Aus Sicherheitsgründen unternehmen immer mehr Staaten und Institutionen Maßnahmen, um die Nutzung der chinesischen Kurzvideoplattform zu unterbinden. So dürfen Beschäftigte der EU-Kommission und des EU-Parlaments seit Mitte März die App weder auf ihrem Diensthandy installieren noch nutzen.

Hintergrund

Neben mangelndem Schutz junger Nutzer*innen wird TikTok längst eine unzureichende Datensicherheit vorgeworfen. Mehrere Staaten gehen davon aus, dass die chinesische Regierung die zum Technologiekonzern ByteDance aus Peking gehörende App nutzt, um sensible Daten von Millionen von Nutzern zu erwerben sowie Desinformationen im Ausland zu streuen. Um dies zu erreichen, werden den Nutzer*innen nur bestimmte Inhalte angezeigt, um beispielsweise die öffentliche Meinung zu manipulieren oder Ergebnisse von Wahlen zu beeinflussen.

Da Nachrichten unverschlüsselt übertragen werden und somit leicht mitgelesen werden können, liegt die Vermutung zumindest nahe, dass oben genannte Annahmen nicht komplett fernliegend sind.

Ferner sind laut Gesetz alle chinesischen Organisationen und natürlichen Personen verpflichtet, auf Anforderung die ihnen vorliegenden Informationen gegenüber den Geheimdiensten zu übermitteln. Zudem hält die Regierungspartei eine Minderheitsbeteiligung an ByteDance, wodurch diese über eine direkte Zugriffsmöglichkeit auf Konzerndaten verfügt.

Darüber hinaus bestätigte das Unternehmen, dass sowohl in China als auch in den USA ansässige Beschäftigte, Zugriff auf Informationen zu TikTok-Nutzer*innen hatten, obwohl sie über keine entsprechende Berechtigung verfügt hätten. Diese Zugangsmöglichkeit wurde genutzt, um amerikanische Journalist*innen auszuspionieren.

Entscheidung der EU

Aus diesen Gründen ist TikTok für Beschäftigte der Europäischen Kommission – sowohl auf Dienst- als auch dienstlich genutzten privaten Handys – verboten. In der Pressemitteilung vom 23. Februar 2023 wird mitgeteilt, dass diese Entscheidung darauf abzielt, die Kommission vor Cybersicherheitsbedrohungen und Cybermaßnahmen zu schützen.

Das Verbot ergänzt die bereits bestehende Empfehlung, bei der Nutzung aller Social-Media-Plattformen interne Leitlinien einzuhalten und einen großen Wert auf die Cybersicherheit zu legen.

Nach der Entscheidung der EU-Kommission wurden dieselben Maßnahmen auch von dem EU-Parlament eingeführt.

Reaktion von TikTok

Die Vorwürfe weist TikTok zurück und versichert, dass keine Daten nach China abfließen würden. Das Unternehmen ist der Auffassung, dass die Entscheidung der europäischen Institutionen auf einem Missverständnis basiere.

Der Anbieter betont, dass er lediglich einen begrenzten Zugang auf die Daten der europäischen Nutzer*innen habe. Ferner weist er auf seiner Internetseite darauf hin, dass TikTok den Datenschutz sehr ernst nehme, weswegen weitere Schritte zur Sicherung der Daten unternommen würden. Derzeit werden die Daten der europäischen Nutzer*innen in den USA und Singapur gelagert. Zukünftig soll der Datenfluss außerhalb Europas minimiert und durch einen unabhängigen europäischen Treuhändler geprüft werden. Diese Maßnahmen sollten bereits dieses und nächstes Jahr umgesetzt werden, wie TikTok in einer Pressemitteilung berichtet.

Nationale Regelungen

Verbannt wird TikTok nicht nur durch Institutionen der Europäischen Union. Auch in mehreren Mitgliedsstaaten wie Belgien oder Dänemark ist die Video-Plattform für Regierungsbeschäftigte auf Diensthandys untersagt.

Außerhalb Europas wurden ähnliche Maßnahmen bereits in mehreren Ländern eingeführt. Tabu ist die Nutzung der App für Beschäftigte des US-Repräsentantenhauses. Darüber hinaus wurde ein Gesetzesentwurf erstellt, der TikTok in den USA komplett verbieten sollte. Das Projekt befindet sich derzeit im US-Kongress.

Um dem Verbot entgegenzuwirken hat der TikTok-Chef Shou Zi Chew sein Unternehmen vor dem US-Kongress verteidigt. Er ist der Auffassung, ein Verbot würde der US-Wirtschaft und dem Wettbewerb schaden. Ferner sicherte er zu, dass die chinesische Regierung keinen Zugriff auf die Daten der amerikanischen Nutzer*innen habe, da der Datenzugriff nach amerikanischem Recht einem ausreichenden Schutz unterliegen würden. So äußerte Shou Zi Chew, dass die Daten der User ausschließlich in den USA gespeichert werden, der Zugang strikt überwacht wird und Daten, die bislang in Singapur aufbewahrt wurden, gelöscht werden. Darüber hinaus sammele die App keine Ortungs- sowie biometrischen Daten. Diese Zusicherung hielten jedoch die Abgeordneten des Repräsentantenhauses für nicht ausreichend.

Auch Kanadas Premierminister zieht das landesweite Verbot in Erwägung. In Indien wurde diese Maßnahme bereits im Sommer 2020 eingeführt.

Ist das TikTok-Verbot auch in Deutschland ein Thema?

Obwohl es derzeit keine allgemeine TikTok-Sperre auf Diensthandys der deutschen Behörden gibt, ist die Nutzung auf allen Diensthandys der Bundesregierung untersagt. In internen App-Stores der Ministerien sind nur bestimmte Dienste verfügbar. TikTok gehört nicht dazu. Somit ist nicht auszuschließen, dass der bereits bestehende Stand durch ein generelles Verbot auf Diensthandys der Behörden bestätigt wird.

Ein Sonderfall ist allerdings das Bundesgesundheitsministerium (BMG), das seit März 2020 einen TikTok-Kanal verwendet, um über den aktuellen Stand der Pandemie zu informieren. Laut Angaben des BMG werde jedoch das Konto von mehreren Smartphones betrieben, die nicht mit den Servern des Ministeriums verknüpft seien.

Mit welcher Gefahr die Plattform tatsächlich verbunden ist, prüfte bereits das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Die Ergebnisse der Untersuchung sind noch unter Verschluss.

Auf erhebliche Risiken bei der Verwendung der App aufgrund des Umfangs der gesammelten Daten sowie der Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme hat ebenso das Bundesamt für Verfassungsschutz hingewiesen. Das Kernproblem sei nach Sinan Selen (Vizepräsident des Inlandgeheimdienstes) zum einen die Unklarheit darüber, in wie weit die chinesische Regierung Zugriff auf Daten nehmen kann und zum anderen die Tatsache, dass Unternehmen dem politischen Einfluss nicht wirksam entgegenwirken können.

Trotz dieser Gefahr scheint die Einführung eines deutschlandweiten Generalverbots vorerst unwahrscheinlich. Nach der zuletzt durchgeführten Prüfung der Bundesregierung stellt TikTok keine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit dar. Festgestellt wurde allerdings ein mangelnder Schutz der personenbezogenen Daten.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser bestätigte vor kurzem, dass für eine deutschlandweite Verbannung der App derzeit keine ausreichenden Gründe bestehen. Gleichzeit betonte sie, dass es sich bei TikTok um ein Unternehmen handele, bei dem die Daten abfließen können.