Der Landesbeauftragte für Datenschutz und die Informationsfreiheit in Baden-Württemberg (LfDI-BW) hat sich in seinem Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 (siehe hier, S. 32 ff) ausführlich mit dem Thema Videokonferenzen im Unterricht auseinandergesetzt. Im Ferner werden seitens des LfDI-BW die einzelnen Schulen als eigene Verantwortliche i. S. d. DSGVO angesehen.

Wir haben uns das Papier des LfDI-BW einmal genauer angesehen. Nach Auffassung des LfDI müssen neben der datenschutzgerechten Auswahl eines Videokonferenzsystems (vgl. Stellungnahme des LfDI hier) darüber hinaus auch folgende grundsätzliche Fragen zum Einsatz eines Videokonferenzsystems im schulischen Kontext geklärt werden:

  1. Auf welcher Rechtsgrundlage findet die Datenverarbeitung beim Einsatz von Videokonferenzsystemen im Schulunterricht statt und
  2. Welche formalen Anforderungen an die Datenverarbeitung werden im Zuge des Einsatzes von Videokonferenzsystemen im Unterricht gestellt.

Rechtsgrundlage

Bei der Frage nach der gültigen Rechtsgrundlage unterscheidet der LfDI in seinem Papier zwischen der aktiven und passiven Teilnahme von Schülern an Videokonferenzen.

  • Passive Teilnahme von Schülern an Videokonferenzen ohne Übertragung von Bild und Ton und Verwendung von Textnachrichten

Im Hinblick auf die einschlägige Rechtsgrundlage unterscheidet der LfDI BW danach, ob entweder eine rein passive Teilnahme der Schüler (d. h. ohne Übertragung des Bildes und Tons der Schüler) inkl. Nutzung des Textchats stattfindet oder ob auch beim Einsatz von Videokonferenzsystemen Bild und Ton von Schülern übertragen werden. In ersterem Fall darf die mit der Nutzung des jeweiligen Videokonferenztools einhergehende Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund des bestehenden Erziehungs- und Bildungsauftrages der Schulen gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) i. V. m. § 1 Schulgesetz Baden-Württemberg erfolgen.

  • Aktive Teilnahme von Schülern an Videokonferenzen mit Übertragung von Bild und Ton

Dem gegenüber stellt jedoch der Einsatz von Videokonferenzsystemen, bei denen Bild und Ton der Schüler erfasst werden, nach Auffassung des LfDI BW einen tiefgreifenden Grundrechtseingriff dar, welcher einer gesonderten Rechtsgrundlage bedarf. Zwar hat der Landesgesetzgeber dieses Problem gesehen und eine spezielle Ermächtigung zur Herstellung von Bild- und Tonaufnahmen (vgl. § 115 Abs. 3 SchulG-BW) geschaffen, deren Anwendungsbereich ist jedoch – nach Auffassung des LfDI BW – hier allerdings nicht eröffnet.

Darüber hinaus muss bei Video- und Tonübertragungen aus dem häuslichen Umfeld berücksichtigt werden, dass dieser Bereich besonders geschützt ist (vgl. Schutz der Wohnung in Art. 13 des Grundgesetzes).

Daher ist die aktive Teilnahme von Schülern an Videokonferenzen in datenschutzrechtlicher Hinsicht, nach Auffassung des LfDI-BW, nur bei Vorliegen einer Einwilligung nach Art. 7 DSGVO zulässig. Diese Einwilligung muss sowohl von den Schülern als auch von den Mitbetroffenen, zu Hause wohnenden, Eltern (unabhängig vom Alter der Schüler) erteilt worden sein. Zudem muss es auch nach Erteilung der Einwilligung dem jeweiligen Schüler freigestellt sein, die eigene Kamera oder das Mikrofon auszuschalten, denn datenschutzrechtlich ist jede Einwilligung mit sofortiger Wirkung widerruflich.

