Der Einsatz von Dashcams im Straßenverkehr ist umstritten. Die Verwertbarkeit der Aufzeichnungen in einem gerichtlichen Verfahren ist bislang verneint worden.

Das Verwaltungsgericht Ansbach urteilte, dass die Nutzung von Dashcams einer Vorratsdatenspeicherung gleichkomme und daher datenschutzrechtlich nicht zulässig sei. Das Datenschutz-Interesse der Verkehrsteilnehmer, nicht beobachtet / aufgezeichnet zu werden sei höher zu bewerten als das Interesse des Aufzeichnenden an einem Videobeweis im Falle eines Unfalls (wir berichteten).

Auch das LG Heilbronn vertrat in einem Zivilprozess die Ansicht, dass die Aufzeichnungen im Zivilprozess nicht als Beweismittel zum Hergang eines Unfalls verwertet werden können.

Damit bestätigten beide Gerichte die Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden, die in einem Beschluss aus Februar 2014 die Unzulässigkeit von Videoüberwachung aus Fahrzeugen feststellten.

Revolution?

Nahezu revolutionär erscheint daher auf den ersten Blick das Urteil des AG Nienburg vom 20.01.2015. Dieses stellte fest, dass im Strafverfahren kein generelles Beweisverwertungsverbot für Dashcam-Aufzeichnungen bestehe und die Verwertbarkeit der Aufzeichnung eine Frage des Einzelfalls sei.

Der Entscheidung lag der Vorwurf einer Nötigung im Straßenverkehr zu Grunde. Diese hatte das mutmaßliche Opfer mittels Dashcam dokumentiert.

Das Gericht erachtete die Anfertigung der Aufnahmen als zulässig nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG analog (§ 6b BDSG ist nicht anwendbar, da dieser nur für den ortfesten Betrieb einer Kamera gilt). Die Norm besagt:

„Das Erheben, Speichern, Verändern oder Übermitteln personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke ist zulässig, wenn es für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist.“

Die Norm ist nach Auffassung des Gerichts nicht direkt, sondern nur entsprechend anwendbar, weil sie für den vorliegenden Sachverhalt eigentlich nicht passe – der verfolgte Geschäftszweck, die Beweissicherung, fehlt in der Regelung, weil es der Gesetzgeber schlicht übersehen habe, für diesen Fall eine Regelung zu treffen.

Die nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG vorzunehmende Interesseabwägung fällt dem Gericht zufolge zugunsten des mutmaßlichen Opfers aus:

 „Maßgeblich ist insoweit, dass die kurze, anlassbezogene Aufzeichnung nur die Fahrzeuge, aber nicht die Insassen der Fahrzeuge abbildet und nur Vorgänge erfasst, die sich im öffentlichen Straßenverkehr ereignen. Der Eingriff in das Recht des Angeklagten ist daher denkbar gering, während das Interesse des Zeugen an einem effektiven Rechtsschutz besonders hoch ist. Denn gerade die gerichtliche Aufklärung von Verkehrsunfallereignissen leidet fast ausnahmslos unter dem Mangel an verlässlichen, objektiven Beweismitteln. Zeugenaussagen sind vielfach ungenau und subjektiv geprägt, Sachverständigengutachten kostspielig und häufig unergiebig. Der anlassbezogene Einsatz der Dashcam ist deshalb in dieser konkreten Fallgestaltung für den vom Zeugen verfolgten Zweck der Beweissicherung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.“

Auch sieht das Gericht keine Anhaltspunkte, die für ein Verwertungsverbot der Aufzeichnungen sprechen.

Die Aufnahmen bilden Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs ab. Der absolute Kernbereich der persönlichen Lebensführung des mutmaßlichen Täters sei nicht betroffen. Bei der zu treffenden Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der effektiven Strafverfolgung oder dem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht erwachsenden Geheimschutzinteresse des Angeklagten überwiegt ersteres:

 „Die Verwertung der Aufzeichnung ist erforderlich, da aufgrund der Unergiebigkeit der Zeugenaussagen keine anderen Beweismittel zur Verfügung stehen. Die Verwertung ist auch verhältnismäßig. Denn zum einen ist nicht der Angeklagte selbst, sondern nur sein Fahrzeug abgebildet. […]. Zum anderen bestand zum Zeitpunkt der Verwertung […] der dringende Verdacht, dass der Angeklagte im Falle eines Schuldspruchs zu einer empfindlichen Freiheitsstrafe verurteilt und […] die Fahrerlaubnis entzogen wird.“

Eine Verwertung der Aufnahmen ist, so das Gericht weiter, nur regelmäßig in den Fällen untersagt, in denen „Personen aus eigener Machtvollkommenheit zielgerichtet mittels Dashcam-Aufzeichnungen Daten für staatliche Strafverfahren erheben und sich so zu selbsternannten „Hilfssheriffs“ aufschwingen.“

Fazit

Von einem Nord-Süd-Gefälle kann nicht gesprochen werden. Das Urteil des AG Nienburg behandelt erstmalig die Verwertung von Dashcam-Aufzeichnungen im Strafverfahren. Da das Strafverfahren eine andere Zielrichtung als das Verwaltungs- oder Zivilverfahren hat, kann die Argumentation auf die anderen Verfahrensarten nicht übertragen werden.

Dennoch sind die Ausführungen zur Zulässigkeit der Aufzeichnung mit Vorsicht zu betrachten. Dem Gericht zufolge ist der anlassbezogene Einsatz einer Dashcam zur Beweissicherung zulässig. Das bedeutet konkret, dass entsprechende Aufnahmen nur dann zulässig sein können, wenn die Dashcam, wie offensichtlich in dem entschiedenen Fall, erst bei Beginn der Nötigung eingeschaltet wird.

Ist die Dashcam durchgängig im Einsatz und erfasst dabei zufällig eine Straftat, führt das nicht dazu, dass die gemachten Aufzeichnungen in diesem Moment zulässig werden. Einem solchen Einsatz nämlich, sei es auch zur Verfolgung potentieller Straftaten, fehlt es an der erforderlichen Anlassbezogenheit.

Unklar ist jedoch, ob und wie nachgewiesen werden soll, dass eine Dashcam erst zum „erlaubten“ Zeitpunkt eingeschaltet wurde.