Künftig können Versicherte der Generali gegen Preisgabe ihrer Gesundheitsdaten von günstigeren Versicherungstarifen profitieren. Die Generali-Gruppe hat dazu im November 2014 als erstes großes Versicherungsunternehmen in Europa ein neues Krankenversicherungsmodell vorgestellt, bei dem ihre Kunden mittels einer elektronischen Kontrolle und finanziellen Anreizen angehalten werden sollen, stärker auf ihren Lebensstil zu achten. Die elektronische Kontrolle der Versicherten schließt im Rahmen von „Big Data“ nahtlos an die kürzlich von uns vorgestellten Ideen zur ökonomischen Nutzung von Wearables wie auch an die Erhebung von Fahrerdaten durch Kfz-Versicherungen an.

Individualisierte Tarife

Das Modell funktioniert dergestalt, dass die Versicherten, die sich für das neue Modell entscheiden, regelmäßig Daten zu Ihrem Lebensstil übermitteln sollen. Hierzu benötigt der Verbraucher eine App, die Vorsorgetermine dokumentiert, Schritte des Kunden zählt oder seine sportlichen Aktivitäten misst. Berücksichtigt wird dabei auch ein gesundes Ernährungsverhalten. Ziel der Maßnahme ist nach Aussage von Generali eine stärkere Kundenbindung wie auch eine Beeinflussung des Verhaltens ihrer Kunden. Von Unternehmensseite wird der neue Ansatz als Hilfsangebot für die Versicherten zur Umstellung auf eine gesündere Lebensweise dargestellt. Hervorgehoben wird dabei insbesondere die Freiwilligkeit der Datenpreisgabe.

Im ersten Schritt erhalten gesundheitsbewusste Teilnehmer des Programms Gutscheine für Reisen und Fitnessstudios. Als weiterer finanzieller Anreiz sind Prämiennachlässe beim Versicherungsschutz angedacht. Die neuen Angebote sollen innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate in Deutschland erhältlich sein.

Die Nutzung der neuen App bedeutet für gesundheitsbewusste Versicherte finanzielle Vergünstigungen, wenn die entsprechenden Daten preisgegeben werden. Auf der anderen Seite wird für Versicherte, die sich für ein risikoreicheres Leben entscheiden oder ihre Daten nicht preisgeben wollen, ein finanzieller – und langfristig möglicherweise auch ein gesellschaftlicher – Druck geschaffen, sich einer elektronischen Kontrolle zu unterwerfen. Generali orientiert sich mit seinen individualisierten Tarifen am Vorbild des amerikanischen Krankenversicherers United Healthcare. Dieser stellt seinen Versicherten Preisnachlässe in Aussicht, wenn sie am Tag eine bestimmte Anzahl von Schritten tun und dies der Versicherung belegen können.

Datenschutzrechtliche Aspekte

Datenschutzrechtlich ist die Erfassung von Versichertendaten durch Apps und Wearables äußerst kritisch zu sehen. Erfasst man beispielsweise die Schrittzahl der Versicherten, könnten in Verbindung mit einer  GPS-Verknüpfung auch Bewegungsprofile erstellt werden. Hierfür ist eine ausführliche Einwilligungserklärung erforderlich, die genau darlegt, zu welchen Zwecken die Daten der Versicherten weitergegeben werden. Es ist davon auszugehen,  dass die Versicherten ihr Verhalten im Rahmen der elektronischen Kontrolle anpassen werden. Die Versicherungen können das Verhalten und Entscheidungen ihrer Kunden wiederum stärker beeinflussen, als dies gegenwärtig der Fall ist.

Ebenso ist fraglich, ob bei einem Widerruf der Einwilligung des Versicherten auch tatsächlich alle zu seiner Person erfassten Daten gelöscht werden. Gesundheitsdaten unterliegen in Deutschland einem besonderen Schutz, so dass der Zugriff auf sie durch die Versicherungen begrenzt sein sollte. Es ist bislang auch nicht absehbar, ob personenbezogene Daten der Versicherten möglicherweise in einer Cloud gespeichert werden, was insbesondere bei Gesundheitsdaten datenschutzrechtlich problematisch ist.

Erhöhter Wettbewerbsdruck für Versicherungen

Der von Generali neu beschrittene Weg in Europa erhöht nicht nur den Druck auf die Versicherten. Auch die Versicherungen selbst werden sich langfristig bei einer flächendeckenden Einführung der elektronischen Kontrolle zunehmend Konkurrenz hinsichtlich ihrer Kunden machen. Gesunde Versicherte mit belegbar geringen Risiken werden noch begehrter sein als dies gegenwärtig der Fall ist. Dieser Anreiz für die Versicherungen kann zu einer raschen Ausweitung der elektronischen Versichertenkontrolle führen.

Gleichzeitig ist zu befürchten, dass die Einführung der individualisierten Tarife das Solidaritätsprinzip aushöhlt. Nach dem Grundgedanken einer Versicherung sollen verschiedene Risiken zwischen einer großen Zahl von Kunden und über die Zeit ausgeglichen werden. Dies wäre bei einer anreizgesteuerten Auswahl von Risiken durch die Versicherungen nicht mehr gegeben.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, wie die Verbraucher die Einführung individualisierter Tarife und die zugrundliegende elektronische Kontrolle aufnehmen werden. Hiervon hängt auch ab, ob und in welchem Umfang andere Versicherungen in Europa mit vergleichbaren Modellen nachziehen werden. Insgesamt wirft das von der Generali initiierte Modell zahlreiche diskussionswürdige Fragen im Hinblick auf den Datenschutz wie auch zum Solidaritätsgedanken auf.