Mit Art. 13 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt, der später in Art. 17 umgemünzt wurde, versah die Europäische Kommission im Jahr 2016 Plattformbetreiber mit einer Lizenzpflicht. Das Vorhaben, das insbesondere auf YouTube abzielte, sollte für ebenjene „online content sharing providers“ (Art. 2 Abs. 5 der Richtlinie) klarstellen, dass diese die Inhalte der Nutzer im urheberrechtlichen Sinne einer öffentlichen Wiedergabe nutzten. Daraus folgt notwendigerweise die Schließung von Lizenzvereinbarungen zwischen den Nutzern und der Plattform. Sofern sich nicht zumindest um die Schließung einer solchen Vereinbarung von der Plattform bemüht wurde, ist der jeweilige Plattformbetreiber haftbar zu machen gegen etwaige Rechtsverstöße.

Im Jahr 2019 folgten massive, weitreichende Proteste vor allem Junger Menschen, die um Ihre Meinungsfreiheit ob der Auswirkungen des Artikels fürchteten. Im Fokus der Debatte standen dabei die vielbeschworenen Uploadfilter. Die Einführung derartiger automatisierter Auswertungsprogramme stellte in den Augen vieler Benutzer eine Beschneidung der freien Verbreitung von Inhalten dar: bereits vor dem Hochladen etwa eines Videos würde hier automatisiert geprüft werden, ob die Lizenz für ein Video bereits besteht – andernfalls würde es „geblockt“ werden. Gleichzeitig bestanden erhebliche Zweifel über die Präzision dieser Programme, da die Anbieter im Zweifel eher mehr Videos sperren würden als notwendig, um Risiken von Verstößen zu vermeiden (Stichwort: „Overblocking“). Seitdem wurde es zunächst still.

Nun hat die deutsche Bundesregierung am 03.02.2021 einen Gesetzesentwurf zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes als deutsche Umsetzung der europäischen Reform beschlossen und damit das Thema wieder angeschürt. Eine eigenständiges, neues „Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz“ soll hierbei die Interessen der verschiedenen Parteien möglichst zutreffend berücksichtigen. Änderungen zum Umfang der Prüfung kamen insbesondere zu kleineren Werken. So werden u.a. bis zu 15-Sekunden Film- oder Tonaufnahmen von der Überprüfungspflicht befreit, sofern ein Nutzer dieses Werk nicht kommerziell verbreitet. Es ändert sich jedoch nichts an der mittelbaren Pflicht der Plattformbetreiber, Uploadfilter einzusetzen.

Gut gemeint, aber…

Fraglich sind die Implikationen auf den Datenschutz. Hier ist sich einmal auf die gelegentlich vergessene Zweckrichtung des europäischen Datenschutzes zu besinnen: Die maßlose Datenhortung großer (Tech-)Unternehmen. Bereits beim EU-Entwurf gesellten sich zu den Bedenken hinsichtlich der Uploadfilter und Ihrer Funktionalität die Befürchtungen, dass der Gesetzesentwurf wieder einmal kleineren Anbietern einen größeren Strich durch die Rechnung machen könnte als den eigentlich Bevorteilten (wir berichteten). Auch in der deutschen Umsetzung hat sich an dieser grundsätzlichen Kritik nicht viel verändert, jedoch geht die Reduzierung der Prüfpflichten kleinerer Werke begrüßenswerter Weise mit einem geringeren Umfang gesammelter Daten einher. Auch „kleinere“ Anbieter werden grundsätzlich weiter vom Begriff des im Entwurf definierten „Anbieter eines Dienstes zur gemeinsamen Nutzung von Online-Inhalten“ erfasst werden.

Auch diese müssten nämlich mithilfe von Prüfsystem dafür sorgen, dass unlizenzierte Werke nicht auf Ihrer Plattform veröffentlicht werden dürfen oder müssten Konsequenzen befürchten. Es hat sich früh herauskristallisiert, dass die flächenwirksame Prüfung von Urheberrechtslizenzen nur mittels sog. Uploadfilter zu bewerkstelligen ist. Hier muss jetzt bedacht werden: YouTube verfügt bereits über ein sog. Content-ID-System, welches bekanntlich nicht immer zu vollster Zufriedenheit funktioniert – Zeugnisse dessen finden sich überall im Netz, wenn Content-Provider wieder Mals ihren Unmut über die Lösch- oder „Copyright-Strike“-Praktiken der Plattform kundtun. Trotz anhaltender, mehrjähriger Entwicklung seit der damaligen Debatte hat sich auf technischer Ebene kein nennenswerter Fortschritt eingestellt.

YouTube bleibt weiterhin relativ allein. Über die Ressourcen, um einen funktionierenden und hinreichend fehlerfreien Upload-Filter bereitzustellen, verfügen die wenigsten Anbieter. Am ehesten noch YouTube – und die Plattform wird diesen garantiert nicht kostenlos ihren Konkurrenten zur Verfügung stellen. Hier sind teure Lizenzgebühren oder, ganz nach dem Modell Google, Datensätze der Nutzer anderer Plattformen als Preis zu befürchten. Nichtsdestotrotz stehen diese in der gleichen Pflicht wie die großen Anbieter, die Lizenzen hochgeladenen Videos zu überprüfen. Hier existieren keine Alternativen zum Erwerb funktionierender Uploadfilter-Software. Immerhin reduziert sich die Breite an verpflichteten Anbietern ggf. mit den Zugeständnissen für kleinere Werke, die sich die Software für etwaige Uploadfilter einkaufen müssten.

Kein Thema für Datenschützer

Zuletzt stellt sich hier die Frage, ob dies etwas am Begriff des Verantwortlichen im Sinne der DSGVO ändert. Wir haben Ihnen bereits zur Problematik des Verantwortlichen-Begriffs im Zusammenhang mit YouTube und Co. berichtet.

Die Plattformbetreiber werden durch die verpflichtende Vorprüfung der Lizensierung der Werke dazu gezwungen, den Datenfluss noch eingehender zu kontrollieren. Nur die Plattformbetreiber werden nun gesetzlich weiter verpflichtet, die hochgeladenen Inhalte zu kontrollieren. YouTube kann gegenüber unlizenzierten Videos nur die Sperrung der Inhalte verfügen, ist selbst aber für die Verstöße haftbar zu machen.

Zwar sieht der Gesetzesentwurf keine unmittelbaren Änderungen dieser datenschutzrechtlichen Bewertung vor. Tatsächlich lässt aber der Tenor des Entwurfs, YouTube mehr in die Verantwortlichkeit für den auf der Seite veröffentlichten Content zu nehmen, auf Entwicklungen hoffen, um diesen Plattformen eine alleinige Verantwortlichkeit zukommen zu lassen. Die perplexe Situation von YouTube, die gerade selbst verantwortlich sein wollen und die der Nutzer, die gar nicht verantwortlich sein wollen, die durch die momentane Rechtslage entsteht, wird somit leider nicht aufgelöst.