Das Amtsgericht Ludwigsburg hat sich der Massenabmahnungen wegen Google Fonts noch einmal angenommen und den rechtsmissbräuchlichen Massenversand festgestellt (Urteil vom 28.02.2023, Az. 8 C 1361/22).
Webcrawler zur Gewinnmaximierung
Wir berichteten bereits in der Vergangenheit über die Massenabmahnungen. So nutzte bspw. ein Berliner Rechtsanwalt einen sog. Webcrawler, um Websites aufzusuchen, die Google Fonts eingebunden hatten und bei denen eine Übermittlung der IP-Adresse an Google in den USA erfolgte, ohne dass die erforderliche Einwilligung eingeholt wurde. An die Inhaber solcher Websites schickte der Anwalt eine Abmahnung mit Verweis auf die Verletzung der Persönlichkeitsrechte wegen der unerlaubten Übermittlung der IP-Adresse und behauptete u. a. einen entsprechenden Unterlassungsanspruch gegen den Websitebetreiber zu haben und verwies auf Schmerzensgelder, die Betroffenen von Gerichten zugesprochen worden wären. Er verknüpfte die Behauptung mit dem Angebot bei einer Zahlung von 170 Euro die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen. Der Anwalt verschickte 217.540 dieser Schreiben, wovon 2.418 erfolgreich waren und die Angeschriebenen jeweils die geforderten 170 Euro zahlten.
Methode der Massenabmahnung vor Gericht gebracht
Im Prozess vor dem Amtsgericht ging es darum, dass ein Angeschriebener sich gegen die Abmahnung zur Wehr setzte und vor Gericht festgestellt haben wollte, dass kein Anspruch auf Unterlassung und Schmerzensgeld bestünde. Dagegen klagte wiederum der Anwalt und strebte u. a. eine Verurteilung auf Unterlassung und Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 170 Euro an.
Das Amtsgericht Ludwigsburg bestätigte zwar das Urteil des LG München I, wonach die unerlaubte Weitergabe der IP-Adresse eines Websitebesuchers wegen der dynamischen Einbindung von Google Fonts auf der Website eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Websitebesuchers darstelle und ein Unterlassungsanspruch und Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Betracht käme (wir berichteten).
Gewinnmaximierung ist Rechtsmissbrauch
Allerdings sah das Amtsgericht hier im Gebaren des Rechtsanwalts eine rechtsmissbräuchliche Rechtsausübung. Rechtsmissbrauch, so das Gericht, liege vor, wenn kein schutzwürdiges Eigeninteresse vorliege und mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde und nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt würden. Dabei greift das Gericht auf § 8c Abs. 2 Nr. 1 UWG zurück. Demnach ist die missbräuchliche Geltendmachung eines Anspruches anzunehmen, wenn dies dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen. Den Rechtsgedanken wandte das Gericht auf diese Fallkonstellation an. Es ginge dem Rechtsanwalt, so das Gericht, nicht um das Unterlassungsinteresse, sondern um eine Einnahmeerzielung. Dies schloss das Gericht daraus, dass der Anwalt im ersten Schreiben die 170 Euro als Ausgleichszahlung zur Abgeltung von Ansprüchen gefordert habe, aber nicht als Schmerzensgeld, wie später in der Klage. Außerdem ginge es dem Anwalt nicht um die Vorbeugung einer zukünftigen Rechtsverletzung, wie dies durch eine Unterlassungserklärung erreicht werden könne, sondern darum 170 Euro zu erhalten. Eine fortgesetzte Rechtsverletzung sei für dem Anwalt also allenfalls zweitrangig gewesen. Hinzu komme, dass der Anwalt bei den angeschriebenen Websitebetreibern, die gezahlt hatten, nicht überprüft habe, ob die Website danach datenschutzkonform ausgerichtet worden sei. Auch dies spreche dafür, dass es vorrangig um den Erhalt der 170 Euro ging. Ebenso schien er kein Interesse gehabt zu haben gegen diejenigen Angeschriebenen vorzugehen, die nicht bezahlt hatten. Erst durch den Gerichtsprozess, den einer der Angeschriebenen angestrebt hatte, sei er motiviert worden, überhaupt gegen diesen Zahlungsverweigerer vorzugehen.
Das Strafrecht ist nicht zu vergessen
Im Ergebnis hatte der Rechtsanwalt mit seinem Vorgehen keinen Erfolg und trug die Kosten des Rechtsstreits. Das mag noch das kleinere Problem sein, da die Berliner Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Abmahnbetrug und Erpressung gegen ihn eingeleitet hat (siehe auch die Pressemitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin).
Hoffnung auf abschreckende Wirkung
Für die Zukunft ist klar, dass bei Massenabmahnungen, denen anzusehen ist, dass es um Gewinnmaximierung geht, die Vermutung des Rechtsmissbrauchs nahe liegt. Es bleibt zu hoffen, dass sowohl die zivilrechtliche Klarstellung als auch die strafrechtliche Behandlung des Falles durch die Behörden eine abschreckende Wirkung für potentielle Nachahmer hat.
Anonymous
28. April 2023 @ 9:25
2418 mal 170 Euro macht 411.060 Euro! Ein exorbitanter Gewinn, selbst wenn man die Portokosten und den Gemeinkostenanteil für den Betrieb der Anwaltskanzlei einbezieht. Wer seinen Job als Rechtsanwalt und damit „Organ der Rechtspflege“ derart missbräuchlich ausübt, sollte die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft entzogen werden. Wenn selbst Organe der Rechtspflege so handeln wie vom „Stamme Nimm“ müssen dem Grenzen gezogen werden.