Wir blicken in das neue Jahr – mittlerweile sind zwei Jahre vergangen seit dem letzten Bericht aus unserer Reihe „neulich bei der Marktforschung“.
In den vergangenen Monaten hat sich durch die Corona-Pandemie einiges in der Welt getan. Wie bei vielen Unternehmen und Geschäften im Einzelhandel wirkte sich Corona auch auf die Marktforschung aus. Denn auch die Marktforschungsinstitute mussten sich auf diesen neuen Umstand einstellen, da sich natürlich auch die Studien und Gruppendiskussionen seither an die Abstands- und Hygieneregeln zu halten haben. Präsenz-Termine wurden zeitweise abgesagt, worunter die Studien litten.
Doch kurzerhand wurden neue Konzepte auf die Beine gestellt und Einzel- oder Gruppengespräche, die früher noch am gedeckten Tisch vor dem großen Spiegelfenster stattfanden, auf die allseits bekannten Videokonferenztools ausgelagert.
Doch diese neuen Bedingungen verschärfen den Blick auf den Datenschutz. Schließlich sind die datenschutzrechtlichen Anforderungen sogar dann noch höher, wenn sich vermeintlich „anonyme“ Teilnehmer in einer zoom-Runde aus dem Wohnzimmer zusammen mit dem Moderator unterhalten und plötzlich im Hintergrund das Kind ins Bild rennt – vor allem wenn die gesamte Session noch aufgezeichnet wird.
Kaum noch erwähnenswert ist ferner der Umstand, dass hierbei die privaten Endgeräte der Teilnehmer genutzt werden. Das wirft Fragen auf: Geht auf diese Weise noch mehr Privatsphäre verloren? Und bleibt der Datenschutz dabei auf der Strecke?
Datenschutz bei der Marktforschung
Wie schon bei den vorherigen, natürlich rein fiktiven Teilnahmen an einer Marktforschungsstudie (Teil 1) und unter der Geltung der DSGVO (Teil 2 und Teil 3) wurde festgestellt, dass die Umsetzung der datenschutzrechtlichen Anforderungen erkennbar stets zunahm. Die „DSGVO“ ist längst ein festverankerter Begriff bei den Organisatoren.
In unserem fiktiven Beispielfall wurde von einem mittelgroßen Institut aus der Großstadt der bekannte US-Anbieter zoom für die Gruppendiskussion zum Thema „Reisen“ mit insgesamt fünf Teilnehmern und einem Moderator gewählt und sollte für knapp zwei Stunden die Plattform der Marktforschung bilden.
Doch zurück zum Anfang: Dieser Studie ging eine Rundmail an alle infrage kommende Personen aus der Kartei des Instituts mit einer kurzen Information zur Befragung und einem vorgeschalteten Fragebogen voraus, um so die passenden Kandidaten zu finden und die Termine abzustimmen.
Dies dürfte soweit bekannt und nicht zu beanstanden sein, da die Webseite bereits Datenschutzhinweise enthielt. Jedoch fehlte es immer noch an einer allgemeinen Art. 13 DSGVO Information im Hinblick auf die Datenverarbeitung in der Kartei des Instituts. Aber wer hier Zweifel hat, dem steht ja bekanntlich das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO zu.
Infomail und Einladung
Als die Auswahl offenkundig erfolgreich war und die individuellen Antworten zur Teilnahme an der vergüteten Gruppendiskussion führten, folgte ein persönlicher Anruf auf der zuvor angegebenen Handynummer. Diese wird jedes Mal erneut vom Angeschriebenen abgefragt, stammt also daher nicht aus der Karteikarte und ist somit immer auf dem neuesten Stand. Auch der Anruf ist vertretbar, denn der Mitarbeiter des Instituts wollte sich offenbar die Angaben noch einmal bestätigen lassen und den Termin fix machen.
Am darauffolgenden Tag wurde dann die Einladung zum angestrebten Termin per E-Mail verschickt. Diese Nachricht enthielt bereits die Zugangsdaten für die zoom Session, eine Anleitung zur Nutzung des Dienstes wie auch weitere Datenschutzhinweise im Anhang. Aber auch eine „Verschwiegenheits- und Datenschutzerklärung“ fand sich im Anhang, die normalerweise vor Ort im Institut persönlich zu unterschreiben war. Auf die persönliche Unterschrift wurde nun verzichtet, eine Bestätigung der Kenntnisnahme dieses Dokuments sollte ausreichend sein.
Dass hier immer noch eine Art „Verschwiegenheitserklärung“ bzw. Verpflichtungserklärung auf das Datengeheimnis mit einer Datenschutzerklärung nach Art. 13 DSGVO vermengt worden ist, wie es unserseits bereits vor zwei Jahren angemerkt wurde, überraschte dann jedoch schon ein wenig.
Ferner wurden alle Teilnehmer in dieser E-Mail darum gebeten, nur den Vornamen in zoom anzugeben und möglichst keine weiteren persönlichen Daten von sich preis zu geben.
zoom – Es geht los!
