Die COVID 19-Pandemie hat weiterhin erheblichen Einfluss auf unseren Alltag und für Heranwachsende insbesondere auf den Schulbetrieb. Da nach aktuellem Stand Schulschließungen bei einer Inzidenz von 165 pro 100.00 Einwohnern per Bundesgesetz angeordnet werden, sind aufgrund der andauernden dritten Welle der Pandemie weitere Schulschließungen wahrscheinlich. Um den Unterrichtsbetrieb auch in dieser Zeit aufrecht erhalten zu können, sind Videokonferenzlösungen unerlässlich. Diese werden nun seit mehr als einem Jahr an den Schulen in unterschiedlicher Ausgestaltung mit verschiedenen Anbietern praktiziert.

Dass hiermit auch die Verarbeitung personenbezogener Daten einhergeht, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nach wie vor nicht abschließend geklärt ist allerdings die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Datenverarbeitung stattfindet.

In Betracht käme hier eine Datenverarbeitung auf Grundlage von Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. e oder f DSGVO – also zur Wahrnehmung einer Aufgabe, die im öffentlichen Interesse liegt oder im Rahmen einer Interessenabwägung. Beides sind aber eher „schwache“ Rechtsgrundlagen, weil sie einen weiten Interpretationsspielraum und damit Raum für rechtliche Zweifel bieten. Auch die Einwilligung der Betroffenen gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a DSGVO ist ein eher schwaches rechtliches Instrument, weil sie jederzeit widerrufbar sein muss. Daher wäre eine rechtliche Verpflichtung in Verbindung mit einer gesetzlichen Regelung zur Datenverarbeitung bei Videokonferenzsystemen wünschenswert.

Inhalte der Hamburgischen Neuregelung

Eine solche Regelung hat die Freie und Hansestadt Hamburg mit dem „Vierundzwanzigsten Gesetz zur Änderung des Hamburgischen Schulgesetzes vom 21. Januar 2021“ erlassen (vgl. HmbGVBl. vom 29. Januar 2021, S. 45 ff., abrufbar unter https://www.luewu.de/docs/gvbl/docs/2413.pdf). In § 98c des Hamburgischen Schulgesetzes (HmbSG) ist u.a. Folgendes geregelt:

„(1) Der Unterricht und die sonstigen pflichtgemäßen Schulveranstaltungen können in Form eines gleichzeitigen Informationsaustausches zur Bild- und Tonübertragung zwischen der Schule und der Wohnung der Schülerinnen und Schüler oder einem anderen geeigneten Lernort erfolgen, wenn einzelnen oder mehreren Schülerinnen oder Schülern die Teilnahme am Präsenzunterricht in der Schule aus wichtigem Grund nicht möglich oder die Beschulung bei Abwesenheit von Teilgruppen nur in Form eines Wechsel- oder Hybridunterrichts organisierbar ist (Fern-, Wechsel- oder Hybridunterricht). Wichtige Gründe nach Satz 1 liegen insbesondere bei Katastrophenfällen, Störungen der schulischen Infrastruktur sowie zur Sicherstellung des Gesundheits-, Infektions- und Seuchenschutzes vor. (…)

(2) Der Fern-, Wechsel- oder Hybridunterricht ist in der Form vertraulich durchzuführen, dass an ihm nur die Schülerinnen und Schüler, gegebenenfalls ihre Sorgeberechtigten, die Lehrkräfte sowie an der schulischen Bildung und Erziehung Beteiligte der jeweiligen Klasse teilnehmen können. Zur Durchführung des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts sollen elektronische Lernportale und pädagogische Netzwerke gemäß § 98b genutzt werden. (…)

(3) Die Schulen und die zuständige Behörde sind zur Durchführung des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts befugt, personenbezogene Daten, insbesondere Ton-, Bild- und Videodaten der in Absatz 2 Satz 1 genannten Personen zu verarbeiten, soweit dies zur Durchführung des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts und zur Erreichung der Lernziele in der jeweiligen Unterrichtssituation zwingend erforderlich ist. Eine Aufzeichnung der genannten personenbezogenen Daten ist nicht zulässig.“

Es folgen in § 98c Abs. 4 HmbSG technische und organisatorische Maßnahmen zur Ausgestaltung der Videokonferenz.

Rechtliche Würdigung der Hamburgischen Neuregelung

Die Hamburgischer Neuregelung in § 98c Abs. 4 HmbSG ist grundsätzlich zu begrüßen. Bislang fand nicht nur in Hamburg die Datenverarbeitung im Rahmen schulischer Videokonferenzen überwiegend auf Grundlage der eingangs dargestellten Regelungen und nicht auf einer soliden rechtlichen Grundlage statt.

Die Regelung in § 98c Abs. 1 S. 1 stellt die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für die Beschulung per Videokonferenz dar. Hierunter fällt neben weiteren Gründen auch die Sicherstellung des Gesundheits-, Infektions- und Seuchenschutzes, also die anhaltende Pandemie-Situation.

