Ein Unternehmer, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, haftet seit dem 01. Januar 2015 für die Verpflichtung dieses Unternehmers zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns (§ 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 Satz 1 Arbeitnehmer-Entsendegesetz). Das Besondere an dieser Haftung ist, dass sie nicht davon abhängig ist, wie sorgfältig der Auftraggeber seine Auftragnehmer aussucht. Der Haftungsfall tritt vielmehr per se ein, sobald der Auftragnehmer den gesetzlichen Mindestlohn bei seinen Beschäftigten unterschreitet.

ULD gegen personenbezogene Kontrollen

Durch eine sorgfältige Auswahl des Lieferanten lässt sich das Haftungsrisiko gleichwohl verringern. Dies entspricht auch der Zielsetzung des Gesetzgebers: Der Auftraggeber soll bewusst stärker in die Verantwortung genommen und auf diese Weise gezwungen werden, mit seriösen Lieferanten zusammenzuarbeiten. Um besser einschätzen zu können, ob ein Lieferant seriös ist, fordern viele Auftraggeber Einsicht in die Gehaltslisten und Zeitkonten ihrer Auftragnehmer. Nach unserer Auffassung muss der Auftraggeber dabei auch personenbezogene Daten der betroffenen Beschäftigten zur Kenntnis nehmen dürfen, sofern sich die Einsichtnahmen auf stichprobenartige Kontrollen beschränken (siehe Beitrag „Der neue Mindestlohn wirft auch datenschutzrechtliche Fragen auf“ vom 10. Januar 2015). Dies erachtet das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig- Holstein (ULD) als unzulässig: Nach Auffassung des ULD, soll es Werkunternehmern und Dienstleistern in der Regel nicht erlaubt sein, Beschäftigtendaten an den Auftraggeber zu übermitteln. Zu diesem Schluss kommt die Aufsichtsbehörde in einer kürzlich veröffentlichten Stellungnahme.

Wie das Haftungsrisiko verringern?

Nach Auffassung des ULD stellen Angaben z.B. zur Konfessionszugehörigkeit, zum Familienstand, zur gewählten Steuerklasse, zur Anzahl der Kinder, zum vollständigen Geburtsdatum und zur Privatanschrift des Beschäftigten personenbezogene Daten dar, deren Erhebung zur Verringerung des Haftungsrisikos für den Auftraggeber nicht erforderlich seien. Das leuchtet im Hinblick auf die genannten Datenkategorien ein. Unseres Erachtens lässt sich jedoch sehr wohl das Haftungsrisiko durch stichprobenartige Kontrollen der Bruttostundenlöhne und der Arbeitszeiten zuverlässig verringern. Dieser Gedanke findet in der Stellungnahme des ULD jedoch keine Berücksichtigung. Vielmehr geht das ULD davon aus, dass sich regelmäßig schon aus dem jeweiligen Angebot Indizien dafür ergeben, dass keine Mindestlöhne bezahlt werden. Das kann in Einzelfällen durchaus der Fall sein, es ist jedoch fraglich, welche Konsequenzen der Auftraggeber ziehen muss, wenn er entsprechende Indizien sieht. Ist er gezwungen, sich einen anderen Lieferanten zu suchen oder darf er unter diesen Umständen ausnahmsweise doch personenbezogen kontrollieren? Umgekehrt ist auch ein hochpreisiges Angebot kein zuverlässiges Indiz dafür, dass der gesetzliche Mindestlohn beachtet wird.

Als milderes Mittel zu personenbezogenen Kontrollen schlägt das ULD außerdem vor, das Haftungsrisiko durch eine vom Auftragnehmer beizubringende Bankbürgschaft für den Regressanspruch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer abzusichern. Eine solche Bürgschaft stellt jedoch nur dann eine angemessene Sicherheit dar, wenn die Bank auf die Einrede der Vorausklage verzichtet. Andernfalls müsste der Auftraggeber zuerst versuchen, den Auftragnehmer mittels Klage in Anspruch zu nehmen, bevor er auf die Bank zurückgreifen darf. Zudem dürfte eine Bankbürgschaft in vielen Branchen zu einer Erhöhung der Preise führen. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Lösungsvorschlag Anklang in der Praxis findet.

Wenig hilfreich ist nach unserer Auffassung die Empfehlung, den Auftragnehmer vertraglich zur Freistellung des Auftraggebers von Forderungen der Beschäftigten oder zur Zahlung von Vertragsstrafen zu verpflichten. Vertragliche Regressregeln bieten für sich allein keinen ausreichenden Schutz: Wird der gesetzliche Mindestlohn trotz dieser Vereinbarungen nicht gezahlt, hat der Auftraggeber zwar eine Geldforderung gegen den Auftragnehmer, er trägt jedoch zugleich auch das Risiko eines Forderungsausfalls. Dieses Risiko dürfte gegenüber einem Anbieter, der den Mindestlohn missachtet, sogar erhöht sein. Hinzu tritt die Gefahr, dass der Haftungsfall auch einen Imageschaden für den Auftraggeber zur Folge haben kann. Beides ließe sich durch personenbezogene Kontrollen im Vorfeld verhindern.

Stehen schutzwürdige Interessen entgegen?

Laut Thilo Weichert, dem Leiter des ULD, soll das MiLoG Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen und nicht deren Persönlichkeitsrechte aushöhlen. Ob personenbezogene Kontrollen des Auftraggebers tatsächlich zu einer „Aushöhlung der Persönlichkeitsrechte“ führen, lässt sich jedoch nicht so klar feststellen. Die Kontrollen können auch im Interesse der Betroffenen erfolgen: Sie tragen schließlich dazu bei, dass ihr Arbeitgeber die Mindestlohngrenze beachten muss – und gerade dieser Aspekt ist bei der Abwägung der Betroffenenrechte besonders zu berücksichtigen. Insbesondere im Niedriglohnsektor spricht daher viel für ein Kontrollrecht des Auftraggebers, das auch personenbezogene Daten mit einschließt.

Alternativ wäre eine Treuhandlösung oder Zertifizierung denkbar, bei der ein unabhängiger Dritter (z.B. ein Wirtschaftsprüfer) den Lieferanten prüft und gegenüber allen Auftraggebern bestätigt, dass der Mindestlohn beachtet wird.