In rund drei Wochen steht die 19. Bundestagswahl an. Und allmählich füllen sich die Gehwege und Straßenkreuzungen mit den auffallenden Wahlplakaten der unterschiedlichsten Parteien. Genauso üblich wie dieser Schilderwald sind mittlerweile auch die Kritzeleien und Beschädigungen an den Plakaten, die Angela Merkel, Martin Schulz und Co. so strahlend abbilden. Die AfD-Partei musste bereits den kompletten Verlust ihrer Wahlschilder in einigen Ortschaften in Brandenburg feststellen, nachdem Aktivisten offenbar nachts immer mehr Tafeln der umstrittenen Partei zerstört hatten.

Der Brandenburger AfD-Landtagsabgeordnete Franz-Josef Wiese stieß nun wegen dieser Einbuße mit einem diskussionswürdigen Vorschlag vor. Wie die Partei per Pressemitteilung mitteilen ließ, wolle man Anwohnern 50 Euro dafür zahlen, dass diese auf ihrem Fensterbrett eine Videokamera installieren lassen würden, die auf Wahlplakate der AfD gerichtet sei. Durch diese Videoüberwachung soll vor den Beschädigungen der so wichtigen Wahlplakate abgeschreckt werden oder jedenfalls der Täter beobachtet und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden können.

Die Landesbeauftragte für den Datenschutz in Brandenburg, Dagmar Hartge reagierte bereits auf diesen Aufruf und sah in einer derartigen öffentlichen Videoüberwachung durch oder zumindest mit Hilfe von Privatpersonen in der Nachbarschaft zum Zwecke der Sicherung von Wahlplakaten einen Verstoß gegen das geltende Datenschutzrecht.

Videoüberwachung nach dem BDSG

Denn auch Privatpersonen müssen sich bei dieser nicht ausschließlich persönlichen oder familiären Datenverarbeitung durch die Beobachtung des öffentlichen Raumes an die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (§ 6b BDSG) halten – wie auch die Datenschützerin schon im Februar diesen Jahres ausgehend von zunehmenden Beschwerden wegen der privaten Videoüberwachung klarstellte. Nach dem Gesetz muss eine derartige Videoüberwachung einen der in § 6b BDSG genannten Zwecke wie z.B. der Wahrung des Hausrechts dienen.

Doch auf das Hausrecht wird sich die AfD-Partei genauso wenig wie der Hausbewohner im erfassten Bereich außerhalb des Grundstückes berufen können. Vielmehr unterliegt die Aufstellung und Verbreitung von Wahlwerbung (Wahlplakate, Infostände usw.) gerade einer Sondernutzungserlaubnis im öffentlichen Raum durch eine behördliche Genehmigung, um allen teilnehmenden Parteien und Politikern eine verhältnismäßige, flächendeckende Präsenz zu ermöglichen, die einen signifikanten Teil der politischen Meinungsbildung einnimmt. Dieses wird durch zahlreiche spezifische Rechtsnormen der einzelnen Länder/Gemeinden geregelt.

Ferner wäre das mutmaßlich heimliche Filmen der nahegelegenen, öffentlichen Gehwege vom Fenstersims oder Balkon aus unverhältnismäßig, da die Wahrung der Rechte der betroffenen Personen und Anwohner dem eher geringen Interesse der Partei am Schutz vor Beschädigungen der Wahlplakate überwiegen dürfte. Zumal ohnehin infrage gestellt werden kann, wie geeignet der Einsatz privater Kameras ist, wenn die vermeintlichen Täter bei der Sachbeschädigung der Holzschilder beispielsweise vermummt sind oder nachts kaum erkannt werden könnten.

Was wäre wenn…?

Überdies bestehen zahlreiche weitere datenschutzrechtliche Bedenken und Zweifel an der Umsetzung dieser Idee des AfD-Abgeordneten. Insofern ist dieser Vorschlag der „digitalen Bürgerwehr“ zum Schutze der Wahlplakate wohl eher als PR-Gag anzusehen, der ausgehend von der Medienberichterstattung bereits als ein kleiner Erfolg zu werten ist. Wer diesem Aufruf dennoch folgt, sollte sich die Rechtslage und ein theoretisches Einschreiten der zuständigen Aufsichtsbehörde vor Auge führen. Und auch dem heimlich gefilmten Nachbarn stünden unter Umständen Ansprüche auf Unterlassung oder sogar auf Schadensersatz bei einer schwerwiegenden Rechtsgutverletzung durch den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht gegenüber dem Besitzer der Videokamera zu.