Wer kennt es nicht: Man fährt mit dem Auto und ist einen Augenblick nicht hundertprozentig bei der Sache, und schon – zack – hat es einen erwischt. Der berüchtigte rote Blitz vom Straßenrand, und sofort rattert es im Kopf. „Verdammt! Was war hier noch eben ausgeschildert? Und wo stand der Tacho jetzt genau?“ Während die letzte Frage sich meist dadurch erledigt, dass man im Moment des technischen Ertappt-seins reflexartig auf die Bremse hüpft und dadurch ohnehin nicht mehr das tatsächliche Tempo nachvollziehen kann, kreisen bereits die Zahlen fiktiver Bußgelder oder möglicher Fahrverbote durch das peinlich errötete Oberstübchen.

Die judikativen Kontrahenten

Sei es als Privatperson oder als Fahrer eines Dienstwagens, stellt sich deshalb die Frage: Wie ist nun weiter mit der Situation umzugehen? Für einiges Aufsehen sorgte im vergangenen Sommer nämlich eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs (VerfGH) des Saarlandes (Urteil vom 5. Juli 2019, Az. Lv 7/17), wonach die mit bestimmten Messgeräten erstellten „Blitzerfotos“ bei Geschwindigkeitsübertretungen nicht verwerten werden dürften, weil die zugrundeliegenden Roh-Messdaten nicht mitgespeichert würden.

Mittlerweile gibt es neben mehreren anderen Entscheidungen einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 9. September 2019 (Az. 2 Ss (OWi) 233/19), der dem entgegengetreten ist und eine Verwertbarkeit zur Durchsetzung eines Bußgeldbescheids ausdrücklich auch ohne die Rohdaten zugelassen hat.

Was für Daten überhaupt?!

Zur Erläuterung: Diese sogenannten Roh-Messdaten werden innerhalb des jeweiligen Radargeräts verwendet, um aus der Berechnung verschiedener Lichtstrahlen Geschwindigkeiten und Abstände zum betreffenden Objekt (dem fahrenden Auto) zu berechnen. Abgespeichert wird das fertige Foto (unstreitig eine personenbezogene Information, sofern der Fahrer erkennbar ist), nicht aber die Ansammlung von Daten, welche über Kurven-Diagramme die Funktionsweise der im Messgerät verbauten Sensoren darstellen lassen und letztlich zur Anfertigung des Fotos führen. Und genau um diese Daten geht es dabei.

Datenspeicherung für mehr Rechtssicherheit …

Der VerfGH kam zu dem Ergebnis, dass es der Grundsatz eines fairen rechtsstaatlichen Verfahrens gebiete, dass die Rohdaten bei den Geschwindigkeitsmessungen zusätzlich gespeichert werden, weil nur so gewährleistet sei, dass nachträglich die Richtigkeit der Messung überprüft werden könne. Die eigentlichen Aufhänger sind also verfassungsrechtliche Themen und vor allem eine Diskussion im Rahmen der Verfahrensvorschrift von § 256 StPO – mehr dazu sogleich.

Aber, da war doch was … Die Richtigkeit von Daten? Ja, genau. Das riecht doch ebenso nach einem der Grundsätze aus der DSGVO! Bekannt mag einem das aus Art. 5 Abs. 1 lit. d („sachlich richtig und [..] auf dem neuesten Stand“) sowie aus Art. 32 Abs. 1 lit. b („Integrität [..] im Zusammenhang mit der Verarbeitung“) vorkommen. Für öffentliche Stellen zur Verfolgung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten ist ferner in § 47 Nr. 4 BDSG eine gleichlautende Verpflichtung enthalten.

… oder einfach nur Mumpitz?

Demgegenüber gewinnt man bei Lektüre der Entscheidung des OLG den Eindruck, die niedersächsischen Richter hielten das Urteil der Saarländer für eine Art „Majestätsbeleidigung“, frei nach dem Motto „Wie kann man nur …“

Schließlich – und damit kommen wir zu den weiteren Einzelheiten der Auseinandersetzung – sei im Rahmen der zuvor genannten Vorschrift des § 256 StPO bereits geklärt, dass es sich bei der erfolgten Geschwindigkeitsmessung um einen standardisierten vorab geprüften Prozess (ein sog. vorweggenommenes Beweisgutachten) handele, der sich einer weiteren gerichtlichen Überprüfung im Einzelfall entziehe. Die prüfende Instanz ist in dem Fall die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), die durch den Bundesgerichtshof (BGH) höchstrichterlich abgesegnet Messgeräten eine Zulassung verpasst, die gewährleistet, dass jede einzelne der erstellten Messungen den zuvor geprüften Kriterien entspricht, sofern das Gerät ordnungsgemäß bedient worden ist.

Das haben freilich auch die Verfassungsrichter im Südwesten nicht übersehen. Wer sich übrigens mal dem Vergnügen hingeben möchte, das Urteil des VerfGH komplett zu lesen, wird feststellen, dass die Richter dort bereits viele Passagen in „weiser Voraussicht“ so formuliert haben, um Vertretern anderer Ansichten möglichen Wind aus den Segeln zu nehmen – sehr hübsch.

Unser Fazit

Die Verwertbarkeit von sog. Blitzerfotos bei Tempoverstößen im Straßenverkehr ist umstritten. Im Kern geht es darum, ob es für eine nachträgliche Überprüfung der einzelnen erfolgten Messung notwendig ist, dass bestimmte Rohdaten mit abgespeichert werden. Bei dieser Frage werden auf beiden Seiten gewichtige (und in jedem Fall gut vertretbare) Argumente in die juristische Waagschale geworfen.

Dabei dürften – auch wenn dieser Aspekt von den Gerichten bisher nur höchst am Rande erwähnt wurde – auch die Regelungen zum Datenschutz den Ausschlag geben. Schließlich postulieren sowohl die DSGVO in Art. 5 als auch das zu ihrer Umsetzung geschaffene BDSG (dort § 47) entsprechende Grundsätze zur Datenverarbeitung. Womöglich wird es letztlich der EuGH richten dürfen: Ihm obliegt die finale Deutungshoheit, inwieweit nationale Regelungen zum Strafprozessrecht mit dem höherrangigen EU-Primärrecht in Einklang stehen.