Kaum ein Pilotprojekt zur Videoüberwachung im öffentlichen Raum hat in den letzten Jahren für so viel Aufmerksamkeit gesorgt, wie der vor knapp vier Wochen durch die Bundespolizei und die Deutsche Bahn gestartete Feldversuch am Bahnhof Südkreuz in Berlin.
Die speziell hierfür vorgesehenen Wege am besagten Berliner Bahnhof sind mit einer intelligenten Videoüberwachung ausgestattet, die unter anderem mit einer modernen Gesichtserkennungssoftware und Verhaltensanalyse verknüpft ist. Auf diese Weise soll ein halbes Jahr lang erprobt werden, wie sich durch die neue Technik zum einen bekannte Verdächtige bzw. Gefährder schneller auffinden und beobachten lassen, zum anderen aber auch durch auffälliges Verhalten einzelner Personen beispielsweise ein Terrorangriff verhindert werden könnte. Aber auch Taschendiebe oder Drogendealer könnten möglicherweise anhand von bestimmten Bewegungsmustern entdeckt werden.
Der am 1. August dieses Jahres gestartete Feldversuch mit etwa 300 freiwilligen Teilnehmern steht seit langem in der Kritik der Datenschützer. Die Mitwirkenden erhielten einen Transponder, den sie beim alltäglichen Gang durch das Testgebiet am Bahnhof zur Fehlererkennung tragen sollen. Zuvor ließen sie sich in die Bilderdatenbank aufnehmen. Im Gegenzug erhalten die aktiven Teilnehmer einen Amazon Gutschein.
Ungenaue Angaben zur verwendeten Technik
Nun wurde in den vergangenen Tagen über die konkrete Technik des „Senders“ diskutiert, nachdem der Verein Digitalcourage e.V. der Bundespolizei als verantwortlichen Stelle vorwarf, dass es sich hierbei nicht – wie angeblich angekündigt – um einen „RFID“-Chip handeln würde, sondern der Bluetooth-Sender weitaus mehr an Daten des Nutzers sammeln würde. So hieß es, das Gerät würde auch die Beschleunigung und Temperatur messen. Ebenso wurde die Reichweite des Transponders kritisiert. Ein RFID-Chip, wie er sich beispielsweise in aktuellen Reisepässen, EC-Karten oder Token für Eingangskontrollen an Firmengebäuden befindet, kann nur auf einer überschaubaren Entfernung von wenigen Zentimetern bis maximal ein paar Metern auf Abruf des speziellen Lesegeräts die vorgesehenen Daten übermitteln.
Möglicherweise brachte diese Meldung von Digitalcourage e.V. anschließend das Fass zum Überlaufen, denn am vergangenen Donnerstag äußerte sich die Bundesdatenschutzbeauftrage Andrea Voßhoff zu dem Pilotprojekt und forderte die Bundespolizei auf, sich eine neue und wirksame Einwilligung der Teilnehmer in die Datenverarbeitung einzuholen. So wurde zwar nicht das Ende des stark kritisierten Feldversuchs am Bahnhof Südkreuz gefordert, jedoch die Wirksamkeit der datenschutzrechtlichen Einwilligung der knapp 300 Teilnehmer infrage gestellt.
Anforderung an die Einwilligung
Die Einwilligung nach §§ 4, 4a Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) sieht vor, dass der Betroffene zuvor möglichst transparent und verständlich über die exakte Erhebung und Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten sowie dessen Zweck aufzuklären ist. Sind besondere personenbezogene Daten wie z.B. der biometrische Fingerabdruck, die biometrische Gesichtserkennung oder Gesundheitsdaten betroffen, bedarf es sogar der ausdrücklichen Einwilligung.
Wenn ein vergleichbarer Sender beispielsweise über das erforderliche und festgelegte Maß hinausgehende Daten erhebt und verarbeitet, wie z.B. weitere Beschleunigungsdaten oder die Temperatur misst, anhand dessen sich sogar unter Umständen die Bewegungsabläufe (Ruhezeiten/Schlafzeiten) berechnen ließen, könnten diese zusätzlichen Verarbeitungsprozesse nicht mehr von der Einwilligung umfasst und damit unzulässig sein. In der Konsequenz wären diese bis dato gespeicherten Zusatzdaten zu löschen.
Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltzyk hatte schon zu Beginn des Projekts konstatiert, dass es aktuell an einer Gesetzesgrundlage für eine derartige Videoüberwachung in der Öffentlichkeit fehle. Bürgerrechtler sehen sich sogar einem „Generalverdacht“ ausgesetzt und warnen vor den Folgen des flächendeckenden Einsatzes dieser Überwachungsmethode.
Wie geht es weiter?
Indes traten nun in den vergangenen Tagen auch erste Zweifel an der Kritik von Digitalcourage e.V. auf, die sich demnach auf ungenaue Angaben zum Transponder und dessen konkreten Einstellungen in der Software stützen würden. Die Bundespolizei hat mittlerweile eingeräumt, dass es sich bei dem Transponder tatsächlich um einen Bluetooth-Beacon handele, jedoch auch nur die für den Test erforderliche Daten erhoben würden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erachtet offenbar weiterhin die datenschutzrechtliche Zulässigkeit des Projekts als gegeben.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Einsatz und Test der intelligenten Videoüberwachung am Berliner Bahnhof Südkreuz fortgesetzt wird. Das Ergebnis ist weiterhin offen, wenn gleich der Bundesinnenminister sicherlich langfristig das Ziel eines flächendeckenden Einsatzes der modernen Videoüberwachung verfolgt.
harald
22. Januar 2018 @ 14:33
absoluter bullshit
padeluun
29. August 2017 @ 20:37
Digitalccourage hat nur davon gesprochen, dass mehr Daten erhoben werden *könnten* und immer wieder selbst darauf hingewiesen, dass sie nicht annehmen, dass die Bundespolizei mehr Daten erhebt, speichert und verarbeitet. Zudem sendet der Beacon aktiv 50 Meter weit und ist von Handys auslesbar. Darüber wurde nicht aufgeklärt. Damit konnte von den Testpersonen keine informierte Zustimmung gegeben werden. Der Versuch ist also selbst nach der juristischen Sichtweise der BP/BMI damit illegal.
Conrad Conrad
30. August 2017 @ 8:25
Hallo,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
Über die tatsächlichen technischen Vorgaben und Möglichkeiten bei Start des Projekts herrschte lange Zeit Unklarheit, insofern kann und konnte nur spekuliert werden. In der Tat ist es so, dass der Betroffene im Rahmen der abzugebenden Einwilligung möglicht transparent auf die tatsächlichen Prozesse/Einstellungen und deren Zwecke aufzuklären ist.