Die Bearbeitung des täglichen Posteingangs bereitet in größeren Unternehmen regelmäßig Kopfschmerzen: Welche Briefe dürfen geöffnet und welche müssen ungeöffnet an den jeweiligen Adressaten weitergeleitet werden?
Warum ist das relevant?
Nach § 202 Strafgesetzbuch (StGB) wird bestraft, wer unbefugt
- einen verschlossenen Brief oder ein anderes verschlossenes Schriftstück, die nicht zu seiner Kenntnis bestimmt sind, öffnet oder
- sich vom Inhalt eines solchen Schriftstücks ohne Öffnung des Verschlusses unter Anwendung technischer Mittel Kenntnis verschafft.
Daneben können weitere Straftatbestände erfüllt sein, wenn spezielle Geheimhaltungspflichten bestehen (z.B. ärztliche Schweigepflicht).
Welche Formen der Adressierung gibt es und was bedeuten sie?
„An den Betriebsrat“
Diese Post ist auf keinem Fall zu öffnen und unverzüglich und verschlossen an den Betriebsrat weiterzuleiten (ArbG Köln, Beschluss vom 21. März 1989 – 4 BV 20/89 –).
„An den Chefarzt der X-Abteilung/vertrauliche Arztsache, nur durch einen Arzt zu öffnen“
Hier gilt dasselbe. Die Post ist ungeöffnet dem Arzt oder dessen Vertreter vorzulegen. Die Auswertung für Verwaltungszwecke ist erst nach der Prüfung durch den Arzt möglich (LAG Niedersachsen, Urteil vom 15. September 1993 – 5 Sa 1772/92 –).
„Dr. Sebastian Ertel
datenschutz nord GmbH“
In dieser Konstellation ist eine Öffnung zulässig. Bei einer solchen Adressierung geht der Absender regelmäßig davon aus, dass sein Brief nach den Postgepflogenheiten beim Empfänger behandelt wird. Zu den üblichen Gepflogenheiten gehört es, dass die eingehende Post auf der zuständigen Poststelle geöffnet und mit einem Eingangsstempel versehen wird. Es sei denn, das betreffende Poststück enthält ausdrücklich eine persönliche Adressierung oder aus den sonstigen Umständen ist ersichtlich, dass der namentlich genannte Adressat privat oder persönlich gemeint ist. Dies kann durch den Zusatzvermerk „persönlich“ oder „vertraulich“ geschehen (LAG Hamm (Westfalen), Urteil vom 19. Februar 2003 – 14 Sa 1972/02 –).
„zu Händen Dr. Sebastian Ertel
datenschutz nord GmbH“
Ein in dieser Form adressierter Brief darf geöffnet werden. Der Vermerk „zu Händen“ ist lediglich als Verteilungserleichterung beim Empfänger zu werten (LG Arnsberg, Urteil vom 27. Oktober 1989 – 1 O 367/89 –).
„Dr. Sebastian Ertel
persönlich-privat
datenschutz nord GmbH“
Durch die Formulierung „persönlich-privat“ wird die Vertraulichkeit der Briefsendung besonders hervorgehoben. Dieser Brief darf nur vom Empfänger oder dessen Vertreter geöffnet werden (LG Arnsberg, Urteil vom 27. Oktober 1989 – 1 O 367/89 –).
Anonymous
28. März 2022 @ 12:07
Namensgleichheit von Vater und Sohn; Verwechslungsgefahr bei Verwaltungsakten, da keine Unterscheidung wie junior oder senior vorgenommen wird; meines Erachtens keine ordnungsgemäße Zustellung durch die Behörde, da diese von der Namensgleichheit unterrichtet wurde; wo bleibt der Datenschutz? Steuergeheimnis? Briefgeheimnis? Sind die Verwaltungsakte nichtig, da der Empfänger nicht klar und eindeutig aus dem Adressfeld hervorgeht?
Toredo
11. Februar 2017 @ 12:58
Einfach in den Arbeitsvertrag reinschreiben: Der Arbeitnehmer stimmt zu, dass jegliche an ihn adressierte Post an die Firmenanschrift geöffnet und eingesehen wird.
