Das Verwaltungsgericht Saarlouis hat am 29.01.2016 ein wichtiges Urteil zum Datenschutz getroffen. Diese Fragen hat es entschieden: Beschäftigte können im Arbeitsverhältnis wirksam in die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten einwilligen. Videoüberwachung im Verkaufsraum einer Apotheke ist nur unter strengen Voraussetzungen gestattet.

Die Einwilligung im Arbeitsverhältnis

Wollen Arbeitgeber personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten auf Grundlage einer Einwilligung verwenden, begegnet dieser Datenumgang (bislang) datenschutzrechtlichen Bedenken. Nach Auffassung der Datenschutzaufsichtsbehörden fehlt es für die Wirksamkeit der Einwilligung im Arbeitsverhältnis regelmäßig an der erforderlichen Freiwilligkeit. Zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besteht, so die Aufsichtsbehörden, typischerweise ein Kräfteungleichgewicht. Die Aufsichtsbehörden beurteilen die Einwilligung im Arbeitsverhältnis deswegen häufig als unwirksam. Deutlich gemacht haben sie dies zum Beispiel in der Entschließung der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 25.01.2013.

Das VG Saarlouis hat zu dieser Frage nun klar Stellung bezogen und den Bedenken der Aufsichtsbehörden eine deutliche Absage erteilt. Wörtlich heißt es in den Urteilsgründen:

„Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich ‚frei entscheiden‘, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. (…) Eine Einwilligung in die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung ist im Arbeitsverhältnis überhaupt zulässig. Der Einwand, Arbeitnehmer könnten aufgrund des Machtungleichgewichts nicht i.S.v. § 4a Abs. 1 Satz 1 BDSG frei entscheiden und damit einwilligen, steht der Einwilligung nicht allgemein entgegen.“

Das Bundesarbeitsgericht hatte sich in seinem Urteil vom 11.12.2014 zuvor ähnlich geäußert (wir berichteten):

„Auch im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses können Arbeitnehmer sich grundsätzlich ‚frei entscheiden‘, wie sie ihr Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausüben wollen. Dem steht weder die grundlegende Tatsache, dass Arbeitnehmer abhängig Beschäftigte sind noch das Weisungsrecht des Arbeitgebers, § 106 GewO, entgegen. Mit der Eingehung eines Arbeitsverhältnisses und der Eingliederung in einen Betrieb begeben sich die Arbeitnehmer nicht ihrer Grund- und Persönlichkeitsrechte.“

Beschäftigte können also eine wirksame Einwilligung in die Verwendung ihrer persönlichen Daten abgeben. Nach dem Urteil des VG Saarlouis können sie sogar in die Videoüberwachung am Arbeitsplatz – darum ging es in dem entschiedenen Fall – einwilligen.

Sind damit alle Bedenken zur Einwilligung im Arbeitsverhältnis gegenstandslos?

So weit ging das Gericht nun doch wieder nicht. Es prüfte genau, ob die in dem Verfahren vorgelegten schriftlichen Einwilligungserklärungen der Beschäftigten zur Videoüberwachung am Arbeitsplatz den gesetzlichen Anforderungen des § 4a Abs. 1 BDSG entsprechen.

Die zunächst vorgelegte Unterschriftenliste unter dem Satz „Mir ist bekannt, dass in der S.-Apotheke 5 Überwachungskameras aufgestellt sind und ich erkläre mich damit einverstanden.“ genügte nach Auffassung des Gerichts nicht den Anforderungen des § 4a Abs. 1 BDSG.

Erforderlich waren vielmehr einzelne, von dem Arbeitsvertrag getrennte schriftliche Einwilligungserklärungen jedes Beschäftigten. In der Einwilligungserklärung ist der Mitarbeiter auf den vorgesehenen Zweck der Datenverarbeitung sowie auf die Folgen der Verweigerung der Einwilligung hinzuweisen. Als Indiz für eine fehlende Freiwilligkeit hat das Gericht den Zwang zur Unterschrift auf einer gemeinsamen Erklärung für alle Mitarbeiter angesehen. Der Arbeitgeber besserte die zunächst verwendeten Einwilligungserklärungen während des Verfahrens nach und legte von jedem Beschäftigten eine Einwilligungserklärung vor, welche den Anforderungen des Gerichts entsprach.

Diese Anforderungen werden in der Praxis nicht immer umzusetzen sein. So ist auch das Gericht davon ausgegangen, dass die Einwilligung als sichere Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungen im Beschäftigungsverhältnis eher ungeeignet ist. Dies lässt sich am Beispiel des entschiedenen Falls gut veranschaulichen.

