Immer mal wieder haben wir über Dashcams und deren rechtliche Einordnung berichtet. Der überwiegende Tenor bei den zur Diskussion gestellten Entscheidungen: Lassen Sie lieber die Finger davon. Nun gibt es (möglicherweise) eine kleine Trendwende.

Neues aus der Autostadt

Nein, nicht Wolfsburg ist gemeint, sondern – na, Sie ahnen es bestimmt – genau, Stuttgart. Ok, das ist zugegebenermaßen nicht die erste Assoziation, die sich bei den meisten Lesern breitmacht, wenn sie diesen Namen hören. Aber als diejenige Stadt, die stets als eine der ersten genannt wird, wenn es um Fahrverbote für Dieselfahrzeuge geht und in denen zwei der renommiertesten Fabrikanten deutscher Automobilkunst – und neuerdings auch mutmaßliche Teilnehmer an kartellrechtlich relevanten Gesprächskreisen – ihren Sitz haben, halte ich diese Bezeichnung für durchaus gerechtfertigt.

Das dort ansässige Oberlandesgericht (OLG) jedenfalls hat in einem Verfahren, das in der letzten Woche durch Vergleich beendet wurde, eine recht spannende Rechtsauffassung geäußert.

Worum geht´s überhaupt?

Dem hier genannten Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einer durch am Rand parkende Autos in ihrer Nutzungsbreite eingeschränkten Straße kam es infolge einer Fehleinschätzung zweier sich gegenläufig bewegender Kraftfahrzeugführer zu einer planwidrigen Kaltverformung an den eingesetzten Verkehrsmitteln.

Und jetzt nochmal auf Deutsch! Ein Verkehrsteilnehmer wollte an parkenden Autos vorbeifahren. Da aber die Straße nicht breit genug war für zwei Autos, kollidierte er mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. In dem Prozess ging es nun um den entstandenen Sachschaden und wer für ihn aufkommen solle. Einer der Beteiligten hatte eine Dashcam an Bord, die das Unfallgeschehen aufgezeichnet hat. Das OLG Stuttgart hat diese Aufzeichnungen als prozessual zulässig und verwertbar angesehen.

Und doch: Im Süden wenig Neues

Das Spektakuläre hierbei ist nun weniger die Tatsache, dass die Aufnahmen überhaupt als Beweismittel zugelassen wurden. Bereits in der Vergangenheit gab es mehrere Entscheidungen durch verschiedene Instanzen, die diese Auffassung stützten. Auch das OLG selbst hat bereits vor gut einem Jahr die Ansicht vertreten, dass durch Privatpersonen erstellte Videoaufnahmen nicht per se einem Beweisverwertungsverbot unterliegen und daher in einen Prozess eingebracht werden dürfen. Damals handelte es sich jedoch um ein Bußgeldverfahren.

Das jüngste Verfahren – und das ist die eigentliche Neuerung – betrifft nun das erste Mal, dass solche Aufnahmen in einem (zivilrechtlichen) Prozess um Schadensersatz zugelassen wurden. Außerdem war es in diesem Fall so, dass die Kamera ununterbrochen von Beginn an aktiv war und die komplette Fahrt aufzeichnete. Auch das ist insofern eine Premiere, als in den bisherigen Verfahren Videobilder nur dann zugelassen wurden, wenn die Aufnahme anlassbezogen gestartet wurde, d.h. nur den einzelnen konkreten Vorfall (isoliert z. B. den Unfall, den Rotlichtverstoß, die einzelne Nötigung) wiedergab.

Abwägung des Persönlichkeitsrechts

Das Gericht macht sich dabei seine eigene, etwas mehr als ein Jahr alte Rechtauffassung aus eben jenem Bußgeldverfahren zunutze. Die entscheidenden Fragen sind folgende: Sind die Videoaufzeichnungen nach den Vorschriften des Datenschutzes rechtmäßig zustande gekommen? Und falls nein, dürfen sie trotzdem als Beweismittel im Prozess verwertet werden?

Um es kurz zu machen, die erste Frage wurde seinerzeit vom Gericht offengelassen – im jetzigen Fall ohnehin, da es eben „nur“ einen Vergleich zwischen den Parteien und kein Urteil des Gerichts gibt. Die zweite Frage wurde eindeutig mit Ja beantwortet. Letztlich hat das Gericht eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorgenommen und dabei seine früheren Grundsätze bestätigt: Da es hier um einen Vorgang im öffentlichen (Straßenverkehrs-)Raum und primär um die Erkennbarkeit der gesteuerten Fahrzeuge, weniger um das Verhalten der Personen darin oder drumherum gehe, sei der mit der Videoüberwachung (grundlegend) verbundene Eingriff ins Persönlichkeitsrecht als nicht so schwerwiegend anzusehen, dass daraus ein Verbot resultiere, die Videoaufnahmen als Beweismittel zu verwerten.

Man kann sich nun vortrefflich darüber streiten – und wir werden das in einem Folgebeitrag auch noch tun –, ob die Auffassung des Gerichts richtig ist; unterm Strich gerecht erscheint sie allemal.