Patienten können von Ihren Ärzten eine Kopie der Behandlungsakte verlangen. Allerdings gibt es dazu zwei verschiedene Anspruchsgrundlagen, deren Voraussetzungen und Konsequenzen sich leicht unterscheiden (wir berichteten).

Zwei Anspruchsgrundlagen

Einerseits ergibt sich auch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO ganz allgemein das Recht der betroffenen Person vom Verantwortlichen eine Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten zu erhalten. Hierbei muss die erste Kopie kostenlos erfolgen und erst für weitere Kopien kann ein angemessenes Entgelt gefordert werden.

Andererseits ergibt sich aus § 630g Abs. 2 BGB das Recht des Patienten eine Abschrift der Patientenakte zu verlangen. Dies kann auch in elektronischer Form erfolgen. Dafür kann der Arzt jedoch die Erstattung der entstandenen Kosten verlangen. Dieses Recht auf eine Kopie ist für den Patienten nach dieser Regelung nicht kostenlos.

Bisher war noch nicht geklärt, welche dieser beiden Anspruchsgrundlagen Vorrang hat, wobei im Krankenhaus- und Praxisalltag insbesondere die Frage, ob nun eine Gebühr für die Bereitstellung der Kopie erhoben werden kann oder nicht, unklar war.

Entscheidung des LG Dresden

Mit dieser Frage hat sich nun das Landgericht Dresden auseinandergesetzt (Urteil vom 29.05.2020 Az: 6 O 76/20).

Die Patientin eines Krankenhauses, die Behandlungsfehler vermutete, verlangte gemäß Art. 15 DSGVO Auskunft über die zu ihrer Person verarbeiteten personenbezogenen Daten und eine Kopie der Behandlungsunterlagen im PDF-Format. Das Krankenhaus wollte ihr die Dateien zur Verfügung stellen, verlangte in Übereinstimmung mit § 630g BGB dafür jedoch 5,90€ für den Datenträger sowie die Erstattung der Versandkosten.

Die Patientin klagte gegen dieses Vorgehen und erhielt vom LG Dresden Recht.

Das LG führt aus, dass die Anwendung der DSGVO bei Gesundheitsbehandlungen eröffnet ist, was bisher ohnehin wohl kaum jemand bezweifelt haben dürfte, insbesondere da schon verschiedene Krankenhäuser hohe Bußgelder für DSGVO-Verstöße erhalten haben (wir berichteten).

Kein Vorrang von § 630g BGB vor Art. 15 DSGVO

Weiterhin macht das LG deutlich, dass § 630g BGB keinen spezialgesetzlichen Vorrang vor Art. 15 DSGVO haben kann. Die DSGVO hat als europäische Verordnung Vorrang vor nationalen Gesetzen. Dabei ist irrelevant, dass § 630g BGB genau auf das Patienten/Arzt-Verhältnis zugeschnitten ist, wohingegen Art. 15 DSGVO ganz allgemein für die Verarbeitung personenbezogenen Daten gilt.

Da die Patientin in diesem Fall ganz explizit Auskunft und Kopie nach Art. 15 DSGVO verlangt hat, bestand hier auch kein Beurteilungsspielraum, ob nicht doch eine Kopie nach § 630g BGB gemeint war. Inwieweit das Gericht anders entschieden hätte, wenn die Patientin ihre Forderung nicht explizit auf die DSGVO gestützt hätte, muss offenbleiben.

Der Vorrang der DSGVO vor Sonderregeln wie § 630g BGB wurde zwar schon vielfach vermutet, ist nun aber auch gerichtlich bestätigt.

Festlegung des Streitwerts

Bemerkenswert ist an diesem Urteil auch der Streitwert, den das LG auf 6000€ festgelegt hat (weshalb die Zuständigkeit übrigens beim Landgericht und nicht beim Amtsgericht liegt). Ob dieser Streitwert für alle Klagen auf kostenlose Kopie anwendbar ist, ist unklar. Im vorliegenden Fall befand sich die Patientin über einen Monat lang in stationärer Behandlung, weshalb davon auszugehen ist, dass die Patientenakte sehr umfangreich ist. Bei einer kleineren Datenmenge könnte der Streitwert also durchaus auch niedriger angesetzt werden.

Das Landgericht hat die Berufung zugelassen. Gegebenenfalls lesen Sie bei uns also in ein paar Monaten was das OLG Dresden zu diesem Fall entschieden hat.