Die Norm § 6a BDSG dürfte wohl auch vielen Experten im Datenschutzrecht weitgehend unbekannt sein. Gleichwohl ist ihr Anwendungsbereich in mehreren Konstellationen der Internetnutzung eröffnet. § 6a Abs. 1 BDSG lautet:
„Entscheidungen, die für den Betroffenen eine rechtliche Folge nach sich ziehen oder ihn erheblich beeinträchtigen, dürfen nicht ausschließlich auf eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gestützt werden, die der Bewertung einzelner Persönlichkeitsmerkmale dienen. Eine ausschließlich auf eine automatisierte Verarbeitung gestützte Entscheidung liegt insbesondere dann vor, wenn keine inhaltliche Bewertung und darauf gestützte Entscheidung durch eine natürliche Person stattgefunden hat.“
Zweck dieses Verbots ist der Schutz vor anonymen und automatisierten Entscheidungsprozessen, aus deren Ergebnissen dem Betroffenen Nachteile drohen. Solche Entscheidungsprozesse können etwa im Onlinehandel, in Bewerbungsverfahren oder bei Kreditvergaben ablaufen.
Einzelentscheidung
Das folgende Beispiel beschäftigt sich mit einer automatisierten Einzelentscheidung im Zuge der Bestellung bei Zalando:
In den AGB von Zalando heißt es unter Punkt B 3.1
„Grundsätzlich bieten wir die Zahlarten Vorkasse, Kreditkarte, Rechnung und Paypal an. Wir behalten uns bei jeder Bestellung vor, bestimmte Zahlarten nicht anzubieten und auf andere Zahlarten zu verweisen.“
Insbesondere die Zahlart Rechnung wird häufig nicht angeboten. Dies liegt am erhöhten Zahlungsausfall Risiko beim Verkauf auf Rechnung für Zalando. Vor diesem Hintergrund bietet Zalando die Zahlart Rechnung nur Kunden an, von deren Bonität Zalando überzeugt ist. Kommt Zalando aufgrund einer eingeholten Bonitätsauskunft zu dem Ergebnis, dass dem jeweiligen Nutzer kein Kauf auf Rechnung, sondern nur per Kreditkarte, Paypal usw. angeboten werden soll, liegt hierin eine automatisierte Einzelentscheidung vor, durch die der Nutzer erheblich beeinträchtigt wird. Schließlich erfährt er im Vergleich zu anderen Nutzern, denen ein Kauf auch auf Rechnung ermöglicht wird, eine schlechtere Behandlung (vgl. Gola/Schomerus BDSG § 6a Rn. 10, Simitis BDSG § 6a Rn. 28). Da das Einholen der Bonitätsauskunft und das Anbieten der Zahlungsoptionen binnen weniger Sekunden im Bestellprozess geschehen, kann man davon ausgehen, dass der Entscheidungsprozess komplett automatisiert und somit ohne die Einbeziehung einer natürlichen Person stattfindet. In der Kürze der Zeit und bei der Vielzahl von Geschäftsabschlüssen ist die Einbeziehung natürlicher Personen gar nicht möglich.
Rechtswidrig, oder rechtens?
Die Vorgehensweise von Zalando verstößt also gegen § 6a Abs.1 BDSG. Oder doch nicht? § 6a Abs. 2 Nr. 1 BDSG enthält eine Ausnahme zum Verbot aus § 6a Abs. 1 BDSG. Dieses gelte nicht, wenn die Entscheidung im Rahmen des Abschlusses oder der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses oder eines sonstigen Rechtsverhältnisses ergeht und dem Begehren des Betroffenen stattgegeben wurde. Nach herrschender Meinung ist es ist unerheblich, ob im Rahmen des Vertragsschlusses automatisierte Einzelentscheidungen getroffen wurden, solange letztlich ein Kaufvertrag zu Stande kommt. Dann sei schließlich dem Begehren des Betroffenen im Rahmen des Abschlusses eines Vertragsverhältnisses stattgegeben worden. Dass der Vertragsschluss zu verschlechterten Konditionen stattfand, schade nicht. Im Ergebnis wird deutlich, dass die Reichweite des Verbots aus Absatz 1 durch die weite Auslegung des § 6a Abs. 2 BDSG stark eingeschränkt wird. Der Schutzgedanke der Norm kommt dadurch nur begrenzt zur Geltung. Auch im Beispiel mit Zalando, liegt in der automatisierten Einzelentscheidung die Zahlungsart Rechnung nicht anzubieten, kein verbotenes Verhalten.