In der Weihnachtszeit 2021 haben wir unsere Beitragsreihe zum Sozialdatenschutz mit einer ersten Übersicht gestartet. In diesem Jahr möchten wir Ihnen als Fortsetzung einen Beitrag zu einem der speziellen Bereiche des Datenschutzes – dem Datenschutz in Kinder und Jugendhilfe – präsentieren:

Wie bereits in unserem Eröffnungsbetrag festgestellt, ist die Verarbeitung von Sozialdaten durch öffentliche Sozialleitungsträger zum großen Teil im SGB X geregelt. Da die Verarbeitung der Sozialdaten in der Kinder- und Jugendhilfe den Umgang mit den Daten der minderjährigen Betroffenen umfasst, gelten in diesem Bereich aber besondere Schutzbestimmungen. Der nationale Gesetzgeber hat diese besonderen Regelungen im vierten Kapitel des SGB VIII in den §§ 61 ff. erfasst.

Eines Grundprinzip des Datenschutzes ist das bereits aus dem Eröffnungsbeitrag bekannte Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, welches die Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich verbietet, es sei denn, es liegt eine rechtliche Grundlage als Legitimation der Datenverarbeitung oder die Einwilligung des Betroffenen vor. Für Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe sind insbesondere Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c und lit. e, Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit den Vorschriften des §§ 61-68 SGB VIII als Rechtsgrundlagen relevant. Genauso wie SGB X unterscheidet SGB VIII einige Formen der Datenverarbeitung (z. B. Erhebung, Speicherung, Übermittlung etc.), auf welche wir heute näher eingehen möchten:

Erlaubnis zur Erhebung der Sozialdaten

Sowohl § 62 SGB VIII als auch § 67a SGB X regeln die Voraussetzungen der Datenerhebung. § 62 SGB VIII ist jedoch gegenüber § 67a SGB X spezieller und somit für Träger der öffentlichen Kinder- und Jugendhilferechts vorrangig anzuwenden. Die Daten dürfen gem. § 62 Abs.1 SGB VIII erhoben werden, soweit ihre Kenntnis zur Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist. In der Vorschrift ist somit einer den zentralen Grundsätzen des Datenschutzes- der Erforderlichkeitsgrundsatz– niedergeschrieben. Der Gesetzgeber beschreibt nicht näher, wann die Datenverarbeitung für die Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Der Maßstab ist den Gesetzeskommentierungen zu entnehmen: Erforderlich sind Daten, deren Kenntnis notwendig ist, um die gestellte Aufgabe rechtmäßig, vollständig und in angemessener Zeit erledigen zu können.

Erlaubnis zur Speicherung der Sozialdaten

  • 63 SGB VIII regelt die Speicherung der Sozialdaten. Die Zulässigkeit liegt vor, soweit die Verarbeitung ebenfalls für die Erfüllung der jeweiligen Aufgabe erforderlich ist. Auch in dieser Regelung ist der Erforderlichkeitsgrundsatz verankert.

Erlaubnis zur Übermittlung und Nutzung von Sozialdaten

Das Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt ebenfalls im Rahmen der Übermittlung bzw. Weitergabe von Sozialdaten an andere öffentliche Stellen oder an Dritte sowie für die Nutzung der erhobenen Sozialdaten. Hier ist die Suche nach einer Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung unerlässlich. Sozialdaten dürfen gem. § 64 SGB VIII grundsätzlich zu dem Zweck übermittelt oder genutzt werden, zu dem Sie erhoben worden sind (Zweckbindungsgrundsatz). Davon abweichend lässt § 64 SGB VIII die Datenübermittlung nach §§ 69 ff. SGB X zu, „soweit dadurch der Erfolg einer zu gewährenden Leistung nicht in Frage gestellt wird“. Das SGB X enthält in seinen §§ 69 ff., aber auch in § 68 einige solcher Regelungen, in denen Situationen beschrieben werden, in welchen die Übermittlung von Sozialdaten zulässig ist, z. B. Datenübermittlung an andere öffentliche Stellen, an die Gerichte, an die Polizei oder die Staatanwaltschaft etc. Die Rechtsgrundlagen der Datenübermittlung in den §§ 68 ff. SGB X enthalten eine Vielzahl von Voraussetzungen, die in jedem konkreten Fall einer Übermittlung und Nutzung von Sozialdaten von der verantwortlichen Stelle zu prüfen sind.

