Den besten Mobilfunktarif einfach so online wählen, oder doch lieber kündigen und auf ein unschlagbares Angebot warten? Egal, für welchen Weg man sich entscheidet, irgendwie muss der Kontakt zum Unternehmen hergestellt werden. Gerade in der Mobilfunkbranche ist es üblich, nach einer Vertragskündigung ein besseres Angebot zu erhalten, um dem Unternehmen doch noch treu zu bleiben.
Was aber, wenn der Verbraucher froh ist, endlich dem Unternehmen den Rücken zu kehren? Darf das gekündigte Unternehmen einfach anrufen oder eine Mail schreiben und nach den Gründen für die Kündigung fragen und versuchen den Kunden zu halten? Wie ist es, wenn dabei ein tatsächlich wirtschaftlich interessantes Angebot gemacht wird?
Ausgangslage VOR der Kündigung
Während einer Vertragsbeziehung kann es sinnvoll sein, dass beide Parteien miteinander kommunizieren können. Solange also der Telefonanruf oder die Email für die Durchführung des Vertrages erforderlich sind, spricht nichts gegen den direkten Kontakt zwischen dem Unternehmen und dem Verbraucher. Unproblematisch ist die Kontaktaufnahme auch, wenn der Verbrauer vorher in den Erhalt von Werbung eingewilligt hat (weitere Infos zum Thema Werbung finden Sie z.B. hier).
Nicht für die Durchführung des Vertrages notwendig ist aber die Nachfrage, ob man nicht doch auch noch andere Produkte oder Tarife in Zukunft nutzen möchte. Diese Art der telefonischen Werbung ist nur mit einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Verbrauchers möglich (mehr über die Zulässigkeit von Telefonwerbung erfahren Sie hier).
Wer ohne eine vorherige Einwilligung Werbeanrufe tätigt, kann mittlerweile von verschiedenen Seiten belangt werden: Zum einen kann eine datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde ein Bußgeld nach Art. 82 lit. f DSGVO erlassen, weil eine Datenverarbeitung ohne Rechtsgrundlage vorgenommen wurde (i.d.R werden auch weitere datenschutzrechtliche Verstöße zu finden sein, z.B. fehlende Pflichtinformationen nach Art. 13 DSGVO oder eine unzulässige Zweckänderung) und zum anderen begeht die Person auch eine Ordnungswidrigkeit nach §§ 20, 7 UWG. In diesen Fällen kann von der Bundesnetzagentur ein Bußgeld bis zu 300.000 Euro erlassen werden. Die Bundesnetzagentur ist dann berechtigt Bußgelder zu verhängen, wenn unerlaubte Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern erfolgt ist.
Werbeanrufe gegenüber Unternehmern, Gewerbetreibenden und Freiberuflern kann die Bundesnetzagentur i.d.R. hingegen nicht mit einem Bußgeld belegen.
Und wenn der Anrufer einfach behauptet, dass Sie bei z.B. einem Gewinnspiel ihre Einwilligung abgegeben hätten? Nach §7a UWG müssen telefonisch werbende Unternehmen die Werbeeinwilligungen von Verbrauchern vollständig dokumentieren und zwar vom Zeitpunkt ihrer Erteilung an. Außerdem müssen sie diese Einwilligungen der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde und der Bundesnetzagentur auf Verlangen vorlegen können.
Festgehalten werden kann daher an dieser Stelle, dass der vom Unternehmen aktiv gesuchte Kontakt zum Verbraucher mittels Telefons oder E-Mail dann möglich ist, wenn er zur Vertragsdurchführung notwendig ist (z.B. technischer Support), oder für Werbung, nachdem der Verbraucher vorher ausdrücklich und nachweisbar eingewilligt hat oder in den engen Grenzen des § 7 UWG.
Ausgangslage NACH einer Kündigung
Lag bisher keine Einwilligung vor, ändert sich nach einer Kündigung nichts an der Ausgangslage. Auch das Erfragen der Kündigungsgründe bzw. ein „Serviceanruf“ o.ä., in dem dann ganz nebenbei auf die Kündigung eingegangen wird, ist Werbung, für die eine vorherige Einwilligung zwingend ist. Nichts anderes gilt, wenn in dem Zusammenhang auch ein wirtschaftlich sehr lukratives Angebot präsentiert wird. Ein Anruf zur Kundenrückgewinnung nach einer erfolgten Kündigung gehört nicht in die anerkannte Kategorie „zur Vertragsdurchführung“ (Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO), da sich der Anruf nicht auf die vertraglichen Leistungspflichten und deren Umsetzung oder z.B. Gewährleistungen bezieht.