Die Mitarbeiter haben zugestimmt, dass Teilbereiche ihres Arbeitsplatzes mit einer Videokamera überwacht werden. Was ist nun zu tun, wenn ein Mitarbeiter seine Einwilligung widerruft? Oder es wird ein neuer Mitarbeiter eingestellt, willigt aber nicht in die Videoüberwachung ein? Wendet man die in den Urteilsgründen aufgestellten Leitlinien konsequent an, müsste die Videoüberwachung in diesen Fällen eingestellt werden. Auf eine gesetzliche Grundlage ließe sich die Videoüberwachung in Räumen, die allein von Mitarbeitern betreten werden können, nicht stützen. Denn das Gericht hat noch zu einer anderen wichtigen Frage seine Auffassung mitgeteilt – § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG rechtfertigt (wohl) keine Videoüberwachung von Beschäftigten zu präventiven Zwecken. Eindeutig entschieden hat das Gericht diese Frage aber – mangels Entscheidungserheblichkeit – nicht.

Videoüberwachung des Verkaufsraums einer Apotheke

Das Gericht hat sich zudem zur Videoüberwachung des Verkaufsraums einer Apotheke geäußert. Die Voraussetzungen einer Videoüberwachung in öffentlich zugänglichen Räumen (dazu gehört der Verkaufsraum einer Apotheke) regelt § 6b BDSG. Nach § 6b Abs. 1 BDSG ist die Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume nur zulässig, soweit es zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte für das Vorliegen überwiegender schutzwürdiger Interessen der betroffenen Personen bestehen.

Das Gericht hat festgestellt, dass die Videoüberwachung des Verkaufsraums und der Kundeneingänge zwar der Wahrnehmung des Hausrechts dient, dafür jedoch nicht erforderlich ist. Eine Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die Videoüberwachung schloss das Gericht aus.

Eine Videoüberwachung zum Zweck der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten – das hatte der Inhaber der Apotheke in dem Verfahren als Überwachungszweck angegeben – setzt eine konkrete oder zumindest abstrakte Gefährdungslage voraus. Das konnte der Apotheker nicht nachweisen.

Das Gericht forderte konkrete Tatsachen, aus denen sich eine Gefährdung ergibt, bspw. Dokumentationen über das Abhandenkommen apothekenpflichtiger Waren oder sonstige dokumentierte Vorkommnisse in der Vergangenheit. Die allgemeine Vermutung, dass Waren abhandenkommen, reichte dem Gericht nicht aus. Eine Videoüberwachung zur bloßen Gefahrenvorsorge ist damit ausgeschlossen.

Ausnahmsweise kann eine abstrakte Gefährdungslage ausreichend sein. Hierfür muss eine Situation vorliegen, die nach der Lebenserfahrung typischerweise gefährlich ist (z.B. schwer einsehbare Geschäftsräume, Angebot wertvoller Waren, hohe Kriminalitätsbelastung im Umfeld). Diese Situation war in der Apotheke nicht gegeben. Der Verkaufsraum war übersichtlich und konnte durch das anwesende Personal jederzeit überwacht werden.

Bei der Überwachung des Verkaufsraums zur Wahrnehmung des Hausrechts legte das Gericht ebenfalls einen strengen Maßstab an. Es forderte die Darlegung konkreter Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass das festgelegte Ziel mit der Videoüberwachung tatsächlich erreicht werden kann. Bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass mit der Videoüberwachung ein festgestellter Warenfehlbestand tatsächlich reduziert werden kann, ist die Videoüberwachung nicht erforderlich.

Fazit

Die Entscheidung des VG Saarlouis setzt wichtige Akzente in zwei datenschutzrechtlichen Fragen.

Sie bietet Rechtssicherheit, wollen Arbeitgeber die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten auf die Einwilligung ihrer Beschäftigten stützen. Dabei sollten Arbeitgeber stets die Umstände des konkreten Falls im Blick behalten. Einwilligungen müssen transparent und auf den Einzelfall bezogen gestaltet werden und die geplante Datenverarbeitung detailliert darstellen. Wichtig ist zudem, dass die Einwilligung nicht vorab in allgemeiner Form im Arbeitsvertrag eingeholt wird.

Darüber hinaus schafft die Entscheidung Klarheit hinsichtlich der Videoüberwachung von Verkaufsräumen. Unternehmen müssen vor dem Einsatz einer Videoanlage genau prüfen, ob sie tatsächlich für den festgelegten Zweck geeignet und erforderlich ist oder ob nicht alternative Möglichkeiten zur Erreichung des verfolgten Zwecks bestehen, die in das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen weniger eingreifen. Bei dieser Prüfung kann die „Orientierungshilfe Videoüberwachung“ der Aufsichtsbehörden eine wertvolle Hilfe sein. Auch der betriebliche Datenschutzbeauftragte sollte vor dem Einsatz einer Videoanlage für die Durchführung einer Vorabkontrolle einbezogen werden.