Immer mehr E-Autos nehmen auf dem deutschen Automarkt eine wichtigere Rolle ein. In den letzten 12 Monaten wurden nach Angaben von Statista über 45.000 Tesla-Fahrzeuge in Deutschland neu zugelassen. Am 22. März 2022 wurde die Eröffnung der Tesla-Gigafactory in Grünheide u. a. mit Inhaber Elon Musk und Bundeskanzler Scholz gefeiert. Tesla ist in Deutschland angekommen und steht für Innovation und Fortschritt – aber trifft das auch in jedem Punkt zu? Kann Tesla auch in puncto Datenschutz mithalten?

Welche Fragen müssen sich Tesla-Halterinnen und -Halter in Zukunft beim Kauf eines Tesla neben Fragen zur Zulassung, Lade- und Fahrzeugversicherungskosten etc. stellen? Umweltfreundlich ja, aber auch datenschutzkonform? Drohen vielleicht auch „Datenschutz-Knöllchen“ (ein Bußgeld wegen möglicher Datenschutzverstöße)?

Die Datenschutzbeauftragten der Länder erhalten nach eigenen Angaben vermehrt Beschwerden über Tesla-Fahrzeuge und erste Verfahren gegen Tesla-Halterinnen und -Halter werden geprüft; insbesondere aufgrund des aktivierten Wächtermodus (Sentry Mode).

Wie ist der Wächtermodus datenschutzrechtlich einzuordnen?

Der Tesla verfügt über mehrere Funktionen, die datenschutzrechtliche Relevanz haben. Hierzu haben wir bereits berichtet.

Tesla-Fahrzeuge haben eine Dashcam-Funktion, das sogenannte Flottenlernen und den Wächtermodus. Jede dieser Funktionen führt zur Verarbeitung personenbezogener Daten. Wenn sich Halterinnen und Halter dafür entscheiden, den Wächtermodus einzuschalten, entscheiden sie sich dafür, einen videoüberwachten Rundumblick über das Auto zu aktivieren – und zwar auch dann, wenn das Fahrzeug geparkt ist. Der Tesla hat acht Kameras an der Karosserie fest verbaut, von denen vier Kameras Bilder ohne jeden Anlass in hoher Auflösung gestochen scharf aufzeichnen können.

„Acht Kameras gewähren eine 360°-Überwachung der Fahrzeugumgebung mit bis zu 250 m Reichweite.“ Ergänzt werden sie durch zwölf aktualisierte Ultraschallsensoren. Dadurch können „harte“ und „weiche“ Objekte in fast doppelter Entfernung (im Vergleich zum Vorgängersystem) mit wesentlich höherer Zuverlässigkeit erkannt werden (vgl. Tesla, Inc. hier).

Sobald sich jemand dem Fahrzeug nähert, wird diese Person gefilmt. Hierzu braucht es also nicht einmal eine Berührung des Fahrzeugs. Die Kameras nehmen die Umgebung rund um das Fahrzeug auf, speichern ggf. die Videobilder vorläufig ab und überschreiben sie alle 60 Minuten. Kommt es in der Nähe des parkenden Fahrzeugs zu einer verdächtigen Bewegung, wird der Warnungszustand aktiviert und die Videobilder der letzten 10 Minuten vor dem Ereignis und 30 Minuten danach werden auf einer SD-Karte in dem Fahrzeug gespeichert.

Das ist aus datenschutzrechtlicher Sicht nicht unproblematisch. Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) normiert ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt. Das bedeutet, dass Verarbeitungen personenbezogener Daten (z. B. Kamerabilder) nur erlaubt sind, wenn es eine Rechtsgrundlage oder Einwilligung dafür gibt. Die Überwachung des öffentlichen Raumes ist dabei nur unter strengen Voraussetzungen gestattet. Eine Videoüberwachung ist ein erheblicher Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und muss verhältnismäßig zum angestrebten Erfolg sein. Zwar können berechtigte Interessen der Halterinnen und Halter gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO bestehen, abseits von Privatgrundstücken können diese aber eine derartige Videoüberwachung nicht legitimieren.

