Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen nimmt einen Anspruch auf ein Schmerzensgeld unabhängig von einer sogenannten Erheblichkeitsschwelle an. Bereits in der Vergangenheit haben wir zu der Frage, ob eine Erheblichkeitsschwelle für ein Schmerzensgeld nach der DSGVO erforderlich ist, berichtet.

Nebenschauplatz Auskunftsrecht im „Dieselgate“

Nun hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) hierzu Stellung bezogen. Der Entscheidung des LAG liegt der Fall eines ehemaligen Arbeitnehmers eines großen Automobilkonzerns zugrunde, der Auskunft nach Art. 15 DSGVO über eine Vielzahl von Daten forderte, die im Zusammenhang mit einer gewissen „Dieselthematik“ standen. Der Arbeitgeber teilte ca. fünf Wochen nach Eingang des Auskunftsbegehrens mit, dass man von der Fristverlängerung von zwei Monaten Gebrauch machen würde. Ungefähr drei Wochen später übersandte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer 938 Dokumente. Allerdings vermutete der Arbeitnehmer noch einen Ergebnisbericht von einer Kanzlei, der sich mit ihm befasste, der ihm vorenthalten wurde.

Das LAG beleuchtete in datenschutzrechtlicher Hinsicht zwei Aspekte des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 DSGVO:

  1. Welchen Umfang hat der Anspruch auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten?
  2. Kann eine verspätete Auskunft einen Anspruch auf Schmerzensgeld begründen?

„Alles muss raus“ wird zur stetigen Rechtsprechung

Zur ersten Frage schließt sich das LAG der Meinung des BGH an, wonach die Auskunftspflicht einem weitreichenden Verständnis unterliegt. Begründet wird diese Ansicht mit dem Wortlaut der Norm, der keinen Anlass zur Einschränkung gibt und verweist auch auf den Zweck des Auskunftsrechts, wonach die betroffene Person in die Lage versetzt werden soll, sich der Verarbeitung bewusst zu sein und die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung zu überprüfen.

Im konkreten Fall sah das Gericht den Anspruch diesbezüglich als nicht erfüllt an, da Anhänge von Dokumenten fehlten und auch Bewertungen von Rechtsabteilungen, die den Arbeitnehmer betrafen, nicht enthalten waren. Auch sah das Gericht das entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse Dritter an der Herausgabe nach § 29 BDSG als nicht einschlägig an, da der Arbeitgeber hierzu nichts hinreichend dargelegt hatte.

Stimmenvielfalt der Gerichte bei der Erheblichkeitsschwelle eines Schadens

Zur Frage des Anspruchs auf Schmerzensgeld stellt das LAG zunächst fest, dass das Auskunftsverlangen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber zu spät beantwortet wurde. So wurde die Frist von einem Monat schon mit dem Hinweisschreiben, man benötige mehr Zeit, nicht eingehalten. Weiter verweist das Gericht darauf, dass ein Verschulden nach Art. 82 Abs. 3 DSGVO vermutet wird und der Arbeitgeber nichts Gegenteiliges zum Verschulden vorgetragen hat.

Außerdem kommt das LAG zu dem Schluss, dass dem Arbeitnehmer durch die verspätete und inhaltlich nicht vollständige Auskunft ein Schaden entstanden ist. Ausdrücklich verneint das LAG die Notwendigkeit für eine Erheblichkeitsschwelle für einen Schmerzensgeldanspruch. Eine Erheblichkeitsschwelle würde der DSGVO widersprechen, da eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar sind, in denen Betroffene trotz Verstößen gegen die Regelungen der DSGVO keine Kompensation erhielten. Außerdem verweist das LAG auf die abschreckende Wirkung von Schmerzensgeldern. Damit wird die Rechtsprechung zunehmend unübersichtlich. Noch sind wohl die Mehrheit der Gerichte der Auffassung, dass es einer Erheblichkeitsschwelle bedarf.

Die Höhe des Schmerzensgeldes von 1.250 € setzt sich zusammen aus der verspäteten Auskunft um ca. zwei Monate in Höhe von 250 € und der inhaltlich unzureichenden Auskunft in Höhe von 1.000 €. Dabei berücksichtigt das Gericht seine Vermutung, dass der Arbeitgeber bewusst bestimmte Informationen zurückgehalten habe.

Blick nach Luxemburg

Abschließend sei darauf verwiesen, dass der Europäische Gerichtshof mit der Frage beschäftigt werden soll, wann ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht und eine Erheblichkeitsschwelle zu berücksichtigten ist. Dies hat das Bundesverfassungsgericht dem Amtsgericht Goslar unlängst nahegelegt (wir berichteten).