Auch wenn es ab und zu schwerfällt und einem die Freude schon mal vergehen kann, heißt es ab und an: Bitte lächeln! Dann hat mal wieder jemand eine Kamera irgendwo auf- oder eingebaut. Dass für solche Vorhabe eine Beschilderung vorgeschrieben ist, scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben; wenn auch über die inhaltliche Ausgestaltung offenbar noch genug Unwissen herrscht, welches gleich für mehrere Personen ausreichen würde – doch dazu ein andermal.

Hier und heute soll es um ein Ereignis gehen, das mir besonders einprägsam im Gedächtnis geblieben ist. So hatte ein Kollege einen Termin zur Begutachtung einer neuen Videoanlage bei einem Einzelhändler. Positiv zu bemerken ist, dass mein werter Kollege davon in Kenntnis gesetzt worden ist, bevor die Kamera montiert werden sollte – auch nicht immer eine Selbstverständlichkeit. Dieser unser Kunde war sich aber durchaus bewusst, dass Videoüberwachung per se eine sehr sensible Sache ist und stets einen tiefen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen darstellt.

Kameras im Einzelhandel – alles andere als Standard

Es sollte also darum gehen, das Projekt gemeinsam zu besprechen und – idealerweise – mit einer Freigabe durch den Datenschutzbeauftragten abzusegnen. Der Wichtigkeit dieses Vorhaben eingedenk waren auch mehrere Personen zu dem Ortstermin geladen. Neben dem Filialleiter waren u.a. zwei Spezialisten aus der EDV-Abteilung erschienen. Zusätzlich waren zwei Vertreter von dem in China beheimateten Hersteller des zu installierenden Kamerasystems anwesend.

Möglicherweise hätte diese Art der Zusammensetzung bereits stutzig machen können. Jedenfalls wurden die beiden chinesischen Vertriebler nicht müde, immer wieder zu betonen, wie unglaublich intuitiv die Steuerung der Kameras und wie leicht zugänglich die Auswertung der aufgezeichneten Bilder sei. Da besonders der zweite genannte Aspekt die fachliche Aufmerksamkeit meines Kollegen hervorrief, kam das Gespräch in der Runde sehr zügig auf die Frage, wie denn die Daten in der Kamera erfasst und etwaig weitergeleitet oder gespeichert würden, da ja schließlich eine ordnungsgemäße datenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen werden müsse.

Chinesischer Vertrieb vs. europäisches Recht 1:0

Zu meinem Bedauern vermag ich leider den Gesichtsausdruck der beiden Vertriebler nicht mehr recht zu rekonstruieren; er mag sich aber irgendwo zwischen schelmischem Schmunzeln und echtem blanken Unverständnis eingependelt haben. Jedenfalls entfuhr es dem einen der Beiden aus voller Überzeugung, dass personenbezogene Daten hier doch gar keine Rolle spielen würden. „Die Kameras speichern nur die Bilder und arbeiten völlig anonym!“, hieß es.

Ebenso wie der Gesichtsausdruck zuvor ist mir das Geräusch, welches das Herunterklappen der Kinnlade meines Kollegen produziert haben muss, verwehrt geblieben, als er mit dieser Aussage konfrontiert worden ist. Halbwissen in dieser Größenordnung kann gefährlich sein, das vorweg in aller Kürze. Und nein, darüber lässt sich nicht streiten! Von wegen 3 Juristen, 4 Meinungen … die Datenschutz-Grundverordnung ist in dieser Hinsicht an Klarheit und Präzision nicht zu überbieten: So definiert Art. 4 Nr. 2, was als Verarbeitung im rechtlichen Sinne anzusehen ist. Darunter fällt – neben vielem anderen – auch das Erheben oder Erfassen, jeweils die denkbar einfachste Form der Beschaffung von Informationen.

Dass es sich bei aufgenommenen Bildern selbstverständlich um Informationen handelt, die eine einzelne Person identifizierbar machen (denn darauf kommt es ja in aller Regel an, wenn ich als Einzelhändler einen Dieb überführen möchte), sei nur der Vollständigkeit wegen und aus formalen Gründen erwähnt. Auf diese Weise wird schnell klar, dass wir es eben sehr wohl mit einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu tun haben.

In Ländern, in denen Rund-um-die-Uhr-Überwachung und das als ‚Social Score‘ bekannt gewordene Phänomen, das persönliche Verhalten aus Gründen der öffentlichen Ordnung publik zu bewerten, mag diese Erkenntnis überraschen. Das wiederum mag man aus unserer Perspektive entweder als kulturelle Eigenheit oder rechtliche Einfältigkeit ansehen, kurios ist es allemal.