Anfang Oktober 2024 haben wir über einen Schwärzungsleitfaden der Sächsischen Datenschutz- und Transparenzbeauftragten (SDTB) berichtet, an dem sich Verantwortliche orientieren und ihre Beschäftigten entsprechend sensibilisieren können. Hierbei ging es um Fälle, in denen Unterlagen vor der Herausgabe an Dritte zu schwärzen sind, um eine unzulässige Datenverarbeitung in Form einer unrechtmäßigen Offenlegung personenbezogener Daten zu vermeiden.
Dass eine Schwärzung jedoch umgekehrt auch eine unzulässige Datenverarbeitung darstellen kann, zeigt ein anderer Fall, über den der SDTB in ihrem Tätigkeitsbericht Datenschutz für das Jahr 2023 (vgl. Ziff. 1.5) berichtet.
Worum geht es?
Gemeinderäte einer sächsischen Gemeinde wendeten sich an die SDTB, da der dortige Bürgermeister sitzungsrelevante Unterlagen schwärzte, bevor er sie an den Gemeinderat ausgab. Geschwärzt wurden demnach Firmendaten in Form des Firmennamens und -adresse in Dokumenten bezüglich eines Vergabeverfahrens.
Der Bürgermeister begründete die Schwärzungen mit § 36b S. 3 SächsGemO, wonach personenbezogene Daten oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bei der Veröffentlichung von Beratungsunterlagen nicht offenbart werden dürfen. Er wollte außerdem sicherstellen, dass die Zuschlagsentscheidung des Gemeinderats objektiv, ohne dass subjektive Empfindungen einzelner Räte in Bezug auf ein bestimmtes Unternehmen, ergeht. Des Weiteren stützte sich der Bürgermeister auf seinen Ermessensspielraum, welcher ihm kraft seines Amtes zukäme.
War die Schwärzung der Sitzungsunterlagen rechtmäßig?
Die Ansichten des Bürgermeisters teilt die SDTB insgesamt nicht. Nach ihrer Auffassung können und müssen den Gemeinderäten die sitzungsrelevanten Unterlagen in ungeschwärzter Form zur Verfügung gestellt werden. Als Rechtsgrundlage zieht die SDTB Art. 6 Abs. 1 e) DSGVO, § 36 Abs. 3 Satz 1 SächsGemO (parallel dazu für die Landräte § 32 SächsLKrO) heran, wonach bei der Einberufung von Sitzungen die für die Beratung erforderlichen Unterlagen beizufügen sind, soweit nicht das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner entgegenstehen.
Hierbei verweist die SDTB auf einen Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (SächsOVG) vom 28. Juli 2009, Aktenzeichen 4 B 406/9:
„Den Ratsmitgliedern sind alle Unterlagen, die für die Beratung zur Bildung einer (vorläufigen) Meinung […] benötigt werden, zur Verfügung zu stellen“
„[…] Dabei ist auf den Informationsbedarf eines verständigen Ratsmitglieds abzustellen, das sich im Rahmen seiner auszuübenden ehrenamtlichen Tätigkeit in den wichtigen Angelegenheiten der Gemeinde auf dem Laufenden hält. Um welche Unterlagen es sich hierbei handelt, ist eine Frage des Einzelfalls und lässt sich nicht allgemein, sondern nur nach Art des jeweiligen Beratungs- bzw. Verhandlungsgegenstands, insbesondere seiner Komplexität und Tragweite bestimmen“
Außerdem nimmt die SDTB Bezug auf ein Urteil des SächsOVG vom 30. August 2019 (Az.: 4 C 12/17), wonach Unterlagen, die vom Landrat (bzw. Bürgermeister) zur Vorbereitung der Sitzungen des Kreistags an die Kreisräte übergeben werden, interne Dokumente der Verwaltung seien, deren Zweck allein in der Verwendung innerhalb des Kreisrats bestünde.
Hieraus folgert die SDTB, dass eine Schwärzung der sitzungsrelevanten Unterlagen nicht erforderlich sei und begründet dies mit dem umfassenden Informationsbedarf der Gemeinderäte, welche als Teil der Verwaltung anerkannt und zudem nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SächsGemO gesetzlich zur Verschwiegenheit verpflichtet seien.
Dementsprechend seien die Unterlagen nach § 36b S. 3 SächsGemO entgegen der Auffassung des Bürgermeisters erst bei deren Veröffentlichung in Bezug auf personenbezogene Daten bzw. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bereinigen, und nicht bereits zum Zeitpunkt der Übergabe an die Ratsmitglieder.
Auch könne sich der Bürgermeister nicht auf seinen eigenen Ermessensspielraum berufen, da es sich bei den „für die Beratung erforderlichen Unterlagen“ um einen – gerichtlich voll überprüfbaren – unbestimmten Rechtsbegriff handele. Dies bedeute zwar, dass dem Bürgermeister ein Beurteilungsspielraum zukomme. Die pauschalen Behauptungen des Bürgermeisters genügten nach Auffassung der SDTB hierbei jedoch nicht.
Verstoß gegen die DSGVO
In dem dargelegten Verhalten des Bürgermeisters sieht die SDTB einen Verstoß gegen Art. 6 DSGVO in Form der „unzulässige[n] Datenminimierung“, da keine Rechtsgrundlage für die Schwärzung vorliege. Eine Rechtsgrundlage sei jedoch gerade erforderlich, da die Schwärzung (wie auch die Löschung von Daten) eine Datenverarbeitung im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstelle.
Fazit
Am Fall der SDTB zeigt sich, dass eine Schwärzung personenbezogener Daten nicht per se eine datenschutzkonforme Handlung darstellt. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der Informationsgehalt, zu dem auch die personenbezogenen Daten in einem Schriftstück gehören, im jeweiligen Einzelfall von Relevanz sind. Nur wenn dies zu verneinen ist, kann die Schwärzung als rechtmäßige Datenverarbeitung angesehen werden.
Im vorliegenden Fall stellt sich aus unserer Sicht jedoch auch die Frage der datenschutzrechtlichen Relevanz der in Rede stehenden Firmendaten. Die DSGVO findet grundsätzlich nur Anwendung, sofern personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO betroffen sind. Danach sind „personenbezogene Daten“ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen.
Bei Firmennamen und Anschriften dürfte dies regelmäßig nur dann der Fall sein, wenn im Namen der Firma selbst der Name einer natürlichen, lebenden Person enthalten ist. Dies ist häufig bei Einzelkaufleuten, nicht aber generell bei allen Firmennamen der Fall. Inwiefern sich die SDTB mit dieser Frage im Rahmen der geschilderten Anfrage beschäftigte, bleibt mangels näherer Ausführungen hierzu letztlich offen.