Bei dem § 69 SGB X handelt es sich um eine generalklauselartige Regelung, die mehrere Situationen der Datenübermittlung im Abs. 1 Nr. 1-3 beschreibt.

Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass für jede vorgenommene Datenübermittlung nicht die empfangende oder anfragende Stelle, sondern die übermittelnde Stelle datenschutzrechtlich verantwortlich ist. Hier sollte daher besondere Sorgfalt bei der Entscheidung über eine Datenübermittlung an den Tag gelegt werden.

Besonderer Vertrauensschutz in der persönlichen und erzieherischen Hilfe gem. § 65 SGB VIII

Sozialdaten, die einem Mitarbeiter des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe „zum Zwecke persönlicher und erzieherischer Hilfe anvertraut worden sind“, dürfen nur unter den strengen Voraussetzungen des § 65 SGB VIII weitergegeben werden. Auch hier ist fraglich, wie ein unbestimmter Rechtsbegriff der „anvertrauten Daten“ auszulegen ist. Anvertraut sind die Daten dann, wenn sie dem Mitarbeiter des Jugendamtes in der Erwartung mitgeteilt worden sind, dass sie Dritten nicht zugänglich sind. Bezüglich solcher Daten gilt eine sehr hohe Verschwiegenheitspflicht, ähnlich einem Berufsgeheimnis. Die Übermittlung solcher Daten ist nur dann zulässig, wenn die strengen Voraussetzungen des § 65 SGB VIII erfüllt sind. In allen weiteren Fällen darf die Datenübermittlung nicht erfolgen.

Sozialdaten im Bereich Beistandschaft, Amtspflegschaft, Amtsvormundschaft

Für die Verarbeitung der Sozialdaten in den speziellen Bereichen der Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft gilt eine weitere Besonderheit. Aus § 61 Abs. 2 SGB VIII ergibt sich, dass für den Schutz der Sozialdaten bei ihrer Verarbeitung im Rahmen der Tätigkeit des Jugendamts als Amtspfleger, Amtsvormund, Beistand und Gegenvormund ausschließlich § 68 SGB VIII gilt. Nach § 68 Abs. 1 S. 1 SGB VIII darf eine Datenverarbeitung nur erfolgen, soweit dies zur Aufgabenerfüllung nach § 56 SGB VIII in Verbindung mit den einschlägigen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) erforderlich ist. Personen, die im Rahmen einer Beistandschaft, Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft tätig sind, dürfen also die Sozialdaten nur unter den Voraussetzungen des § 68 SGB VIII erheben und verwenden. Eine Übermittlung nach §§ 68, 69, 71 und 73 SGB X ist folglich unzulässig. Daher dürfen in diesen Bereichen keine Daten z. B. an die Unterhaltsvorschusskasse, wirtschaftliche Jugendhilfe, Kindergeldkasse, an andere Behörden, Gerichte oder die Staatsanwaltschaft übermittelt werden, es sei denn es liegt eine wirksame Einwilligungs- bzw. Schweigepflichtentbindungserklärung des Betroffenen vor.

Eine Ausnahme davon gilt nur für die Mitarbeitenden des Fachdienstes Beistandschaft im Rahmen einer Beratung oder Unterstützung gemäß § 18 Abs. 1, 2 und 4 SGB VIII. Da es sich hier um das öffentlich-rechtliche Handeln des Mitarbeitenden handelt, kommen die §§ 61 bis 67 SGB VIII sowie §§ 67 a bis 78 SGB X zur Geltung – eine Verarbeitung von Sozialdaten nach diesen Vorschriften kann unten den dort genannten Voraussetzungen zulässig sein.

Fazit

Die Regelungen des SGB X und SGB VIII erscheinen auf den ersten Blick sehr komplex und verschachtelt. Bei einer näheren Auseinandersetzung und Prüfung der konkreten Beispiele, gewinnt man jedoch einen besseren Überblick über die Gesetzessystematik, was insbesondere die Suche nach einschlägigen Rechtsgrundlagen für die Datenverarbeitung in der täglichen Arbeit erleichtert.