Auch der dritte Tag der re:publica 2017 in Berlin wartete wieder mit vielen interessanten Momenten auf, ehe die Konferenz ihren Abschluss fand.
Den Beginn sollte der Workshop „Warum Datenschutz keine Innovationsbremse ist“ von Marco Maas & Daniel Moßbrucker machen. Der inhaltliche Schwerpunkt der Veranstaltung betraf die Frage, inwiefern der Journalismus bzw. die Medien trotz Forderungen nach besserem Datenschutz durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) weiterhin funktionieren könne.
Deshalb wurde zunächst die DSGVO mit Blick auf die Konsequenzen vorgestellt, die sich aus der neuen Rechtslage für Journalisten und Unternehmern in der Medienbranche ergeben würden.
Journalismus vs. Big Data
Nach dem Landespresserecht (z.B. § 12 Landespressegesetz NRW) besteht hierzulande das Presseprivileg. Dieses soll die Medienarbeit erleichtern, so dass sich der Journalist in seiner Person als Presse nicht an die strengen datenschutzrechtlichen Vorschriften zu halten hat. Das Presseprivileg ist zurzeit in Deutschland nach § 41 BDSG geregelt und wird ab dem 25. Mai 2018 europaweit von Art. 85 DSGVO mit Verweis auf landesrechtliche Vorschriften gesichert. Der Schutz der Meinungs- und Informationsfreiheit wird sogar explizit im Erwägungsgrund 153 erwähnt.
Viele Speaker auf der Berliner Konferenz zeigten sich skeptisch im Hinblick auf die Umsetzung der DSGVO. Die neuen europäischen Vorgaben seien jedoch auch als Chance für „neue Typen des Datenjournalismus“ zu sehen.
Die Redner hoben dabei die allgemeinen Schutzziele der DSGVO und ausdrücklich die neuen Rechtsgedanken hervor. Aus dem nach der Rechtsprechung im Jahre 2014 entwickelten „Recht auf Vergessenwerden“ (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014) würden sich auch für die Medien-Angebote neue Pflichten ergeben, Daten nach bestimmter Zeit und auch auf Wunsch des Betroffenen zu löschen. Dies müsse bei den Diensten entsprechend berücksichtigt werden.
Und auch das „Recht auf Datenübertragbarkeit“ (Art. 20 DSGVO) würde die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen. Muss deshalb ein Unternehmen wie Facebook per Knopfdruck alle vom Anspruchsteller gespeicherten Daten herausgeben – und zwar möglichst in einem solchen Format, um diese Daten in einer anderen Community importieren zu können? Die derzeitigen Interpretationsmöglichkeiten dieser Vorschrift weichen teilweise weit voneinander ab.
Im Anschluss stellten die Vortragenden eine derzeit noch in Selbstentwicklung befindliche APP vor, die vermeintlich neue Gedankenansätze im Datenschutz verfolgen würde. So soll eine neue Sensorik und Technik irgendwann einmal die neue, moderne Systemarchitektur unter Wahrung der Privatsphäre ermöglichen und den personalisierten Datenschutz bezwecken. Getreu dem Motto: Durch die gezielte Datenerhebung und -sammlung soll sich das Spektrum an personenbezogenen Daten in der Summe verringern lassen. Im Ergebnis können viele Meta-Daten und Informationen eingespart werden und dem Grundsatz der „Datenminimierung“ entsprochen werden.
Politik, Sicherheit und Datenschutz?
Womöglich der Höhepunkt der dreitägigen Konferenz dürfte der Auftritt vom Bundesinnenminister Thomas de Maizière gewesen sein, der sich sowohl den Fragen der Diskussionsteilnehmer Constanze Kurz, Sprecherin des Chaos Computer Clubs, und Markus Beckedahl, Gründer von netzpolitik.org, als auch den Beiträgen des Publikums stellte.
Mit einem kurzen Impulsvortrag sollte der CDU-Politiker gleich einmal auf die offenkundigen Kontroversen zu Datenschutz trotz der öffentlichen Sicherheit einleiten. Gesprächsbedarf besteht ohnehin, wenn man sich die Nachrichten zum Datenschutz der letzten Monate vergegenwärtigt. Neue Gesetzesentwürfe und Pilotprojekte zur intelligenten Videoüberwachung mit Gesichtserkennung, biometrische Daten und die oftmals zitierte „staatliche Totalüberwachung“ sind vielen Netzaktivisten ein Dorn im Auge.
Die Digitalisierung bringe ungeahnte Freiheiten und fördere die Demokratie – mit diesen Worten eröffnete der Bundesinnenminister seine Rede. Sogleich folgten die Einschnitte: „Die Freiheitsausführung braucht Regeln. Das ist der Punkt, wo der Staat als Garant für die Rechte ins Spiel kommt.“ Denn durch die neuen Freiheiten entstünden auch neue Freiheitsbedrohungen, insbesondere wenn sich Terroristen und Kriminelle frei und ungreifbar im Netz bewegen würden.
Dabei betonte der Minister die notwendige Trennung zwischen Netzpolitik und Datenpolitik.
So sei er der Auffassung, eine absolute Anonymität im Netz gebe es gar nicht mehr. „Tarnkappen gibt es nur bei Harry Potter“ lautete die eher flapsige Zusammenfassung, die auch schon als Überschrift der Berichterstattung zur Veranstaltung verbreitet wurde.
Gewisse Wertungswidersprüche der Gesetze wie z.B. des Telemediengesetzes (TMG) zum geplanten Netzwerkdurchsetzungsgesetz ließen sich nicht von der Hand weisen, räumte der Politiker ein. Denn „beide Gesetze beruhen auf Abwägungsgedanken, die für sich genommen nachvollziehbar sind“.
Darf der Staat das Handy knacken?
Für Aufsehen dürfte die Aussage gesorgt haben, dass der Staat auch Zugriff auf verschlüsselte Chatprotokolle haben solle. „Der Staat muss auch das technisch können, was er rechtlich darf“. Hier verwies der Bundesinnenminister auf strafprozessuale Ansprüche der Behörden, z.B. auf Herausgabe von IP-Adressen oder dem SMS-Chatverlauf bei Tatverdächtigen.
Die anschließende Podiumsdiskussion mit den beiden Netzaktivisten Markus Beckedahl und Constanze Kurz sollte nach festen Zeitvorgaben eingeschränkt werden, an die sich offensichtlich nicht jeder Teilnehmer halten konnte bzw. wollte. Nach einer kleinen, eher unglücklichen Aktion der Berliner Piraten-Partei lieferten sich die Kontrahenten schlagkräftige Fragen/Antworten, jedoch wichen die Sprecher wie erwartet nicht von ihren jeweiligen Positionen ab. Uneinigkeit herrschte bereits bei der Begrifflichkeit „Staatstrojaner“.
Die „CCC“-Sprecherin kritisierte unter anderem die Tatsache, dass der Staat im darknet gewisse Werkzeuge ankaufe und so einen steuerfinanzierten Schwarzmarkt für Hacking-Wissen und Zero-Days schaffe. Während Beckedahl und Kurz die neuesten Gesetzesvorhaben infrage stellten und der Regierung den „Stillstand“ diagnostizierten, verteidigte der Bundesinnenminister die Politik vehement. All diese würde legitime Zwecke verfolgen.
Doch trotz aller Differenzen verging die Debatte im jederzeitigen respektvollem Umgang fast wie im Fluge.