Die Frage, ob und inwieweit die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Hinblick auf datenschutzrechtliche Verstöße eine „Sperrwirkung“ für das Wettbewerbsrecht, insbesondere nach dem UWG, entfaltet und somit weitere Ansprüche auf Unterlassen oder Schadensersatz (§§ 8-10 UWG) verhindern könnte, ist derzeit höchst umstritten.

Selbst nach zahlreichen, bereits ergangenen Entscheidungen der deutschen Gerichte, zeichnet sich (wohl) noch kein klares Bild ab – es wird auf die höchstrichterliche Rechtsprechung ankommen.

Viele Datenschützer sehen aufgrund des besonderen und abschließenden Regelungsgehalts der DSGVO hierfür keinen weiteren Spielraum, insbesondere angesichts des umfassenden Sanktionsmodells der Verordnung – viele andere Juristen halten beide unterschiedlichen Gesetze (DSGVO und das UWG) nebeneinander für anwendbar mit den jeweiligen, denkbaren Ansprüchen. Die mit Inkrafttreten der DSGVO vor einem Jahr von vielen erwartete „Abmahnwelle“ ist dennoch oder gerade wegen dieser Unklarheit ausgeblieben.

Auch die jüngst veröffentlichte Entscheidung aus München (OLG München, Urteil v. 07.02.2019 – 6 U 2404/18) vermag daran nichts zu ändern, gibt jedoch bezüglich einer Nebenfrage in diesem Meinungsstreit eine klare Antwort:  Ansprüchen nach dem UWG, in diesem Fall wegen unzumutbarer Belästigung durch sog. „Cold Calls“ (Werbeanrufe) werden nicht durch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen der DSGVO und auch der etwaigen, derzeit sich noch im europäischen Gesetzgebungsverfahren befindlichen ePrivacy Verordnung gesperrt. Ferner wird sogar deutlich gemacht, dass beide Gesetze nebeneinanderstehen, was durch die unterschiedliche Zweckrichtung der Regelungen – und dem im Urteil zitierten Erwägungsgrund – nicht von der Hand zu weisen ist.

Die Deutlichkeit dieser Aussage überrascht vor dem Hintergrund, dass bisher kein finaler Verordnungstext der für das Jahr 2020/2021 erwarteten ePrivacy Verordnung bekannt ist und in Brüssel noch stark über die konkreten Formulierungen debattiert wird.

Die Richter führen hierzu im Urteil aus (Hervorhebung nicht im Original):

Dass Art. 13 Abs. 3 der Richtlinie 2002/58/EG der Auffassung der Beklagten folgend gegenüber der DS-GVO zurücktreten würde, lässt sich weder dem Verordnungstext – namentlich dessen Art. 95, welcher das Verhältnis zur EK-DSRL regelt, ohne die DS-GVO als vorrangig anzusehen bzw. mit deren Inkrafttreten die EK-DSRL, insbesondere deren Art. 13 Abs. 3, aufzuheben – noch dem Willen des Verordnungsgebers, wie er auch in den Erwägungsgründen zur DS-GVO zum Ausdruck kommt, entnehmen. In Erwägungsgrund 173 zur DS-GVO ist ausgeführt, „diese Verordnung sollte auf alle Fragen des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Daten Anwendung finden, die nicht den in der Richtlinie 2002/58/EG … [EK-DSRL] bestimmten Pflichten, die dasselbe Ziel verfolgen, unterliegen, einschließlich der Pflichten des Verantwortlichen und der Rechte natürlicher Personen. Um das Verhältnis zwischen der vorliegenden Verordnung und der Richtlinie 2002/58/EG klarzustellen, sollte die Richtlinie entsprechend geändert werden. Sobald diese Verordnung angenommen worden ist, sollte die Richtlinie 2002/58/EG einer Überprüfung unterzogen werden, um insbesondere die Kohärenz mit dieser Verordnung zu gewährleisten.“ Vor diesem Hintergrund kann der Beklagten nicht darin gefolgt werden, dass die DS-GVO vorrangige Geltung gegenüber der EK-DSRL beanspruche und in ihrem Geltungsbereich letztere verdränge. Vielmehr kommen beide Vorschriften im Rahmen ihres Regelungsgehalts nebeneinander zur Anwendung. Ein Vorrang der DS-GVO im Sinne einer „Vorwirkung“ lässt sich auch nicht mit der im Gesetzgebungsverfahren befindlichen, auf eine Initiative der EU-Kommission im Januar 2017 zurückgehenden ePrivacy-VO begründen. Der im Hinblick auf den Regelungsgehalt vorstehend festgestellten Unionskonformität des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, namentlich im Hinblick auf die Frage der Durchsetzungsbefugnis durch den Mitbewerber, kann daher die Geltung der DS-GVO nicht entgegengehalten werden.“

Dieser Entscheidung ist auch insofern zuzustimmen, als dass eine „Sperrwirkung“ der DSGVO für klar im Wettbewerb geregelte Verstöße und Konsequenzen hieraus absurd wäre. Das wettbewerbsrechtliche „Belästigungsverbot“ des Einzelnen, das den Schutz vor Telefonwerbung und sich daraus ergebene Ansprüche des Opfers ausgestaltet, wird nicht durch die datenschutzrechtlichen Anforderungen an eine wirksame Einwilligung entkräftet. Andernfalls würde eine Unterwanderung der Marktregeln drohen.

Die eigentliche Frage, also ob ein Datenschutzverstoß auch eine Abmahnung bzw. Ansprüche nach dem UWG begründet, wurde damit nicht beantwortet, da dies eher die spiegelbildliche Perspektive wäre und hier auch nicht vom Gericht zu klären war.

Laut Medienberichten wird zurzeit in der Bundesregierung an einem neuen Gesetz gearbeitet, das wettbewerbrechtliche Abmahnungen wegen etwaiger Verstößen gegen die DSGVO massiv einschränken oder sogar verhindern will. Damit wolle man die Unternehmen vor missbräuchliche Abmahnungen schützen, heißt es.

Insoweit muss weiterhin ausgeharrt werden bis sich eine gefestigte Meinung herausgebildet hat bzw. das Gesetzgebungsverfahren weiter fortgeschritten ist.