Die elektronische Patientenakte – kurz ePA – soll noch in dieser Legislaturperiode als Opt-out-Lösung umgesetzt werden. So sieht das bereits der Koalitionsvertrag zwischen SPD, FDP und Grünen vor.

Seit dem 1. Januar 2021 können gesetzlich Versicherte die ePA bei ihrer Krankenkasse beantragen. Gemäß der Gesetzesregelung in § 341 SGB V, ist die ePA eine versichertengeführte elektronische Akte, die den Versicherten von den Krankenkassen auf Antrag zur Verfügung gestellt wird. Mit ihr sollen den Versicherten u. a. Befunde, Diagnosen, Therapiemaßnahmen und Behandlungsberichte elektronisch bereitgestellt werden. Aber auch andere personenbezogene Daten besonderer Kategorien, die unter den Schutz des Art. 9 DSGVO fallen, sollen in der ePA elektronisch vorgehalten werden können. So sollen Informationen, wie beispielsweise der Notfalldatensatz, Arztbriefe, das Bonusheft für den Zahnarztbesuch, das Untersuchungsheft für Kinder, der Mutterpass oder die Impfdokumentation bereits jetzt in die ePA integriert werden können. Gemäß § 341 Abs. 4 SGB V ist die Krankenversicherung Verantwortlicher der Datenverarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 7 DSGVO. Im Übrigen können seit dem 1. Januar 2022 auch privat Versicherte die ePA beantragen.

Die bisherige Antrags-Lösung (Opt-in-ePA) soll in naher Zukunft durch eine Widerspruchs-Lösung abgelöst werden. Hintergrund für die geplante Umstellung ist, dass bislang weniger als 1 % der gesetzlich Versicherten die ePA bei ihrer Krankenversicherung beantragt haben.

Damit das ePA-Vorhaben nicht doch noch gänzlich scheitert, sollen Krankenkassen unaufgefordert elektronische Patientenakten für alle Versicherten einrichten, wogegen diese aktiv widersprechen können. Die ePA bleibt damit weiterhin freiwillig, erfordert allerdings ein Tätigwerden des Versicherten, sollte er mit der ePA nicht einverstanden sein.

Prüfung der Opt-out-Funktionen

Wie die Opt-out-ePA ausgestaltet werden soll, prüft nun die gematik Gesellschaft. Diese hat den gesetzlichen Auftrag, die Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) und ihrer Infrastruktur in Deutschland voranzutreiben. Zu den Gesellschaftern der gematik zählen unter anderem das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), die Bundesärztekammer (BÄK), die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) u. a. Diese haben am 7. November 2022 die Prüfung folgender Opt-out-Funktionen durch die gematik beschlossen:

  • Bereitstellung der ePA für alle Versicherten,
  • Zugriffsrechte aller Leistungserbringer auf die ePA im Behandlungskontext,
  • Befüllung der ePA durch die behandelnden Leistungserbringer und
  • automatische Weitergabe pseudonymisierter Daten aus der ePA zu Forschungszwecken.

Ärztevertreter, wie Dr. med. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, fordern die Opt-out-Lösung. Wie der Präsident der Bundesärztekammer am 30. November 2022 bei einer Fachveranstaltung in Berlin mitteilte, darf die ePA nicht zu einem PDF-Ablageort verkommen. Patienten und Versorger profitieren erst von der ePA, wenn eine KI-basierte Auswertung und ein strukturierter Datenaustausch zwischen den Versorgern stattfindet. So soll der behandelnde Arzt durch den Eintrag des Pflegedienstes darüber auf dem Laufenden gehalten werden, wieviel der Patient getrunken hat, ob ein Gewichtsverlust vorliegt, wie die Blutzuckerwerte aussehen usw.

Bei diesem pragmatischen Ansatz wird befürchtet, dass datenschutzrechtliche Aspekte vernachlässigt würden, schließlich werden Gesundheitsdaten für einen langen Zeitraum vorgehalten und ausgetauscht. Prof. Dr. Christoph Krönke, von der Wirtschaftsuniversität Wien, gelangt in seinem Gutachten im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung und der Stiftung Münch zu dem Ergebnis, dass die Opt-out-ePA durchaus DSGVO-konform ausgestaltet werden kann und sieht keine gesetzliche Notwendigkeit zum Vorrang der Opt-in vor der Opt-out-Lösung.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), Ulrich Kelber, sieht Verbesserungspotenzial bei der ePA und kritisiert ebenfalls, dass aktuell PDF-Dateien statt strukturierter Daten abgespeichert werden. Zugleich steht er der Opt-out-ePA kritisch gegenüber und empfiehlt weiterhin die Nutzung der Opt-in-Lösung. Diese biete für jedermann die Möglichkeit selbst zu entscheiden, wer auf welche der eigenen Daten zugreifen könne. Es bleibt also abzuwarten, ob und in wie weit die neu geplante Opt-out-ePA diese Möglichkeit berücksichtigt und wie Versicherte, die weder Smartphone noch Tablet nutzen, diese Einstellungen vornehmen können.

Neue Datenquelle für die Forschung

Für medizinische Forscherinnen und Forscher ist der vierte Prüfungsaspekt der gematik besonders spannend. Derzeit sind medizinische Forscherinnen und Forscher oftmals auf das Vorliegen einer sog. breiten Einwilligung angewiesen. Mit einer automatisierten Datenweitergabe aus der Opt-out-ePA, hätten Forscherinnen und Forscher Zugriff auf pseudonymisierte Gesundheitsdaten aller Krankenversicherten, die der Datenspende nicht aktiv widersprechen. Bei 73 Millionen der gesetzlich Krankenversicherten sowie der zusätzlich privat Krankenversicherten, würde der Forschung ein enormer Datensatz zur Verfügung gestellt werden. Nicht weniger spannend ist die Frage, wer Zugriff auf diesen Datenschatz bekommen würde. Die Lösung könnte in einem lang ersehnten Forschungsdatengesetz liegen.


Update: 02.01.2023