Das OLG Frankfurt a.M. überrascht mit einer Aussage im Urteil vom 27.06.2019 (Az.: 6 U 6/19). Danach sei es für die Wirksamkeit einer Einwilligung nicht schädlich, wenn diese mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel verknüpft sei. Wird diese Entscheidung künftig dazu führen, dass Anbieter von Gewinnspielen völlige Narrenfreiheit haben?
Sachverhalt
Der Sachverhalt, der diesem Urteil zugrunde liegt, lässt sich anhand der Angaben in den Entscheidungsgründen nur erahnen, da das Gericht von der Darstellung des Sachverhalts abgesehen hat und das erstinstanzliche Urteil des LG Darmstadt vom 22.11.2018 (Az.: 16 O 41/18) online nicht verfügbar ist:
Seitens der Antragsgegnerin wurde die Teilnahme an einem Gewinnspiel angeboten. Eine Teilnahme war jedoch nur möglich, sofern der Interessent zuvor in die Verwendung seiner Daten zu Werbezwecken eingewilligt hatte. Die Einwilligung sah vor, dass es gleich acht Sponsorenunternehmen (= Vertragspartner der Antragsgegnerin) des Gewinnspiels gestattet werden sollte, die Interessenten u.a. zu den Themen „Finanzdienstleistungen aller Art“, „Strom & Gas“ oder „Marketing und Werbung“ per Mail oder telefonisch zu kontaktieren.
Die Abgabe der Zustimmungserklärung in die Verwendung der Daten zu werblichen Zwecken soll seitens der Kundin (Antragstellerin) am 04.01.2018 erfolgt sein, wobei der Anruf seitens der Vertragspartner der Antragsgegnerin am 24.08.2018 erfolgte.
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das erstinstanzliche Urteil des LG Darmstadt wurde seitens des OLG Frankfurt zurückgewiesen, da auch Letzteres ein unlauteres Verhalten der Antragsgegnerin annahm.
Entscheidungsbegründung
Obwohl das OLG Frankfurt a.M. die Auffassung vertritt, das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung konnte durch die Antragsgegnerin nicht glaubhaft gemacht werden, prüft das Gericht dennoch, ob eine Einwilligung denn wirksam gewesen wäre.
Da der Anruf der Vertragspartner bei den Gewinnspielteilnehmern im August 2018 stattfand, erklärt das OLG Frankfurt zunächst die DSGVO für anwendbar [kleine Anmerkung: das OLG Frankfurt vertippt sich an dieser Stelle in den Entscheidungsgründe leider ungünstig und meint, der Anruf sei im April 2018 erfolgt und erklärt dennoch die DSGVO für anwendbar; wir vermuten, dass es sich an dieser Stelle um ein Redaktionsversehen handelt].
Das OLG Frankfurt a.M. führt zunächst aus, dass Voraussetzung einer wirksamen Einwilligung die freiwillige Abgabe sei und bezieht sich auf Art. 4 Nr. 11 DSGVO, sowie auf Erwägungsgrund 42. Demnach sollte der Betroffene eine echte und freie Wahl haben und somit in der Lage sein, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden.