Über den Einsatz von Dashcams wurde bereits in der Vergangenheit viel gestritten. Die Landesdatenschutzbehörden sehen den Einsatz von Dashcams nur als zulässig an, wenn die Aufnahmen kurz und anlassbezogen erfolgen. Anlassbezogen bedeutet, dass Daten nur dann gespeichert werden, wenn es bspw. zu einem Unfall gekommen ist. Die Beobachtung des öffentlichen Raumes mit Videokameras ist also nur erlaubt, soweit dies zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Dies bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 15. Mai 2018 (Az. VI ZR 233/17). Letztlich entschied er aber auch, dass selbst eine permanente, anlasslose Aufzeichnung einer Dashcam im Unfallhaftpflichtprozess verwertbar sein kann. Hinsichtlich der Frage der Verwertbarkeit muss im Einzelfall jedoch eine Interessen- und Güterabwägung vorgenommen werden.

Unabhängig von der Rechtsgrundlage für die Videoüberwachung besteht eine Kennzeichnungspflicht. Die Artt. 12 ff. DSGVO regeln die Anforderungen an eine transparente und umfassende Information der betroffenen Person. Diese Anforderungen sind auch bei Videoüberwachungen an Fahrzeugen angemessen und adressatengerecht umzusetzen. Aber sollen jetzt Sticker mit Kamerahinweisen auf die Tesla-Fahrzeuge geklebt werden? Tesla hält sich diesbezüglich bedeckt. Im Endeffekt werden die Halterinnen und Halter zur Rechenschaft gezogen werden, sofern sie den Informationspflichten der Artt. 12 ff. DSGVO nicht entsprechen. Ist der Wächtermodus aktiviert, kann also ein Bußgeld aus mehreren Gründen drohen.

Die Tesla, Inc. macht es sich hier jedenfalls zu einfach, indem sie auf ihrer Website darauf verweist, dass allein die Halterinnen und Halter für die Datenerhebung verantwortlich sind.

Wer ist verantwortlich für die Datenverarbeitung – die Halter oder die Tesla, Inc.?

Ein Auszug aus den Nutzungsbedingungen der Tesla, Inc. zeigt die Auffassung des Herstellers (vgl. Tesla, Inc. hier):

„ES LIEGT IN IHRER ALLEINIGEN VERANTWORTUNG, SICHERZUSTELLEN, DASS SIE (UND/ODER JEDER ANDERE INSASSE IHRES FAHRZEUGS) DIE NUTZUNGSHINWEISE DES DIENSTES BEFOLGEN, […] SOWIE ALLE ANWENDBAREN GESETZE UND VORSCHRIFTEN BEACHTEN, WENN SIE IHR FAHRZEUG BEDIENEN […].“

Aber ist das auch so, wenn man durch die Datenschutz-Brille sieht? Die Frage lässt sich nicht abschließend klären, da noch nicht final klar ist, was mit den Daten passiert, die verarbeitet werden.

Verbleiben sie auf dem Speichermedium in dem Tesla-Fahrzeug? Werden sie direkt an das Tech-Unternehmen gesendet? Werden die Daten an Ermittlungsbehörden herausgegeben?

Zwar veröffentlicht die Tesla, Inc. auf ihrer Website (vgl. Tesla, Inc. hier):

„Im Wächter-Modus erzeugte Aufnahmen werden nicht an Tesla übertragen. Bei erheblichen Bedrohungen, wie z. B. bei Einbruch durch ein Wagenfenster, sendet das Fahrzeug eine Warnmeldung an die mit dem Fahrzeug gekoppelte Mobile App. […] Im Wächter-Modus erzeugte Aufnahmen werden im USB-Laufwerk abgelegt und können direkt über den Touchscreen des Fahrzeugs angezeigt werden.“

