Vor zwei Monaten erregte ein Automobilhersteller unfreiwillig Aufmerksamkeit durch Hausbesuche bei arbeitsunfähig gemeldeten Beschäftigten. In dem Fall hatten Führungskräfte stichprobenartig erkrankte Beschäftigte zu Hause aufgesucht, um festzustellen, ob bei diesen tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit vorlag. Nachdem dieses Vorgehen bekannt wurde, ließ das Medienecho nicht lange auf sich warten (vgl. hier und hier).
Dass eine Überwachung erkrankter Beschäftigter im häuslichen Umfeld für Arbeitgeber auch rechtliche Folgen haben kann, selbst – oder gerade – wenn hierfür eine externe Detektei beauftragt wird, zeigt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 25. Juli 2024 (Az.: 8 AZR 225/23).
Überwachung eines Beschäftigten durch eine Detektei
In dem verhandelten Fall hatte ein Arbeitgeber einen aufgrund einer unfallbedingten Erkrankung arbeitsunfähig gemeldeten Beschäftigten mittels einer Detektei an mehreren Tagen im häuslichen Umfeld, u. a. im Eingangsbereich seines Hauses und auf seiner Terrasse sowie bei einem Arztbesuch und einem Einkauf, überwachen lassen. Der Arbeitgeber begründete dies damit, dass der objektive Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert gewesen sei und er daher ein berechtigtes Interesse an der Observation des Klägers gehabt habe. Dem lag zugrunde, dass es zwischen dem Kläger und dem beklagten Arbeitgeber vor der streitgegenständlichen Erkrankung zu Differenzen hinsichtlich der durch den Kläger zu übernehmenden Tätigkeiten und zu mehreren unrechtmäßigen Kündigungen gekommen war. Ferner sei nach dem Vortrag des Arbeitgebers die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung an einem Ort ausgestellt worden, an dem sich der Kläger zum Unfallzeitpunkt nach seinen vertraglichen Pflichten gar nicht hätte aufhalten sollen. Die Detektei hatte in der Folge im Rahmen ihrer Überwachung u. a. notiert, dass der Kläger an mehreren Tagen schwere Sachen in Haus und Auto lud sowie handwerkliche Arbeiten vornahm. Weiterhin wurde dokumentiert, dass der Kläger bei einem Einkauf beim Gehen ein Bein nachzog.
Der Arbeitgeber konfrontierte den Kläger daraufhin mit dem Vorwurf einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit, gegen den sich dieser zur Wehr setzte. Aufgrund der aus seiner Sicht unrechtmäßigen Überwachung forderte der Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000 Euro von seinem Arbeitgeber.
So hat das BAG entschieden
Der Kläger konnte zunächst im Berufungsverfahren das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf und anschließend im Revisionsverfahren das BAG im Wesentlichen von seiner Argumentation überzeugen. Nach Ansicht des BAG lag ein Datenschutzverstoß des Arbeitgebers vor, der einen Schadensersatz gegenüber dem Kläger rechtfertige. Das LAG hatte den Schadensersatz im Berufungsverfahren in Höhe von 1.500 Euro für angemessen gehalten.
Das BAG begründete die Entscheidung damit, dass für die mit der Observation verbundene Verarbeitung des sichtbaren Gesundheitszustandes und somit von Gesundheitsdaten im vorliegenden Fall keine Rechtsgrundlage aus Art. 9 Abs. 2 DSGVO gegeben sei. Art. 9 Abs. 2 lit. b DSGVO in Verbindung mit § 26 Abs. 3 S. 1 BDSG könne für eine Mitarbeiterüberwachung durch eine Detektei nur dann als Rechtsgrundlage herangezogen werden, wenn der Beweiswert einer vorgelegten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei und eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenkassen als milderes Mittel nicht möglich oder nicht zielführend sei (vgl. o. g. Urteil des BAG, Rn. 23). Anderenfalls stelle die Überwachung einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Beschäftigten dar. Das BAG hält insofern an seiner früheren Rechtsprechung vor Inkrafttreten der DSGVO fest (u. a. Urteil des BAG vom 29.06.2017, Az.: 2 AZR 597/16).
Im vorliegenden Fall hatte das LAG Düsseldorf den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht als erschüttert angesehen, sodass es an der Erforderlichkeit der Überwachungsmaßnahme fehlte. Zudem ging das Gericht aufgrund der rechtswidrigen Observation von einem immateriellen Schaden in Höhe von 1.500 Euro aus. Diese Einschätzungen weisen laut BAG keine Rechtsfehler auf. Der Schaden bestünde vorliegend bereits in dem Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten sowie in dem verlorenen Sicherheitsgefühl im privaten und häuslichen Umfeld.
Fazit: Überwachungsmaßnahmen nur in engen rechtlichen Grenzen
Das Urteil zeigt, dass eine Mitarbeiterüberwachung durch eine Detektei nur in sehr engen Grenzen datenschutzrechtlich zulässig ist. Im Hinblick auf den erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, der mit einer Überwachung im häuslichen und privaten Umfeld einhergeht, ist die Entscheidung nachvollziehbar. Arbeitgeber, die Zweifel an der Erkrankung von Beschäftigten haben, müssen daher stets sorgfältig prüfen, ob der Beweiswert einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung tatsächlich erschüttert ist und ob mildere Mittel, wie die Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen, vorrangig zum Einsatz kommen können.