Jeder Anwalt kennt es, eines der wichtigsten „Gebote“ seines Berufs, die Verschwiegenheitspflicht. Sie stellt das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt sicher. Seit 01.07.2015 ist diesbezüglich nun eine gesetzliche Neuerung in Kraft getreten. Ziel dieser Regelung ist es, präzise Vorgaben zu schaffen, unter anderem wenn der Anwalt beabsichtigt, gewisse Dienstleistungen, wie etwa das Hosting von Mandantendaten, auszulagern. Aus datenschutzrechtlicher Sicht muss beim sogenannten Outsourcing von Dienstleistungen, bei denen personenbezogene Daten verarbeitet werden, nach § 11 Bundesdatenschutzgesetz ein Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung geschlossen werden. Was dies im Einzelnen mit sich bringt, war bereits Thema unserer Betragsreihe „TOM und der Datenschutz“.

Dass sich ein Anwalt beim Auslagern von solchen Diensten jedoch in eine Art Zwickmühle bringt, liegt auf der Hand: Zum einen ist er seinem Mandanten gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichtet, gleichwohl gibt er diese Daten an einen Dritten weiter.

Wie schafft die gesetzliche Neuerung Abhilfe?

Der neu geregelte § 2 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) enthält folgende, über die bislang eher generell normierte Pflicht zur Verschwiegenheit hinausgehenden, Ausführungen:

§ 2 Verschwiegenheit

  1. Der Rechtsanwalt ist zur Verschwiegenheit verpflichtet und berechtigt. Dies gilt auch nach Beendigung des Mandats.
  2. Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verschwiegenheit (§ 43a Abs. 2 Bundesrechtsanwaltsordnung) liegt nicht vor, soweit Gesetz und Recht eine Ausnahme fordern oder zulassen.
  3. Ein Verstoß ist nicht gegeben, soweit das Verhalten des Rechtsanwalts
    a) mit Einwilligung erfolgt oder
    b) zur Wahrnehmung berechtigter Interessen erforderlich ist, z.B. zur Durchsetzung oder  Abwehr von Ansprüchen aus dem Mandatsverhältnis oder zur Verteidigung in eigener Sache, oder
    c) im Rahmen der Arbeitsabläufe der Kanzlei einschließlich der Inanspruchnahme von Leistungen Dritter erfolgt und objektiv einer üblichen, von der Allgemeinheit gebilligten Verhaltensweise im sozialen Leben entspricht (Sozialadäquanz).
  4. Der Rechtsanwalt hat seine Mitarbeiter zur Verschwiegenheit schriftlich zu verpflichten und anzuhalten, auch soweit sie nicht im Mandat, sondern in sonstiger Weise für ihn tätig sind.
  5. Abs. 4 gilt auch hinsichtlich sonstiger Personen, deren Dienste der Rechtsanwalt in Anspruch nimmt und
    a) denen er verschwiegenheitsgeschützte Tatsachen zur Kenntnis gibt oder
    b) die sich gelegentlich ihrer Leistungserbringung Kenntnis von verschwiegenheitsgeschützten Tatsachen verschaffen können.
    Nimmt der Rechtsanwalt die Dienste von Unternehmen in Anspruch, hat er diesen Unternehmen aufzuerlegen, ihre Mitarbeiter zur Verschwiegenheit über die Tatsachen gemäß Satz 1 zu verpflichten. Die Pflichten nach Satz 1und 2 gelten nicht, soweit die dienstleistenden Personen oder Unternehmen kraft Gesetzes zur Geheimhaltung verpflichtet sind oder sich aus dem Inhalt der Dienstleistung eine solche Pflicht offenkundig ergibt.
  6. Der Rechtsanwalt darf Personen und Unternehmen zur Mitarbeit im Mandat oder zu sonstigen Dienstleistungen nicht hinzuziehen, wenn ihm Umstände bekannt sind, aus denen sich konkrete Zweifel an der mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht erforderlichen Zuverlässigkeit ergeben und nach Überprüfung verbleiben.
  7. Die Bestimmungen des Datenschutzrechts zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt.

Was heißt das jetzt konkret?

Grundsätzlich gilt fortan weiter die allgemeine Verschwiegenheitspflicht, welche immer noch als Verbot mit Erlaubnisvorgehalt ausgestaltet ist entsprechend dem datenschutzrechtlichen Grundsatz.

Merken sollte man sich daher insbesondere die in Absatz 3 präzisiert normierten Ausnahmefälle von der Pflicht zur Verschwiegenheit:

  1. Weitergabe bei Einwilligung des Mandanten

    Dies ist ein Klassiker, aber insofern auch mehr eine Klarstellung als Rechtsänderung. Um nicht jedes Mal vor der Weitergabe von Daten an Dritte eine Einwilligung des Mandanten einholen zu müssen, sollte bereits im Beratungsvertrag die erteilte Einwilligung für eine möglichst weitreichende Handhabe des Anwalts enthalten sein.

  2. Weitergabe bei berechtigtem Interesse

    Typische Beispiele für ein berechtigtes Interesse sind, dass der Mandant nicht zahlt oder seinen Anwalt in Haftung nimmt.

  3. Weitergabe bei Sozialadäquanz

    Dies ist wohl die interessantes zeitgleich aber auch schwierigste Ausnahme, nicht zuletzt aufgrund der Abstraktheit des Begriffs „Sozialadäquanz“. Was konkret unter solchen Verhaltensweisen, die von der Allgemeinheit gebilligt werden, zu verstehen ist, wird hoffentlich die Praxis zeigen.

Eine weitere entscheidende Neuerung ist die präzise Regelung zur Einschaltung externer Dienstleister in Absatz 5. In der Konsequenz ist der Anwalt daher verpflichtet sowohl Personen die für ihn tätig werden als auch extern eingeschaltete Dienstleister zur Verschwiegenheit zu verpflichten oder sich die Verschwiegenheit zumindest bestätigen zu lassen. Falls ihm dahingehende Probleme bekanntwerden, darf der Anwalt denjenigen nicht beauftragen bzw. muss schlimmstenfalls das bereits bestehende Vertragsverhältnis beenden. Bleibt abzuwarten, wie sich dies vor dem Hintergrund einiger Technologien, wie etwa dem Cloud-Computing, auswirken wird.

Fazit

Trotz Kritik von Seiten des Justizministeriums kam es letztendlich zu dieser gesetzlichen Neuerung, mit deren Hilfe sich ein Anwalt um einiges besser in der Praxis orientieren kann. Doch auch wenn nun einige präzise Szenarien beispielhaft aufgeführt sind, tappt man bei einigen Begrifflichkeiten doch noch ziemlich im Dunkeln. Auf der absolut sicheren Seite befindet sich ein Anwalt daher wohl nur, wenn er eine umfassende Einwilligung seiner Mandanten einholt und sich von jedem einzelnen externen Dienstleister neben dem ohnehin bestehenden Vertrag zur Auftragsdatenverarbeitung dessen Verschwiegenheit schriftlich bestätigen lässt.