wie man möchte – aber die Vorstellung, dass dort vor jeder Veröffentlichung eines Blumenfilter-Selfies oder Tanzvideos das Vorliegen einer schriftlichen Einwilligung beider erziehungsberechtigter Elternteile überprüft würde, mutet etwas absurd an.

Auch abseits der teilweise zweifelhaften Geschäftspraktiken großer US-Konzerne wirkt die datenschutzrechtliche Regelung in ihrer Konsequenz jedoch gelegentlich befremdlich. So sind Minderjährige ab 14 Jahren strafmündig (§ 19 StGB) und sogar bereits ab 7 Jahren beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB). Gerade in Kombination dieser Regelungen können sich mitunter kuriose Konstellationen ergeben: So kann die 8-jährige Schülerin zwar mit ihrem Taschengeld am Schulkiosk selbständig ihr Frühstück kaufen (auch wenn es jeden Tag wieder der Schoko-Donut ist), aber u. U. noch für die nächsten 6 Jahre nicht wirksam darüber entscheiden, ob ihr Foto auf den im Klassenraum aushängenden Steckbrief geklebt werden darf. Der 15-jährige Hobby-Graffiti-Künstler kann strafrechtlich für sein Verhalten zur Verantwortung gezogen werden; lägen seine Interessen aber vielleicht eher beim strafrechtlich unbedenklichen Modellbau und würde er ein Video über die Anfertigung seines neuesten Projekts auf Instagram posten wollen, wäre er dazu möglicherweise nicht wirksam einwilligungsfähig.

Fazit

Eine Einzelfallprüfung der individuellen Einsichtsfähigkeit von minderjährigen Betroffenen wird in den meisten Fällen kaum umsetzbar sein. Auch wenn beispielsweise im Schulkontext die Lehrkräfte möglicherweise noch einschätzen können, wie es um die Einsichtsfähigkeit ihrer einzelnen Klassenmitglieder steht, bietet eine solche Bewertung zumindest keine endgültige rechtliche Verlässlichkeit. Die Orientierung an klaren Altersgrenzen wird damit zumindest für die meisten Verantwortlichen der einzige praktikable Ansatz sein, mit der Thematik umzugehen; insbesondere, wenn es um Verarbeitungen geht, bei denen die Betroffenen dem Verantwortlichen gar nicht persönlich bekannt sind.

Die (zumindest für Teilbereiche des Datenschutzrechts) auf 16 Jahre festgelegte Grenze wirkt dabei jedoch vor dem Hintergrund der Lebensrealität von Jugendlichen sowie der Regelungen in anderen Rechtsgebieten relativ hoch gegriffen. Gleichzeitig muss natürlich gewährleistet werden, dass Minderjährige und ihre persönlichen Daten in besonderem Maße geschützt werden – viele Datenverarbeitungen sind selbst für erfahrene erwachsene Betroffene gar nicht vollumfänglich überschaubar (man denke beispielsweise an die weitreichenden technischen Möglichkeiten des Webtrackings), für Minderjährige damit erst recht nicht. Dies gilt umso mehr für komplexe technische Datenverarbeitungen durch Apps und andere Dienste, die teilweise gezielt auf Jugendliche zugeschnitten sind und per Profilbildung und detailliertem Tracking deren Verhalten zu Werbezwecken auswerten.