Sperre von TikTok in Italien nach dem Tod eines Kindes
Die italienische Aufsichtsbehörde für Datenschutz (Garante per la Privacy) hat TikTok vorerst bis zum 15.02.2021 gesperrt. Diese Maßnahme wurde ergriffen nach dem Tod von Antonella, einer Zehnjährigen aus Palermo am 20. Januar 2021, die bei einer Mutprobe auf TikTok ums Leben gekommen ist.
TikTok verbietet die Nutzung durch Kinder unter 13 Jahren, aber es ist ein Verbot, das von den Nutzern ignoriert wird und leicht umgegangen werden kann (die Kinder machen sich bei der Anmeldung einfach älter). Bereits im Dezember hatte die Aufsichtsbehörde in Rom TikTok eine Reihe von Verstößen vorgeworfen: mangelnde Beachtung des Jugendschutzes und mangelnde Transparenz bei den Informationspflichten sowie nicht datenschutzfreundliche Standardeinstellungen. Es gibt ein italienisches Sprichwort „bisogna prima scapparci il morto“, das man im weitesten Sinne übersetzen kann mit „erst muss jemand sterben“, damit die Warnungen ernst genommen werden. Aktuell forderte der „Garante“ TikTok förmlich auf, die Verwendung von Nutzerdaten, bei denen das Alter nicht zweifelsfrei feststeht, unverzüglich zu sperren. Gleichzeitig hat die Staatsanwaltschaft von Palermo eine Untersuchung zur Anstiftung zum Selbstmord eingeleitet. TikTok seinerseits sagte, man habe keine Beweise gefunden, dass die Tat durch die Plattform gefördert wurde und man kooperiere mit den Ermittlern. Die zuständigen Behörden werden dies beurteilen müssen. Mittlerweile kann der Tod von Antonella auch Konsequenzen für Facebook und Instagramm haben, wo das Mädchen angeblich ebenfalls Accounts hatte. Am 27. Januar hat die römische Aufsichtsbehörde die Plattformbetreiber zu einer Stellungnahme aufgefordert, wie es für ein Kind unter 10 Jahren möglich war, sich auf den beiden Plattformen zu registrieren.
Blackout Challenge und digitale Bildung
Besonders mit dem Lockdown, bei dem Schulen und Spielplätze geschlossen sind, haben sich die Gefahren der Straße ins Netz verlagert, wo vielleicht auch noch ganz andere Gefahren lauern. Was würde passieren, wenn sich Kinder auf dem Spielplatz bei einer Mutprobe erwürgen würden? Wahrscheinlich würden Eltern, Passanten oder die Polizei sofort eingreifen. Ist es bei TikTok auch so? In Europa wird die Chinesische Plattform von rund 100 Millionen Menschen genutzt und jedes Jahr gibt es Unglücke, insbesondere wegen s.g. Blackout- oder Hanging-Challenges, wenn sich Menschen, vielfach Kinder, selbst bis zur Ohnmacht die Luft abdrücken, weil sie sich davon starke Empfindungen versprechen und Mut zeigen wollen. Leider kommt es dabei auch immer wieder zu Todesfällen. Tatsache ist, dass viele Kinder allein vor dem Bildschirm sitzen. Die Blackout Challenge ist sicherlich nicht die einzige Herausforderung, die es in sozialen Netzwerken gibt. Das Web ist daher nicht nur eine virtuelle Realität, sondern greift ein ins reale Leben. Wie kann man Teenager und Kinder schützen? Vielleicht können Algorithmen dabei helfen, gefährliche Situationen rechtzeitig zu identifizieren. Es kann aber nicht nur eine Frage der Einstellungen des Computers oder des Mobiltelefons sein ob Kinder in Gefahr geraten bzw. sich selber in Gefahr bringen. Und es muss nicht erst darauf gewartet werden, dass das nächste unschuldige Kind stirbt, um die Maßnahmen zum Kinderschutz im digitalen Raum zu verstärken. Gleichzeit ist die Zensur von Social-Media-Plattformen auch nicht die Antwort. Es sollte eine öffentliche Debatte über die realen Gefahren im Internet geführt werden und es sollte ein Konzept für digitale Bildung entwickelt werden, welches Kitas, Schulen und Familien einbezieht. Kinder müssen zu kompetenten Nutzern digitaler Angebote werden. Es liegt in der Verantwortung des Gesetzgebers auch im virtuellen Raum einen effektiven Kinderschutz zu gewährleisten. Doch auch die Plattform-Anbieter selbst sollten sich dies zur Aufgabe machen. Die personenbezogenen Daten von Kindern unterliegen gemäß DSGVO einem besonderen Schutz. Bei Kindern unter 16 Jahren bedarf die Verarbeitung und Veröffentlichung kindbezogener Daten (Videos, Fotos, Posts) der Einwilligung der Eltern. Die Datenschutzkonformität von TikTok wurde von uns bereits letztes Jahr analysiert. Darüber hinaus, bleibt die Problematik der Alters-Verifizierung noch offen.
4. Februar 2021 @ 10:20
Was war denn im dem Fall konkret geschehen? Was ist die konkrete Begründung, warum man meint TikTok dafür zur Verantwortung ziehen zu können? Beides geht nicht klar aus dem Artikel hervor.
5. Februar 2021 @ 15:19
Sehr geehrte*r Nutzer*in,
vielen Dank für Ihre Anmerkungen.
Was genau im Detail geschehen ist, wird von der Staatsanwaltschaft von Palermo und der Aufsichtsbehörde für Datenschutz in Rom gerade ermittelt.
Was derzeit bekannt ist, ist dass eine 10-Jährige bei einer Mutprobe auf TikTok ums Leben gekommen ist, bei der sich Personen selber strangulieren. Kinder unter 13 Jahren dürfen TikTok überhaupt nicht verwenden. Der Plattform wird also zunächst einmal vorgeworfen, keine adäquaten Maßnahmen zur Altersverifizierung getroffen zu haben. Darüber hinaus wird aktuell auch ermittelt, ob eine Mitverantwortung des Betreibers für den Tod des Mädchens besteht. In wieweit Betreiber von Social-Media-Plattformen für das zur Verantwortung gezogen werden können, was auf ihren Plattformen geschieht wird ja auch in anderen Zusammenhängen noch kontrovers diskutiert. Wir werden über die Entscheidung der Behörden in diesem Fall berichten.
Mit freundlichen Grüßen
Giuseppe De Grazia