Eine neue Software hat jüngst von sich reden gemacht. Die Software wurde von dem Aachener Softwarehaus Precire Technologies entwickelt. Sie analysiert die Stimme einer Person, indem sprachliche Eigenheiten wie Satzbau, Wortwahl, Sprechgeschwindigkeit und Stimmfrequenz verarbeitet werden. IT-Experten, Sprachwissenschaftler und Psychologen bei Precire haben hierzu Personen mit ähnlichen Persönlichkeitsmerkmalen herangezogen und deren Sprache auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Persönlichkeitsgruppen verglichen. Aus diesen Parametern wird anhand des von Precire entwickelten Algorithmus eine Persönlichkeitsanalyse erstellt, die etwa ein Arbeitgeber verwenden kann, um eine Personalentscheidung zu treffen.
Die Fachleute von Precire Technologies behaupten, dass die Software anhand einer Sprachaufzeichnung von nur etwa 15 Minuten ein komplexes aussagefähiges Persönlichkeitsprofil erstellt. Dabei kommt es nicht darauf an, was die Testperson dem Computer erzählt, sondern entscheidend sollen solche Details wie Syntax, Sprechgeschwindigkeit oder Wortwahl sein. Die Sprachaufzeichnung wird vorgenommen, indem Fragen beantwortet werden, die auf das persönliche Befinden der Testperson Rückschlüsse zulassen. Dazu gehören etwa Fragen wie „Welche Sorgen hatten Sie in den vergangenen Wochen?“ oder „Beschreiben Sie ein besonders schönes Erlebnis“. Die Treffsicherheit der Software soll bei 90 % liegen.
Gedacht ist die Verwendung der Software bspw. so, dass ein Personalchef mit bestimmten Merkmalen, die er bei potentiellen Mitarbeitern sucht, an den Softwarehersteller herantritt. Wird ein besonders kontaktfreudiger Mitarbeiter für den Vertrieb gesucht, der selbstständig und organisiert arbeitet, so filtert die Software Kandidaten mit solchen Fähigkeiten heraus. Auch in anderen Gebieten kann die Software zum Einsatz kommen. Sie kann bei der Partnersuche auf Online-Partnerbörsen helfen oder in der Versicherungswirtschaft einen Versicherungsbetrüger identifizieren. Aber auch im Gesundheitsmanagement kann die Software eingesetzt werden, etwa um eine Depression frühzeitig zu erkennen.
Zu beachten ist jedoch, dass besonders seltene Sprachmerkmale von der Software womöglich nicht erkannt werden. Es werden nämlich nur die Sprachmerkmale berücksichtigt, die bei Entwicklung der Software bei den Vergleichsgruppen auch Berücksichtigung gefunden haben. Eine Auseinandersetzung mit den persönlichen Eigenheiten eines Bewerbers findet dann auf dieser Ebene nicht statt. Wer nach der Sprachanalyse durch das Raster der Software fällt, ist raus aus dem Bewerbungsprozess, wenn keine weiteren Kriterien bei der Bewerberauswahl herangezogen werden.
Es scheint so, dass die neuen Sprachanalysemöglichkeiten viele Chancen bieten. Anstatt eines kostspieligen und zeitintensiven Assessmentcenters muss ein Arbeitgeber lediglich die Dienstleistungen von Precire buchen. Der Bewerber beantwortet dem Computer die Fragen. Nach entsprechender Auswertung durch die Software erhält der Kunde von Precire Bescheid, um seine Personalentscheidung zu treffen.
Aus der Perspektive der Datenschützer bestehen durchaus Bedenken, die von der Anwendung der Software ausgehen. Denn wer kann schon genau sagen, dass bei der Sprachanalyse nicht auch der Inhalt der Aufzeichnungen dauerhaft gespeichert wird. Kann der Inhalt der Aufzeichnung dann einzelnen Personen zugeordnet werden, besteht die Möglichkeit, intime Einblicke in Privatangelegenheiten des Einzelnen zu erhalten.
Doch ist eine rechtskonforme Anwendung der Software möglich?
Beim Einsatz der Software sind folgende Punkte zu beachten:
- Vor Anwendung der Software ist die Einwilligung der Testperson einzuholen. Ohne wirksame Einwilligung ist die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung der Sprachdaten unzulässig, vgl. § 4 Abs. 1 BDSG.
- Die Einwilligung der Testperson hat schriftlich zu erfolgen. Das Schriftformerfordernis ergibt sich aus § 4a Abs. 1 S. 3 BDSG.
- Die Testperson hat die Einwilligung freiwillig abzugeben, vgl. § 4a Abs. 1 S. 1 BDSG. Die Freiwilligkeit der Einwilligung ist nur dann gegeben, wenn die Testperson bei Ablehnung der Anwendung der Sprachanalysesoftware nicht vom Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wird. Das Bewerbungsverfahren muss dann ohne Verwendung der Sprachanalysesoftware dem Bewerber zur Verfügung gestellt werden.
- Eine fehlende oder unwirksame Einwilligung kann zur Folge haben, dass die Sprachaufnahme den Straftatbestand des § 201 StGB erfüllt.
- Die Entscheidung, ob ein Bewerber aus dem Verfahren ausscheidet, darf nicht alleine auf einen automatisierten Sprachanalysevorgang gestützt werden, vgl. § 6a BDSG. Über das Ausscheiden aus dem Bewerbungsprozess hat eine natürliche Person, die mit dem nötigen Entscheidungsspielraum ausgestattet ist, abschließend zu entscheiden.
- Auf Verlangen ist dem Bewerber Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Daten zu gewähren, vgl. § 34 BDSG. Dies umfasst das gesamte Ergebnis der Sprachanalyse.
Werden die Punkte 1 bis 6 beim Einsatz der Software berücksichtigt, kann die Software rechtskonform eingesetzt werden. Die geäußerten Zweifel an der Funktionalität der Software bleiben jedoch bestehen.
Der Interviewroboter spricht mir aus der Seele… | PersonalRadar
13. Januar 2017 @ 16:05
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