Wie sieht es aber aus, wenn der Verbraucher vorher seine Zustimmung zur Werbung gegeben hat?
Hat die Zustimmung auch nach einer Vertragskündigung ihre Gültigkeit, oder hat der Kunde sie mit der Vertragskündigung auch konkludent widerrufen?
Eine genaue Regelung findet sich in den Gesetzen dazu nicht. Zunächst braucht der Verbraucher aber keine Angst zu haben, dass sich sein Werbewiderruf negativ auf seinen Vertrag auswirkt. Seit 2022 wurde die europäische Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (DIRL) in nationales Recht umgesetzt, die die Verbraucherrechte weiter stützt.
Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) findet sich seitdem mit dem eingeführten § 327 Abs. 1 q BGB für digitale Dienstleistungen eine Vorschrift, die den Verbraucher zunächst schützt. Ein Vertrag bleibt wirksam, auch wenn ein Betroffener seine Datenschutzrechte nach der DSGVO wahrgenommen hat. Erst wenn die Datenverarbeitung Kernbestanteil der vertraglichen Leistungspflichten ist (z.B. bei digitalen Produkten), kann das Unternehmen nach Ausübung z.B. eines Werbewiderrufs auch den Vertrag nach § 327 q Abs. 2 BGB mit dem Verbraucher sogar fristlos kündigen. Das Zivilrecht trägt dem Umstand, dass eine Einwilligung in die Datenverarbeitung zentrales Element eines vertraglichen Austauschverhältnisses sein kann, damit Rechnung, dass „unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum vereinbarten Vertragsende oder bis zum Ablauf einer gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“ (§ 327 q Abs. 2 BGB).
Zwar ist auch diese Lösung nicht völlig unproblematisch, weil damit eine gänzlich „freie“ Widerrufbarkeit insoweit eingeschränkt wird, als dass die betroffene Person die Konsequenzen einer Kündigung befürchten muss und daher ggf. von einem Widerruf absieht. Hindert der Werbewiderruf aber den Vertragspartner nicht an der Durchführung des Vertrages, wird der Verbraucher vor einer Kündigung geschützt. Auch ein Auskunftsersuchen nach Art. 15 DSGVO, das teilweise einen erheblichen Aufwand produziert, kann nicht dazu führen, dass „anstrengenden“ Verbrauchern der Vertrag gekündigt wird.
Grundsätzlich kann sich also die Ausübung des Widerrufs auch auf den Hauptvertrag auswirken.
Das Gesetz selbst legt dem Widerrufenden mit dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 3 DSGVO keine Steine in den Weg. Eine Formvorschrift ist nicht ersichtlich. Im Gegenteil: Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 4 DSGVO muss die Möglichkeit zum Widerruf so einfach sein wie die Abgabe der Einwilligung selbst. Grundsätzlich sollte ein Widerruf in jeder Form möglich sein, allerdings mit der Einschränkung, dass der Verantwortliche die Identität des Widerrufenden sicher feststellen können muss. Das bedeutet auch, dass ein Widerruf nicht als solcher ausdrücklich bezeichnet werden muss, sondern sich auch aus dem Wortlaut und den Umständen heraus ableiten kann.
Den Verantwortlichen trifft die Obliegenheit, verbleibende Unklarheiten durch Nachfrage zu klären. Dies folgt aus der Wertung des Art. 4 Nr. 11 DSGVO, dass nicht aufgeklärte Zweifel über das Vorliegen einer tragfähigen Einwilligung zulasten des Verantwortlichen gehen.
Auf der anderen Seite ist die Einwilligung in Werbung eine eigenständige rechtliche Äußerung, die erst einmal unabhängig von einem Hauptleistungsvertrag existiert. Ob mit der Kündigung des Hauptleistungsvertrages auch regelmäßig konkludent der Widerruf der Werbeeinwilligung gemeint ist, ist immer eine Auslegungssache mit einem starken Indiz auf den Widerruf. Warum sollte etwa ein Kunde, der eine Online-Dienstleistung kündigt, nicht auch noch ein weiteres Interesse am bestellten Newsletter haben, um weiterhin informiert zu bleiben?