Weiterhin wird in § 98c Abs. 2 S. 1 auf die vertrauliche Durchführung des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts hingewiesen. Ebenso werden die Beteiligten in Abs. 2 S. 2 dazu angehalten, elektronische Lernportale und pädagogische Netzwerke gemäß § 98b HmbSG zu nutzen.

Die eigentliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung im Rahmen der Videokonferenzen findet sich im nachfolgenden Absatz 3, in dem die zwingende Erforderlichkeit der Durchführung des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts vorausgesetzt wird. Nachfolgend wird die Aufzeichnung der Videokonferenzen für unzulässig erklärt. Insbesondere die vorgenannte Praxis ist uns im Rahmen unserer Beratungspraxis begegnet und wir haben in dem Zusammenhang regelmäßig von einer Aufzeichnung der Videokonferenzen, insbesondere im schulischen Bereich abgeraten (vgl. dazu auch hier).

Die in § 98c Absatz 4 HmbSG beschriebenen technischen und organisatorischen Maßnahmen flankieren die oben beschriebenen Regelungen. Dort heißt es in S. 1 zunächst:

„Zum Schutz der Rechte der Betroffenen nach Absatz 3, insbesondere zur Gewährleistung des Kinder- und Jugendschutzes, zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung sowie zur Wahrung der Vertraulichkeit des Fern-, Wechsel- oder Hybridunterrichts ergreifen die Schulen und die zuständige Behörde die geeigneten und erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen. (…)“

Daraufhin wird in § 98c Abs. 4 S. 2 Nr. 1 HmbSG noch einmal hervorgehoben, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, um eine Videoaufzeichnung zu verhindern und um personenbezogene Daten nur dem in § 98c Abs. 2 S. 1 HmbSG genannten Personenkreis zugänglich werden zu lassen. Hier sind also auch systemseitige Voreinstellungen gefordert, damit Videoaufzeichnungen und eine Datenübermittlung an Dritte gar nicht erst möglich sind. Diese lassen sich über eine datenschutzfreundliche Konfiguration der Videokonferenz-Tools bewerkstelligen.

  • § 98c Abs. 4 S. 2 Nr. 2 HmbSG fordert weiterhin eine Sensibilisierung der an den schulischen Videokonferenzen beteiligten Personen. Dies beinhaltet eine datenschutzrechtliche Schulung der Beteiligten, auch zur strafrechtlichen Relevanz bestimmter Regelverstöße (z.B. Einstellen rechtswidrig aufgezeichneter Videos in soziale Netzwerken oder Messengern) und die Möglichkeit einer Strafanzeige durch die Schule.
  • § 98c Abs. 4 S. 2 Nr. 3 HmbSG sieht eine Prioritätensetzung dergestalt vor, dass auf Bildübertragungen der Betroffenen zu verzichten ist, wenn das Lernziel in der jeweiligen Unterrichtssituation auch ohne diese erreicht werden kann.

Zudem verweist § 98c Abs. 4 S. 2 HmbSG auf Art. 12, 13 und 32 Abs. 1 DSGVO, also auf die Informationspflichten zur Datenverarbeitung und auf die Anforderungen an die Sicherheit der Verarbeitung. Insbesondere die Bedeutung der datenschutzrechtlichen Informationspflichten im schulischen Kontext können wir nur unterstreichen. Oftmals enthalten die allgemeinen Datenschutzinformationen zur Einschulung noch keine datenschutzrechtlichen Hinweise auf schulische Videokonferenzen und müssten entsprechend angepasst werden.

Fazit

Insgesamt können die in § 98c HmbSG getroffenen Maßnahmen als eine ausgewogene und stringente Regelung bezeichnet werden. Es ist begrüßenswert, dass Videokonferenzen in Schulen überhaupt Eingang in eine landesgesetzliche Regelung gefunden haben. In anderen Bundesländern, wie z.B. in Bremen ist dies noch nicht der Fall.

Es ist davon auszugehen, dass schulische Videokonferenzen im Rahmen der Pandemie auch weiterhin erforderlich sein werden. Die Hamburgische Regelung trifft in § 98c HmbSG eine sachdienliche Regelung mit Vorbildcharakter für andere Bundesländer. Insbesondere der ausdrückliche Verzicht auf Videoaufzeichnungen im Rahmen des Fernunterrichts ist hervorzuheben.

Die konkrete Ausgestaltung des schulischen Distanzunterrichts durch Videokonferenzen kann einem Orientierungsrahmen entnommen werden, der die gesetzliche Regelung mit Leben füllt und hilfreiche Beispiele für die Unterrichtsgestaltung per Video enthält. Weitere Informationen finden Sie in unseren Blogbeiträgen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für Videokonferenzen im Schulunterricht und zu den allgemeinen Anforderungen für Videokonferenzen. Wir halten Sie zu der Thematik natürlich auch gerne weiterhin auf dem Laufenden.