Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat den Sonderkündigungsschutz aus § 38 Abs. 2 in Verbindung mit § 6 Abs. 4 BDSG mit Europarecht als vereinbar erklärt.

Der Fall: Umstrukturierung führt zur Kündigung der Datenschutzbeauftragten

Hintergrund ist ein Rechtsstreit zwischen der Leistritz AG und einer Angestellten, die als Teamleiterin Recht sowie als interne Datenschutzbeauftragte arbeitete. Sie wurde wegen Auslagerung der internen Rechtsberatungstätigkeit und der Datenschutzabteilung ordentlich gekündigt. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Nürnberg wiesen die Kündigung zurück und verwiesen auf den Sonderkündigungsschutz der Angestellten als betriebliche Datenschutzbeauftragte (wir berichteten).

Bundesarbeitsgericht zweifelt und fragt den EuGH

Die Leistritz AG wollte sich damit nicht zufriedengeben und legte Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Das BAG hatte Zweifel, ob sich die nationalen Regeln zum Sonderkündigungsrecht aus dem BDSG mit Europarecht vertragen. Die Zweifel ergaben sich daraus, dass im Schrifttum mehrheitlich die Auffassung vertreten wird, der Sonderkündigungsschutz im BDSG sei eine arbeitsrechtliche Regelung, für die die EU keine Gesetzgebungskompetenz habe, während eine Minderheit im Schrifttum die Ansicht vertritt, dass die Verknüpfung des Schutzes mit der Stellung des Datenschutzbeauftragten unionsrechtswidrig sei und wirtschaftlicher Druck aufgebaut werde, an einem benannten Datenschutzbeauftragten dauerhaft festzuhalten.

Daher legte das BAG dem EuGH diese Frage vor (BAG, Beschluss vom 30.07.2020 – 2 AZR 225/20 (A)).

EuGH legt sich fest: Sonderkündigungsschutz gilt

Im Ergebnis bestätigt der EuGH mit seinem Urteil vom 22.06.2022 den Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte.

Zunächst stellt der EuGH fest, dass der Datenschutzbeauftragte nach Art. 38 DSGVO vor jeder Entscheidung zu schützen sei, mit der sein Amt beendet würde, durch die ihm ein Nachteil entstünde oder die eine Sanktion darstelle. Solch ein Nachteil kann eine Kündigung des Arbeitgebers darstellen. Außerdem weist der EuGH darauf hin, dass dies sowohl interne als auch extern bestellte Datenschutzbeauftragte einschließt:

So „[…] gilt Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO gemäß Art. 37 Abs. 6 DSGVO gleichermaßen für Datenschutzbeauftragte, die Beschäftigte des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters sind und für diejenigen, die ihre Aufgaben auf der Grundlage eines mit dem Verantwortlichen oder dem Auftragsverarbeiter geschlossenen Dienstvertrags erfüllen.“ (Randnummer 23 im Urteil des EuGH vom 22.06.2022 in der Rechtssache C-534/20).

Die Grenze des Schutzes liege dabei in der Erfüllung der Aufgaben als Datenschutzbeauftragter. Eine Kündigung dürfe daher nicht erfolgen, wenn es um die Überwachung der Einhaltung von Datenschutzvorschriften sowie der Strategien des Schutzes personenbezogener Daten gehe.

Damit der Datenschutzbeauftragte seine Aufgaben ausüben könne, müsse seine unabhängige Stellung gewährleistet sein. Genau darum gehe es in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DSGVO. Es gehe nicht darum, das Arbeitsverhältnis zwischen einem Verantwortlichen und dessen Beschäftigten zu regeln. Es geht in diesem Feld daher nicht um den freien Datenverkehr, sondern um Sozialpolitik.

In dem Bereich der Sozialpolitik gebe es aber nach dem Vertrag über die Arbeitsweise der EU eine geteilte Zuständigkeit. Auf diesem Feld können allenfalls Richtlinien erlassen werden, die durch nationales Recht umgesetzt werden müssen und die Mitgliedstaaten nicht daran hindern strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen.

Im konkreten Fall stünde es daher jedem Mitgliedstaat frei, im Rahmen seiner Zuständigkeit strengere Vorschriften für die arbeitgeberseitige Kündigung eines Datenschutzbeauftragten vorzusehen.

Damit kann nach deutschem Recht ein Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Fazit

Das BAG muss nun in der Revision die Antwort des EuGH berücksichtigen. Damit ist die Entscheidung vorgezeichnet. Die Arbeitgeber sollten sich daher insbesondere bei der Bestellung interner Datenschutzbeauftragter darüber im Klaren sein, dass eine Kündigung nicht ohne Weiteres möglich ist und eines wichtigen Grundes, wie die Zerrüttung der Beschäftigtenverhältnisses, bedarf.