Der Tag, genauer gesagt der Abend, war gekommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich pünktlich zum Start der Befragung im zoom Meetingraum ein. Ohne aktivierte Kamera und daher als „versteckte“ Teilnehmer waren offenbar noch zwei weitere Mitarbeiter oder die Studienleitung in der Sitzung anwesend – es blieb aber bei dieser kleineren Runde.
Als ein Teilnehmer beim Betreten noch seinen kompletten Namen versehentlich angezeigt lies, wurde dieser kurzerhand schnell vom Moderator gekürzt.
Zu Beginn wies der freundliche Moderator in wenigen, aber verständlichen Sätzen auf die Aufzeichnung und die Speicherdauer hin, machte ebenso deutlich, dass sich die Teilnehmer nur mit Vornamen ansprechen und keine weiteren Angaben zur Person machen mögen. Eine vollständige Art. 13 DSGVO Information war dies freilich nicht, aber das hätte auch zuvor schon im Anhang beigefügt werden können.
Die Videokamera und das Mikrofon sollten aber zu jeder Zeit aktiviert sein, um im Redefluss zu bleiben und gewiss auch für die Studien-Beobachter sonst so wichtige Emotionen/Gestiken der Teilnehmer zu erfassen. Das ist verständlich, birgt jedoch das Risiko, dass dadurch ungeplant mehr zusätzliche personenbezogene Daten verarbeitet werden als erforderlich und gewünscht. Und so kam es auch hier prompt, als der kleine Sohn eines Teilnehmers plötzlich mit der Eisenbahn in der Hand im Hintergrund auftauchte und für wenige Augenblicke im Fokus der Kamera stand.
Kleiner Malus: Jedoch fand die zoom-Konferenz nicht verschlüsselt (End-to-End Verschlüsselung) statt, obgleich zoom diese Funktion seit einigen Wochen anbietet.
Unter der Prämisse, es fehle an einer konkreten Einwilligung der teilnehmenden Person und es würden sensible, zusätzliche personenbezogene Daten verarbeitet als es für die Durchführung dieser Studie der Marktforschung erforderlich ist, wäre eine solche Datenverarbeitung nach der aktuellen Rechtslage wohl unzulässig.
Sofern es sich konkret um eine wissenschaftliche, unabhängige Forschung handelt, könnte die Verarbeitung der besonderen Kategorien personenbezogenen Daten der Teilnehmer bei der Studie auf die Rechtsgrundlage aus Art. 9 Abs. 2 lit. j bzw. § 27 BDSG gestützt werden. Dann bräuchte es keiner Einwilligung des Betroffenen. Auch wären unter Umständen die Betroffenenrechte eingeschränkt (Art. 89 Abs. 2 DSGVO). Ob trotz der Namensgebung (“Marktforschungsinstitut”) nun eine Studie über den Geschmack von Eissorten, eines möglichen neuen TV-Formats oder zum Reisen auf Grund der gewählten Methodik der Befragung, der Anzahl an Teilnehmern, der allgemeinen demografischen Relevanz und letztlich auch der Auswertung durch das Institut bereits dem Bereich der “wissenschaftlichen Forschung” bzw. dem weiten Begriff der Forschung (Vgl. Erwägungsgrund 159 der DSGVO) unterfällt, kann sicherlich diskutiert werden, wurde jetzt aber vorliegend abgelehnt. Und selbst dann würde das nur für solche personenbezogenen Daten gelten, die im Rahmen der Durchführung zu verarbeiten sind, nicht jedoch Ton- und Bildaufnahmen des Kindes im Hintergrund. Und auch eine Übermittlung in den Datentransfer in die USA wäre hierüber nicht vollends abgedeckt.
Ungeachtet dessen vergingen die zwei Stunden jedoch wie im Fluge – und gaben immer wieder abwechselnd die fünf Teilnehmer Ihr Feedback bzw. wurden die Fragen beantwortet. Und zum Thema Reisen haben viele eine ganz eigene Meinung geprägt vom Wunsch, endlich mal wieder in die Sonne fliegen zu können.
Fazit
Insgesamt erscheint die hier geschilderte, coronabedingte virtuelle Teilnahme an einer Gruppendiskussion der Marktforschung etwas befremdlich, weil hiermit nun mal die „Studien-Beobachter“ direkt ins heimische Wohnzimmer gelassen worden sind und weniger „Anonymität“ herrschte wie sonst beim üblichen Termin vor Ort im Institut. Doch daran dürften sich die Meisten in der aktuellen Arbeitswelt längst gewöhnt haben. Und den Fahrtweg in die Stadt konnten sich die Teilnehmer sparen, was auch etwas Gutes hat.
Bei der Rechtmäßigkeit der Diskussion mit mehreren Personen in zoom und unter den beschriebenen Umständen bleiben weiterhin kleinere Fragezeichen.
Die „Vergütung“ für die Teilnahme an der Befragung erfolgte übrigens per Überweisung am darauffolgenden Tag, weshalb vorab auf dem eingeschlagenen Kommunikationsweg der E-Mail die Kontodaten zu übermitteln waren. Und diese Daten waren daher für die Erfüllung des Vertrages erforderlich zur Auszahlung der Vergütung.