Allerdings sind Einwilligungen vor dem Hintergrund des Erwägungsgrundes Nummer 43 zur DSGVO wegen des Über- / Unterordnungsverhältnisses zwischen Schule und Schüler nicht unproblematisch. Der Freiwilligkeit einer solchen Einwilligung kann auch ein sozialer Druck seitens der Klassenangehörigen entgegenstehen. Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass die Schüler rechtlich einen Anspruch auf Erziehung und Bildung haben. Die Erfüllung dieses Rechts darf – mit Blick auf die erforderliche Freiwilligkeit – nicht davon abhängig gemacht werden, dass eine Einwilligung erteilt wird. Deswegen muss einem Schüler, der sein Videobild bzw. seinen Ton nicht übertragen möchte, die Teilnahme (hörend, sehend) trotzdem ermöglicht oder ein vergleichbares Bildungs- und Erziehungsangebot unterbreitet werden. Ansonsten wäre eine Einwilligung datenschutzrechtlich nicht wirksam. Zudem sollten Lehrkräfte ohnehin unter dem Gesichtspunkt der Datenminimierung prüfen, inwieweit die Bild- und Tonübertragung für den Unterricht erforderlich ist.

Formale Anforderungen an die Datenverarbeitung

Folgende formale Anforderungen an die Datenverarbeitung sollten nach Auffassung des LfDI BW beim Einsatz von Videokonferenzsystemen im Unterricht beachtet werden:

  • Erstellung eines Eintrages in das Verzeichnis der Verarbeitungstätigkeiten (vgl. Art. 30 DSGVO)
  • Sofern ein Fremdanbieter verwendet wird, muss mit diesem (zusätzlich zum Dienstleistungsvertrag) ein Auftragsverarbeitungsvertrag vor Einsatz des Videokonferenzsystems abgeschlossen werden (vgl. Art.28 DSGVO). Hierbei ist darauf zu achten, dass der Fremdanbieter personenbezogene Daten nur insoweit verarbeitet, als es zur Erfüllung des Auftrages erforderlich ist und dabei angemessene technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz der personenbezogenen Daten umsetzt. Sofern es darüber hinaus zur Datenverarbeitung außerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO (z. B. in den USA) kommt, sind überdies weitere Anforderungen zu beachten (vgl. „Schrems II- Urteil“ des EuGH vom 16.07.2020, Az.: C-311/18).

Empfehlungen des LfDI-BW beim Einsatz von Videokonferenzsystemen im Unterricht

Nach Auffassung des LfDI BW sollten beim Einsatz von Videokonferenzen im Unterricht folgende Empfehlungen berücksichtigt werden:

  • Datensparsame Vorkonfigurierung des Videokonferenzsystems (Privacy by Default)

(z. B. Möglichkeit, Mikrofon und Kamera gesteuert ein- und auszuschalten, aktive Bildschirmfreigabe),

  • die Lehrkraft sollte die Möglichkeit haben, für jeden einzelnen Teilnehmer die Funktionen des Videokonferenztools (Freigabe Videobild, Ton, Bildschirm sowie Nutzung des Textchats) freizugeben oder zu sperren,
  • die Teilnehmer sollten über die aktuellen bzw. potentiell beteiligten Teilnehmer Bescheid wissen, um bewusst entscheiden zu können, ob eine Ton- oder Bildfreigabe erfolgen soll,
  • die Funktion zur Aufnahme von Videokonferenzen sollte grundsätzlich deaktiviert werden, da es sich dabei um einen weiteren Eingriff in die Grundrechte der Videokonferenzteilnehmer handelt, der von der bloßen Einwilligung zur Übertragung von Bild und Ton nicht gedeckt ist,
  • Erlass einer Nutzungsordnung mit Sanktionen (Verbot des Abfilmens des Monitors sowie der Anfertigung von Tonmitschnitten, keine Teilnahme an Videokonferenzen im Beisein anderer Personen oder in öffentlich zugänglichen Räumen, Aufstellung der Kamera, sodass möglichst wenig vom häuslichen Umfeld ersichtlich ist oder Verwendung eines virtuellen Hintergrundes).

Fazit

Zusammenfassend lässt sich somit festhalten, dass digitaler Unterricht nicht nur „Laptops für alle“ bedeutet, sondern dass dessen datenschutzkonforme Umsetzung mit einer Vielzahl an Anforderungen verbunden ist. Eltern sollen insbesondere nicht befürchten müssen, dass ihre Schutzbefohlenen im Netz bloßgestellt werden. Kinder sollen nicht unter Druck stehen, z. B. ihre wenig attraktive Wohnung anderen zeigen zu müssen und Lehrkräfte müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kommunikation sicher ist.