Unternehmen, die Waren produzieren oder vertreiben, stellen regelmäßig, meist bei Inventuren fest, dass Waren oder Rohstoffe durch Diebstähle abhandengekommen sind. Neben externen Personen können grundsätzlich auch immer Beschäftigte des Unternehmens als Täter in Betracht kommen.

Aus diesem Grund finden zunehmend Taschenkontrollen bei Beschäftigten statt. Das Bundesarbeitsgericht (1 ABR 2/13) musste sich mit der Zulässigkeit derartiger Kontrollen beschäftigen. In dem zugrundeliegenden Fall waren in einem Unternehmen binnen eines Jahres Waren mit einem Wert von 250.000 EUR abhandengekommen. Es bestand eine Betriebsvereinbarung, in der u. a. geregelt wurde:

„Zum Schutze des persönlichen und betrieblichen Eigentums werden an den Ausgangsdrehkreuzen durch dazu bestimmte Personen Kontrollen durchgeführt. Alle Betriebsangehörige haben auf Verlangen über Betriebsprodukte in ihrem Besitz einen Nachweis vorzuzeigen (Kassenbon Personalverkauf).

Durch die beim Verlassen des Werkes notwendige Öffnung der Drehkreuze mittels des Werksausweises wird eine Auswahl der zu kontrollierenden Personen über einen Zufallsgenerator getroffen.Die Kontrolle findet im Pförtnerraum an einer nicht einsehbaren Stelle statt. Die Kontrolle bezieht sich auf die Durchsicht mitgeführter Behältnisse, Jacken- und Manteltaschen. In begründeten Verdachtsfällen wird der Mitarbeiter aufgefordert sämtliche Kleidertaschen (Hosen und Kleider) zu leeren.

Bei Verdacht des Diebstahls von Firmen- oder Privateigentum können außerhalb der Zufallskontrolle weitergehende Kontrollmaßnahmen angeordnet werden.“

Auf der Basis der Betriebsvereinbarung wurden jährlich an 30 Tagen Torkontrollen durchgeführt. Insgesamt wurden 86 Personen kontrolliert, in mehreren Fällen konnten gestohlene Waren gefunden werden.

Die zentrale Frage, die das BAG zu beantworten hatte, war, ob durch die Regelung in der Betriebsvereinbarung bzw. die Betriebsvereinbarung selbst in unverhältnismäßiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eingegriffen wird bzw. eingreift. Im Ergebnis stellte es fest, dass Taschenkontrollen in die Privatsphäre der betroffenen Arbeitnehmer eingreifen, diese aber zulässig sind, wenn sie den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügen:

  • Taschenkontrollen sind geeignet das Unternehmenseigentum zu schützen. Diese ermöglichen das Aufdecken von Diebstählen. Durch die zufällige Auswahl des zu kontrollierenden Beschäftigten hat das Taschenkontrollsystem sowohl repressive als auch präventive Wirkung.
  • Taschenkontrollen sind erforderlich, da andere genauso wirksame weniger einschränkende Mittel nicht bestehen: Mit einer Videoüberwachung am Ausgang können verborgene Gegenstände nicht erkannt werden. Mit einer Videoüberwachung der Arbeitsbereiche würde eine wesentlich höhere Beeinträchtigung der Beschäftigten einhergehen. Das Verbot von Taschen auf dem Betriebsgelände ist ungeeignet, da Kleinteile auch in Kleidungsstücken transportiert werden können.
  • Taschenkontrollen sind verhältnismäßig im engeren Sinne, wenn Diebstähle im erheblichen Maße stattfinden. Durch die Nutzung eines Zufallsgenerator wird einer Stigmatisierung einzelner Beschäftigter entgegengewirkt. Die Kontrollmaßnahmen können von anderen Beschäftigten nicht beobachtet werden und finden gestaffelt und abhängig von konkreten Verdachtsumständen statt. Zudem spricht der Kontrollzyklus von insgesamt 86 Arbeitnehmern an 30 Tagen pro Jahr für die Verhältnismäßigkeit.

Darüber hinaus stellte das BAG fest, dass bei der Prüfung der Zulässigkeit der Kontrollen nicht auf die Regelung des § 32 BDSG zurückzugreifen ist, da eine entsprechende Betriebsvereinbarung eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 1 BDSG ist, die sowohl die automatisierte als auch die nicht automatisierte Erhebung, Nutzung oder Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten erlaubt.

Anmerkung:

Das Bundesarbeitsgericht stellt klar, dass eine Taschenkontrolle von Beschäftigten auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung unter den dargestellten Gesichtspunkten zulässig ist. Gleichwohl bleiben einige Fragen offen:

  •  Ist eine permanente, also ganzjährige Kontrolle aller Beschäftigten, die eine Betriebsstätte ggfls. mehrmals am Tag verlassen, zulässig?
  • Wie hoch müssen die jährlichen Schäden des Unternehmers durch Diebstähle sein, um eine Taschenkontrolle zu rechtfertigen? In diesem Zusammenhang muss die Frage gestellt werden, wie mit der Taschenkontrolle zu verfahren ist, wenn diese so effektiv ist, dass es zu keinen Diebstählen mehr kommt.
  • Welche Anforderungen sind an die Kontrolle zu stellen, wenn der Zufallsgenerator einen Beschäftigten zur Kontrolle ausgewählt hat, die örtlichen Gegebenheiten, aber keine unbeobachtete Durchführung der Kontrolle bieten.

Diese Fragen sollten vor der Einführung einer Taschenkontrolle bzw. auch bei bereits eingeführten Taschenkontrollen gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten in einem Kontroll-Konzept beantwortet werden.