Dr. Sebastian Ertel
20. Februar 2017 @ 9:05
Dieses Formulierung dürfte bei einer kritischen Prüfung keinen Bestand haben. Zudem ist dem betroffenen Arbeitnehmer zu raten, diese so nicht zu akzeptieren.
Der Arbeitnehmer hat keinen Einfluss darauf, wer ihm was zusendet. Auch kann er kaum vorhersehen, welche Inhalte an ihn adressierte Schreiben haben werden. Diese könnten kompromittierende oder sensible Inhalte haben, die dann zur Kenntnis von Kollegen oder des Arbeitgebers gelangen. Als Beispiel sei ein Schreiben des Betriebsarztes genannt, der im Rahmen einer arbeitsmedizinischen Vorsorge eine bestimmte Untersuchung durchgeführt hat und dem Arbeitnehmer mangels Privatanschrift das Ergebnis an seinen Arbeitsplatz schickt.
Wolfgang
23. Mai 2016 @ 20:11
Guten Tag Dr. Ertel,
Was bedeutet das für eine Firma, die den Posteingang auch im Hinblick auf juristische Willenserklärungen so regeln muss, dass der Zugang bei Gelangen in den Machtbereich der Firma erfolgt. Oder ist von Zugang auszugehen obwohl der Brief tagelang oder wochenlang ungeöffnet bleibt? Danke für Ihre Einschätzung.
Daniela Windelband
24. Mai 2016 @ 9:56
Guten Tag,
eine Willenserklärungen gilt als zugegangen, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass dieser ohne weiteres vom Inhalt der Erklärung Kenntnis nehmen kann.
Daher muss der Umgang mit Post innerhalb eines Unternehmens (und auch im privaten Bereich) klar geregelt sein. D.h. es muss eine Person im Unternehmen geben, die für den Umgang mit Posteingängen zuständig ist, diese öffnet und die weiteren Schritte veranlasst. Gibt es keine Regelung und/ oder liegt der Brief tage- oder wochenlang ungeöffnet, ist dennoch grundsätzlich von einem Zugang auszugehen.
Ist ein Brief persönlich/ vertraulich an einen Mitarbeiter adressiert, muss dieser entsprechende Maßnahmen einleiten, um eine zeitnahe Kenntnisnahme zu ermöglichen, ggfls. über eine Vertretungsregelung. Trifft er diese nicht und bleibt der Brief deshalb unbearbeitet, muss er sich dieses Umstand zurechnen lassen.
Je nach Position eines Mitarbeiters in einem Unternehmen und der Wahrscheinlichkeit persönlich zugestellter Postsendungen an dessen Arbeitsplatz, ist die vertragliche Vereinbarung einer Regelung zum Umgang mit persönlichen Postsendungen bei Abwesenheiten sinnvoll.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion
Wolfgang
23. Mai 2016 @ 20:05
Guten Tag Dr. Ertel, was heißt denn das umgekehrt? Wie kann/muss eine Firma sicherstellen, dass Willenserklärungen mit ‚persönlich und vertraulich‘ versehen ordentlich zugehen? Oder muss man vom juristischen Zugang ausgehen obwohl die Post vielleicht über mehrere Tage/Wochen ungeöffnet bleibt? Danke für Ihre Einschätzung.
Anonymous
17. Februar 2016 @ 10:25
Guten Tag Herr Dr. Ertel,
wie sehen Sie den Zusatz „Vertraulich“ als Alternative zu „persönlich-privat“ aus „rechtlicher“ Sicht?
Viele Dank für Ihre Einschätzung und den Artikel.
Mit freundlichen Grüßen
Der dessen Name nicht genannt wird 😉
Dr. Sebastian Ertel
19. Februar 2016 @ 8:27
Guten Tag,
in dem dargestellten Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (Westfalen) – 14 Sa 1972/02 – wurde (im Umkehrschluss) festgestellt, dass eine Verletzung des Briefgeheimnisses vorliegt, wenn Briefe geöffnet werden, die als persönlich oder vertraulich gekennzeichnet sind.
Der Zusatz „Vertraulich“ ist daher eine adäquate Alternative.
Beste Grüße
Dr. Sebastian Ertel