Fazit
In der Regel möchte der Verbraucher aber nicht beworben werden, wenn er eben erst die Vertragsbeziehung beendet hat. Da eine Einwilligung per se ohne eine zeitliche Begrenzung abgegeben wird, gäbe es die ungewöhnliche Situation, dass der Verbraucher zwar den Vertrag kündigt, aber dennoch z.B. Jahre später kontaktiert werden dürfte (zur zeitlichen Wirksamkeit einer erteilten Einwilligung). Sind keine weiteren Umstände die auf den Wunsch hindeuten offensichtlich, sollte in diesem Fall regelmäßig auch von einem Werbewiderruf ausgegangen werden. Dafür spricht auch eine einfache Risikoabwägung, da die Zusendung unerlaubter Werbung ein höheres Risiko bedeutet, als die die Löschung einer erteilten Einwilligung.
John Smith
15. Juli 2024 @ 12:26
Ich bin etwas verwundert, wieso neben einer Erforderlichkeit zur Vertragsdurchführung nach Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO lediglich auf eine Einwilligung nach Art. 6 Abs.1 lit. a DSGVO verwiesen wird. Die DSGVO erkennt Direktwerbung in Erwägungsgrund 47 ausdrücklich als berechtigtes Interesse des Verantwortlichen an. Bei einem bestehenden, ungekündigtem Vertragsverhältnis sollte eine Interessenabwägung bzgl. Kundenzufriedenheitsumfragen auch zu Gunsten des Verantwortlichen entschieden werden können. Bei nicht bestehenden oder gekündigten Verträgen ist die Interessenabwägung vermutlich jedoch anders zu entscheiden.
Auch § 7 UWG verlangt nicht zwangsläufig nach einer Einwilligung. Lediglich darf nicht erkennbar sein, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. Solange kein Widerspruch vorliegt, haben entsprechende Anzeichen für solch einen Widerwillen zumindest einen gewissen Interpretationsspielraum.
Christian Hanusch
15. Juli 2024 @ 13:56
Guten Tag und vielen Dank für Ihren Kommentar.
Sie haben absolut Recht, dass Art. 6 Abs. 1 lit.f) DSGVO eine Rechtsgrundlage für Direktwerbung sein kann. Bei der vorgesehenen Interessenabwägung muss aber in den hier beschriebenen Fällen berücksichtigt werden, dass der gegenteilige Wille des Kunden bekannt ist oder es dafür eine sehr starke Vermutung gibt, nämlich die Kündigung des Vertrages (siehe das Fazit im Artikel). In einer solchen Konstellation wird die Abwägung i.d.R. nicht zu Lasten des Verbrauchers ausfallen.
Eine Besonderheit gilt auch für das im Artikel besprochene Telefonmarketing: Nach § 7 Abs.2 Nr.1 UWG darf eine telefonische Werbung gegenüber einen Verbraucher nur mit einer ausdrücklichen Einwilligung erfolgen. § 7 Abs. 3 UWG, der die Ausnahmen zulässiger Werbung behandelt, lässt die telefonische Werbung ausdrücklich außen vor.
Die nach § 7 Abs. 2 UWG zwingende Einwilligung wirkt sich auf Art. 6 Abs. 1 lit.f) DSGVO laut der Deutschen Datenschutzkonferenz folgendermaßen aus: „Für Anrufe bei Verbrauchern zu Zwecken der Direktwerbung (B2C) sieht § 7 Abs. 2 Nr.2 UWG keine Ausnahme vom Einwilligungserfordernis vor, so dass solches Nutzen von Telefonnummern ohne vorherige Einwilligung wegen der besonderen Auswirkungen dieser Werbeform (stärkere Belästigung/Störung) datenschutzrechtlich im Rahmen der Auslegung nach Art. 6 Abs.1 UAbs.1 lit.f DSGVO an den überwiegenden schutzwürdigen Interessen der betroffenen Person scheitern.“ (Orientierungshilfe der Aufsichtsbehörden zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten für Zwecke der Direktwerbung unter Geltung der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) von Februar 2020, S.6.
John Smith
15. Juli 2024 @ 14:22
Bzgl. einer telefonischen Ansprache bin ich d’accord. Sie beschreiben jedoch zu Beginn die Situation vor dem Ende des Vertrags und machen im letzten Absatz des Abschnitts den Sprung von einer Ansprache per Telefon zu einer Ansprache per Telefon oder E-Mail („[…] Kontakt zum Verbraucher mittels Telefons oder E-Mail dann möglich ist […]“). Und an dieser Stelle griff mir die Verzicht auf eine Erwähnung eines berechtigten Interesses doch etwas zu kurz. 😉
John Smith
15. Juli 2024 @ 16:42
*der Verzicht