Allerdings berichtete das ZDF schon im August 2021 in ZDF frontal über die Datenerhebungen von Tesla-Fahrzeugen und deren Schicksal. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Berlin beschreibt hier, wie die Tesla, Inc. diverse Daten über das Fahrverhalten von Halterinnen und Haltern an Ermittlungsbehörden zur Verfügung stellte. Diese Berichte ergeben jedoch ein anderes Bild als die Beschreibung auf der Tesla-Website. Die Ergebnisse der Berichte scheinen also nicht auszuschließen, dass die Daten, die im aktivierten Wächtermodus gespeichert werden, ggf. auch an Ermittlungsbehörden weitergegeben werden. Ein weiteres Beispiel nennt der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Er erhielt Videomaterial, welches den Wächtermodus betraf und beschrieb es im Tätigkeitsbericht für das Jahr 2020 auf Seite 109 wie folgt:

„Wir erhielten in zwei Fällen von Polizeidienststellen CDs mit Videobildern von Tesla-Fahrzeugen. […] Auf dem Videomaterial […] war zu erkennen, dass die nähere Umgebung rund um das Fahrzeug aufgenommen wird. Jeder, der am Fahrzeug vorbeigeht, wird erfasst. Die Auflösung der Bilddateien lässt es zu, Personen eindeutig zu erkennen.“

Aus datenschutzrechtlicher Sicht kann diese Problematik nicht ungeklärt bleiben. Bei datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörden wird der Wächtermodus zunehmend präsenter bzw. ist dort schon länger bekannt.

Wie ist die Haltung von Aufsichtsbehörden zu Tesla-Funktionen wie dem aktivierten Wächtermodus?

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg hatte schon in seinem 36. Tätigkeitsbericht über einige Tesla-Fälle berichtet und die Funktion des Wächtermodus für rechtswidrig erachtet.

„Manche Autos wollen mit Kameraüberwachung Diebstahl verhindern und Sicherheit bieten – und schießen dabei über das Ziel hinaus.“ (Seite 109)

Die „[…] derzeitigen Funktionen des Wächtermodus und der Dashcam in einem Tesla-Fahrzeug sind in Europa nicht rechtskonform einsetzbar.“ (Seite 110)

Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat sich kürzlich zu der Thematik in einem Podcast geäußert (zum Video des Interviews auf YouTube vom 15.02.2022 gelangen Sie hier). Auch Herr Fuchs hält diese Funktion für datenschutzrechtlich unzulässig.

In ähnlichem Zusammenhang hatte die spanischen Datenschutzbehörde (Agencia Española de Protección de Datos (AEPD)) bereits am 15.11.2021 ein Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro gegenüber einem Fahrzeughalter verhängt, da der Bußgeldempfänger in seinem Fahrzeug eine Videokamera mit aktivierter Aufzeichnungsfunktion angebracht hatte. Das Auto war auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt worden. Darin erkannte die Behörde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Datenminimierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO.

Privacy by Design und Privacy by Default als Lösungsansätze?

US-amerikanische Tech-Giganten wie die Tesla, Inc. erhalten immer mehr Daten durch ihre Produkte – aber kommen sie auch der damit einhergehenden Verantwortung in angemessener Weise nach? Aktuell kann davon nur bedingt ausgegangen werden. Nimmt man eine datenschutzrechtliche Verantwortung von Tesla bzw. eine gemeinsame Verantwortung mit den Haltern an, hat auch Tesla die in Art. 25 DSGVO normierten Grundsätze Privacy by Design und Privacy by Default zu berücksichtigen. Letztlich müssten dann auch vom Hersteller im Hinblick auf die Ausrichtung der Kameras, die Aufzeichnungsdauer, die Kennzeichnung der Videoüberwachung etc. entsprechend datenschutzfreundliche Vorkehrungen getroffen werden.

Solange dies die Standardeinstellungen der Tesla-Modelle (noch?) nicht berücksichtigen, liegt es umso mehr in den Händen der Tesla-Halterinnen und -Halter, dieser Verantwortung nachzukommen. Die Halterinnen und Halter von Tesla-Modellen müssen sich künftig wohl immer mehr mit der Frage auseinandersetzen, welche Daten sie verarbeiten möchten und ggf. die Rechnung dafür zahlen, wenn das aus Sicht einer Aufsichtsbehörde nicht mit dem Datenschutz übereinstimmt.