Das OLG Frankfurt a.M. führt hierzu aus:
„Einer Freiwilligkeit steht nach der Rechtsprechung des Senats nicht entgegen, dass die Einwilligungserklärung mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel verknüpft ist. Der Verbraucher kann und muss selbst entscheiden, ob ihm die Teilnahme die Preisgabe seiner Daten ‚wert‘ ist.“
Die Einwilligung sei daher freiwillig erteilt worden. Dem stehe nach Auffassung des OLG Frankfurt a.M. auch nicht entgegen, dass die Gewinnspielteilnehmer auf dieser Grundlage gleich durch mehrere Vertragspartner werblich angesprochen werden dürfen:
„Ist die Teilnahme an einem Gewinnspiel von der Einwilligung in den Erhalt künftiger E-Mail-Werbung abhängig gemacht worden, bestehen gegen die Wirksamkeit dieser Einwilligung jedenfalls dann keine Bedenken, wenn der Verbraucher der Werbung durch nicht mehr als acht konkret bezeichnete Unternehmen zugestimmt hat und der Geschäftsbereich des werbenden Unternehmens hinreichend klar beschrieben worden ist (im Streitfall: „Strom & Gas“). Die Einwilligung in die Werbung dieses Unternehmens ist auch unabhängig davon wirksam, ob der Geschäftsbereich der anderen bezeichneten Unternehmen ausreichend klar beschrieben worden ist.“
Datenschutzrechtliche Betrachtung der Entscheidung
Datenschutzrechtlich ist insbesondere die Aussage interessant und verwunderlich zugleich, dass das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung bejaht werden kann, obwohl eine Koppelung vorliegt. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund erstaunlich, als dass das sog. Koppelungsverbot seit der Anwendbarkeit der DSGVO verschärft wurde. Hat das OLG Frankfurt a.M. das Verbot des Art. 7 Abs. 4 DSGVO schlichtweg übersehen oder handelt es sich um eine bewusste Entscheidung? Es spricht vieles dafür, dass das OLG Frankfurt a.M. die DSGVO-Vorschrift übersehen hat, da die Anwendbarkeit dieser Vorschrift zumindest in einem Satz hätte abgelehnt werden können / müssen.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Das Urteil überrascht insbesondere Datenschützer und könnte nun dazu führen, dass werbende Unternehmen dazu übergehen, das Kopplungsverbot nicht allzu wichtig zu nehmen – wenn es schon die Rechtsprechung nicht tut…Der Versuch des Gesetzgebers, umfangreichere Marketingstrategien von Unternehmen einzudämmen, wäre durch die Rechtsprechung zunichte gemacht.
Zu beachten ist jedoch, dass bei der Frage, ob ein Vorhaben datenschutzrechtlich un-/ zulässig ist, neben der reinen Gesetzesanwendung die Auffassung der Datenschutz-Aufsichtsbehörden relevant ist. Immerhin werden auch Bußgelder bei Datenschutzverstößen durch Aufsichtsbehörden verhängt. Daher sollte nach wie vor auf die Koppelung „Teilnahme am Gewinnspiel gegen Verwendung der Daten zu werblichen Zwecken“ verzichtet werden.
4. September 2019 @ 11:57
Zu diesem Thema dürfte auch der Ausgang des gerade beim EuGH anhängigen Verfahrens in der Rechtssache C-673/17 – Planet49 – eine weitere Klärung erwarten lassen.
Der Generalanwalt Szpunar äußerte sich dort am 21.03.2019 zur Freiwilligkeit einer Einwilligung und zum Kopplungsverbot (http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=212023&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=11479579)
Nach seiner Auffassung könnte dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 DSGVO entnommen werden, dass es sich bei der Regelung nicht um ein absolutes Verbot handele (C-673/17, Schlussanträge, Textziffern 97 ff.). Bei der Beurteilung der Freiwilligkeit komme es auf die Erforderlichkeit der Einwilligung für die Erfüllung des Vertrages an (vgl. ebenda).
„Insoweit wird das zuständige Gericht zu beurteilen haben, ob die Einwilligung in dieVerarbeitung personenbezogener Daten für die Teilnahme am Gewinnspiel erforderlich ist. Dabei sollte bedacht werden, dass der hinter der Teilnahme am Gewinnspiel stehende Zweck der „Verkauf“ personenbezogener Daten ist (d. h. die Einwilligung, von sogenannten „Sponsoren“ mit Werbeangeboten kontaktiert zu werden). Mit anderen Worten besteht die Hauptpflicht, die der Nutzer erfüllen muss, um an dem Gewinnspiel teilnehmen zu können, darin, personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen. In einer solchen Situation scheint mir, dass die Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten für die Teilnahme am Gewinnspiel erforderlich ist.“ (ebenda Textziffer 99)
29. August 2019 @ 11:47
Ich bin ein bisschen fassungslos über dieses Urteil. Ich hoffe, dass das jetzt nicht das letzte Wort der Gerichte war. Ich hatte eigentlich immer gedacht, das Kopplungsverbot wäre eindeutig formuliert:
„(4) Bei der Beurteilung, ob die Einwilligung freiwillig erteilt wurde, muss dem Umstand in größtmöglichem Umfang Rechnung getragen werden, ob unter anderem die Erfüllung eines Vertrags, einschließlich der Erbringung einer Dienstleistung, von der Einwilligung zu einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten abhängig ist, die für die Erfüllung des Vertrags nicht erforderlich sind.“
Eigentlich gibt es doch hier wenig zu interpretieren. Bin gespannt, wie sich die ganze Sache entwickelt.