Lange Zeit war die Nutzung von Videokameras, vor allem bei der klassischen Überwachung, zur Diebstahlsprävention oder zur Zutrittskontrolle präsent. Hierbei beschränkte sich die Überwachung meistens auf ein Aufzeichnen des Bildmaterials und die Auswertung bei Schadensfällen. Mit Fortschreiten der Technik und vor allem wegen des Preisverfalls der Soft- und Hardware werden immer weitere Einsatzgebiete erschlossen. Beispielsweise werden die Anlagen in Großbritannien eingesetzt, damit Eltern ihre Kinder im Kindergarten per Live-View beobachten können (wir berichteten hier). Aufgrund des Fortschritts sind allerdings noch unzählige weitere Anwendungsmöglichkeiten denkbar. So nutzte etwa die Hamburger Polizei bereits 2017 eine Software, um mittels Gesichtserkennung 100 Terabyte an Videodaten aufgrund des G20-Gipfels automatisiert auszuwerten (siehe hier). Neben Einsatzbereichen zur Strafprävention, Straftäterermittlung oder ähnlichen Zwecken sind auch Einsatzbereiche in der Privatwirtschaft denkbar, die nicht sofort ins Auge fallen.

Einsatzmöglichkeiten

Moderne Analyse-Systeme bieten die Möglichkeit Diebstahlprävention und -aufklärung zu verbessern, daneben sind aber unter anderem Anwendungsbereiche auf dem Gebiet des Marketings oder der Warenwirtschaft denkbar.

Moderne Alarmsysteme können beispielshalber mittels Algorithmen analysieren, ob es sich bei dem aufgenommenen Subjekt um einen Menschen oder ein Tier handelt. Das ist möglich, da die Software anhand von Bewegungen und der Vermessung des Skeletts erkennen kann, um welche Art Individuum es sich handelt. Durch diese Technologie können moderne Einbruchmeldeanlagen Fehlalarme minimieren, da diese nur dann einen Alarm auslösen, wenn die Software einen Menschen erkannt hat. Rechtsgrundlage ist hier, wie bei der klassischen Videoüberwachung, das berechtigte Interesse des Betreibers gemäß Art. 6 Abs. S. 1 lit. f DSGVO. Voraussetzung für den Betrieb dürfte allerdings sein, dass keine biometrischen Daten erfasst werden. Das ist dann der Fall, wenn Skelettpunkte derart vermessen werden, sodass eine Person zweifelsfrei wiedererkennbar ist. Eine Verarbeitung aufgrund des berechtigten Interesses wäre damit ausgeschlossen, da die Verarbeitung an Art. 9 DSGVO gemessen werden müsste. Eine Ausnahme zur Verarbeitung von besonderen personenbezogenen Daten gem. Art. 9 DSGVO dürfte für die genannten Zwecke wohl kaum einschlägig sein.

Außerhalb der Kriminalitätsbekämpfung kann die oben beschriebene Analysetechnik jedoch auch genutzt werden, um beispielsweise in Supermärkten oder auf Messen herauszufinden, welche Bereiche und Laufwege am höchsten frequentiert werden.

Ob sich diese Zwecke datenschutzkonform darstellen lassen, hängt regelmäßig von der Ausgestaltung der Systeme ab. Da hier wieder gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f DSGVO eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorgenommen werden muss. In deren Rahmen die Interessen des Betreibers und die der betroffenen Personen abgewogen werden, können kleinste Änderungen der Technik für oder gegen eine Datenschutzkonformität sprechen. Bezüglich der Videoüberwachung gibt es seitens der Aufsichtsbehörden keine umfassenderen neuen Publikationen, die bei der Abwägung unterstützen könnten. So ist die Orientierungshilfe für Videoüberwachung „Sehen und Gesehen werden“ der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationssicherheit NRW bereits ein paar Jahre alt und erfasst die oben genannten Zwecke noch gar nicht. Daher müssen bei der Abwägung insbesondere generelle datenschutzrechtliche Grundsätze herangezogen werden. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass nicht mehr Daten verarbeitet werden, als zur Zweckerreichung erforderlich sind. Auch sollte die Datenverarbeitung minimal invasiv in die Rechte der betroffenen Personen eingreifen. Denkbar wären Systeme, die nicht zusätzlich Bilddaten abspeichern, sondern direkt analysieren und z.B. nur eine Heatmap anzeigen. Eine Wiedererkennbarkeit und -verfolgbarkeit von Einzelpersonen dürfte schwerlich datenschutzrechtlich zulässig sein. Laut Aufsichtsbehörden sind Systeme zur Reichweitenmessung und Marketingzwecken, bei denen eine geschlossene Infrastruktur verlassen wird, – wie bei dem Upload in eine Cloud – eher unzulässig (Positionspapier zur biometrischen Analyse, S. 17). Probleme könnten zudem auftreten, wenn Aufsichtsbehörden das Verbot der flächendeckenden Überwachung von der Videoüberwachung auf die Videoanalytik übertragen würden. Hier wird regelmäßig in Tätigkeitsberichten der Aufsichtsbehörden moniert, dass eine flächendeckende Überwachung – insbesondere von Beschäftigten – unzulässig sei, da sich Betroffene einem hohen Überwachungsdruck ausgesetzt sehen. Meines Erachtens können allerdings nicht die gleichen Maßstäbe herangezogen werden, da eine Überwachung von Betroffenen ja gerade nicht gewollt ist. Die Abwägung lässt sich insbesondere durch Maßnahmen, wie sofortige Verpixelung oder sogenanntes Full-Body-Blurring von Personen, positiv beeinflussen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass aus meiner Sicht eine Nutzung von Videokameras, zu den oben genannten Zwecken, datenschutzrechtlich durchaus möglich ist, sofern die datenschutzrechtlichen Grundsätze eingehalten werden. Da die technischen Möglichkeiten allerdings kaum begrenzt sind, muss jeder Einsatz im Einzelnen betrachtet werden. Spannend bleibt es aus datenschutzrechtlicher Sicht allemal und man muss abwarten, wie sich Aufsichtsbehörden und Gerichte zu den einzelnen Einsatzzwecken positionieren werden.