Seit letzter Woche ist es offiziell: Twitter wird mit den sog. Audience Insights neue Auswertungsmöglichkeiten einführen. Die datenschutzrechtliche Diskussion steht allerdings noch aus – wir wollen Sie hiermit gerne eröffnen.

Worum geht es?

Twitter hat am 27. Mai 2015 angekündigt, eine neue Funktion Namens Audience Insights für Nutzer in den USA freigeschaltet zu haben. Twitter plant zudem, diese Funktion in den nächsten Monaten breiter auszurollen:

“Audience insights is now available to all Twitter advertisers and analytics users. Twitter-specific information can be accessed within the U.S., with plans to roll this out more broadly over the next few months.”

Mithilfe der Audience Insights sollen (nach unserem Verständnis) künftig aggregierte Informationen über Follower und auch weitere Informationen über Personengruppen bereitgestellt werden, die mit Tweets interagiert haben:

„With audience insights, you can easily discover valuable insights about your followers and the people who have engaged with your organic Tweets.”

Beschränkten sich die Analysemöglichkeiten in der Vergangenheit etwa auf die Anzahl der Tweet-Impressionen, die Anzahl der Detailerweiterungen, der Link-Klicks, der Retweets der Favorisierungen, der Hash-Tag Klicks und der Antworten, wird es künftig persönlicher. So weist Twitter etwa auf Möglichkeiten hin, künftig mehr über Demografiemerkmale (u.a. Geschlecht, Einkommen, Familien- und Bildungsstand), Interessen, Lifestyle (inkl. Beruf), Einkaufsverhalten, Fernsehverhalten und Mobilnutzungsverhalten zu erfahren. Auch die Zielgruppendefinition für Nutzer der im Februar breit ausgerollten TwitterAds (wir berichteten) wird in diesem Zusammenhang künftig vermutlich deutlich detaillierter zu werden.

Datenschutzrechtlich scheint sich Twitter – zumindest in den USA – noch relativ sicher zu fühlen. So liest man:

“Privacy was a top priority for us when developing audience insights. All information is aggregated, derived from Twitter data sources and information that is matched from our Marketing Platform Partners, such as Datalogix and Acxiom. This allows advertisers to see aggregate insights, while keeping user information private.”

Ist das wirklich so einfach?

Aus unserer Sicht wirft die neue Funktion erhebliche datenschutz- und telemedienrechtliche Fragen auf. Wir glauben Twitter zwar, dass dem werbetreibenden Endnutzer nur aggregierte Statistiken angezeigt werden. Allerdings fragen wir uns auch, auf welche Weise diese Statistiken entstehen. Twitter erwähnt hierzu an anderer Stelle noch:

„The data comes from user-supplied data, app-supplied data, Twitter internal models, and partner data.“

Ganz konkret stellen wir uns die Fragen: Wie ist es Twitter möglich, die Daten bestimmter Nutzergruppen um weitere Daten, die augenscheinlich aus fremden (Big-Data)-Datentöpfen stammen, anzureichern? Setzt dies nicht stets eine Zuordnungsmöglichkeit voraus – und zwar auf Ebene des einzelnen Twitter-Nutzers. An dieser Stelle wird es datenschutzrechtlich spannend. Wir denken also einmal laut:

Muss eine solche Zuordnungsmöglichkeit nicht eigentlich immer auch mindestens ein Pseudonym darstellen? Und nicht nur das. Muss das Pseudonym nicht auch so gestaltet sein, dass sowohl Twitter als auch der Drittanbieter jeweils für sich genommen das gleiche Pseudonym vorhalten? Dies wäre etwa der Fall, wenn man jeweils die gleichen Rohdaten (z.B. die E-Mail-Adresse) durch dasselbe Hashverfahren verändern würde. Vielleicht würde auch noch etwas Kryptografie und ein Datentreuhänder, der die Schlüssel verwaltet, dazwischengeschaltet. Hier ließe sich dann trefflich darüber diskutieren, auf welcher Rechtsgrundlage die Datenanreicherung erfolgt – handelt es sich bei genauerer Betrachtung doch (zumindest nach unserer Einschätzung) um eine Datenübermittlung. Wie genau Twitter die Daten aber tatsächlich anreichert und wann die angereicherten dann aggregiert werden, ist vorerst unklar. An dieser Stelle bleibt also aus unserer Sicht ein mulmiges Gefühl und die Forderung einer transparenten Darstellung des Verfahrens. Die Fragen gehen aber noch weiter. Welche Daten werden genau angereichert, aus welchen Quellen stammen diese genau (zumindest Datalogix und Acxiom sind ja bereits genannt – Datalogix ist übrigends auch als Datenzulieferer für Facebook bekannt), wurden die Daten zulässigerweise erhoben und auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt das Tracking des Nutzungsverhaltens der Twitter-Nutzer. Auch hier ist eine transparente Darstellung zu fordern, bevor die entsprechende Funktion für Deutschland bzw. europäische Mitgliedsstaaten freigeschaltet wird. Unklar bleibt genau genommen aber auch, ob eine solche Datenverarbeitung im Hintergrund nicht sogar bereits stattfindet. Denn die Funktion steht laut Twitter zwar nur werbetreibenden Unternehmen in den USA zur Verfügung – unklar ist aber, ob diese nicht auch Daten von europäischen Nutzern erhalten. Noch eine Information, die man sich wünscht.

Es bleibt festzuhalten, dass gerade angesichts der Diskussion um „Facebooks Insights“ die nun von Twitter angekündigten Twitter Audience Insights gründlich geprüft werden müssen. Hierzu ist eine transparente Darstellung der Verarbeitungsprozesse erforderlich. Europäische Nutzer und insbesondere deutsche Nutzer werden sich erfahrungsgemäß aber nicht mit der Aussage begnügen, dass Datenschutz oberste Priorität hatte und nur aggregierte Statistiken zur Verfügung gestellt werden. Wir zumindest würden es gerne etwas genauer wissen.