Die Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist aufgrund des erheblichen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Betroffenen eine sehr sensible Maßnahme, an deren Zulässigkeit generell hohe Anforderungen gestellt werden.
In der Stadt Ludwigshafen ist am 15. August 2024 ein mit dem Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (LfDI) Rheinland-Pfalz abgestimmtes Pilotprojekt zur mobilen Videoüberwachung gegen illegale Müllablagerungen im öffentlichen Raum gestartet. Über das Thema Videoüberwachung durch Kommunen an Glascontainern haben wir bereits im vergangenen Jahr berichtet; das nun gestartet Projekt in Ludwigshafen war damals schon in Planung (wir berichteten).
Hintergrund
Vielerorts wird Müll illegal entsorgt und dies stellt Gemeinden und Städte vor erhebliche Herausforderungen. Videokameras könnten diese Problematik eindämmen – einerseits durch die präventive Abschreckung, andererseits durch die nachträgliche Identifikation der Verursacher. Daher stellt eine Videoüberwachung bei Problemen mit illegaler Müllablagerung aus Sicht von Kommunen eine sinnvolle Maßnahme zur Verhinderung bzw. Eindämmung dieser Problematik dar.
Datenschutzrechtliche Herausforderungen
Der LfDI Rheinland-Pfalz informiert auf seiner Website über das Pilotprojekt der Stadt Ludwigshafen und die intensive Einbindung seiner Behörde hierbei. Der Landesbeauftragte, Prof. Dr. Kugelmann, weist zunächst darauf hin, dass der Einsatz von Videokameras an Müllcontainern und Müllsammelstellen grundsätzlich unzulässig und die Videoüberwachung im öffentlichen Raum gesetzlich besonders streng geregelt sei. Hintergrund ist, dass die Videoüberwachung gerade im öffentlichen Raum auch einen erheblichen Anteil von Bürgern überwache, die sich nichts haben zu Schulden kommen lassen.
Doch warum kann das Pilotprojekt in datenschutzrechtlich zulässiger Weise umgesetzt werden?
Besonderheiten bei illegalen Müllablagerungen in Ludwigshafen
Die Stadt Ludwigshafen stützt die Maßnahme auf § 21 Landesdatenschutzgesetz (LDSG) von Rheinland-Pfalz. Nach Abs. 1 der Norm ist die „Verarbeitung personenbezogener Daten mit Hilfe von optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) […] zulässig, wenn dies
- zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, […]
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen entgegenstehen. Bei der Videoüberwachung von Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs-, Bus- und Seilbahnverkehrs gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von sich dort aufhaltenden Personen als ein besonders wichtiges Interesse.“
Nach § 21 Abs. 3 LDSG ist „eine Verarbeitung zu anderen Zwecken […] nur zulässig, soweit dies zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten erforderlich oder dies gesetzlich geregelt ist.“
Wie eingangs beschrieben, betrifft die Problematik illegaler Müllablagerungen nicht nur die Stadt Ludwigshafen – jedoch ist die Müllverschmutzung in Ludwigshafen besonders präsent. So wird Müll illegal sowohl an regulären Müllsammelplätzen abgestellt, als auch in Wohngebieten abgelagert. Dies ist besonders relevant im Hinblick auf gesundheitliche Gefährdungen als auch im Hinblick auf Auswirkungen auf die Umwelt. Die Stadt Ludwigshafen stellt auf ihrer Website zahlreiche Informationen zum Pilotprojekt zur Verfügung, darunter auch das ausführliche „Konzept Videoüberwachung Abfallablagerung“.
Die Stadt legt hier detailliert dar, welche Müllablagerungsprobleme es an welchen Standorten in der Stadt gibt. So wird ausgeführt, dass insbesondere unzulässig abgelagerter Restmüll mit Essensresten Ratten und Ungeziefer anzieht. An einem Standort wurden auch bereits Rattenlöcher gesichtet, die auf einen massiven Ungeziefer- und Rattenbefall hinweisen. Darüber hinaus werden auch eine Vielzahl gefährlicher Stoffe illegal abgeladen, bspw. Bau- und Renovierungsabfälle mit gefahrenrelevanten Bestandteilen wie Asbest, Dämmmaterial oder wasser- und bodengefährdende Flüssigkeiten wie Altöl. Auch Farben, Lacke, Elektroaltgeräte oder gar Mofas wurden in der Vergangenheit illegal im öffentlichen Raum in Ludwigshafen entsorgt.
Aus dem Konzept geht auch hervor, dass die illegalen Müllablagerungen in regelmäßig kurzen Abständen erfolgen und die Stadt Ludwigshafen vor erhebliche Herausforderungen stellen. Die Stadt betont auch, dass insbesondere ein Ratten- und Ungezieferbefall in dicht besiedelten Wohngebieten zu unhygienischen Zuständen führt. Aus dem Konzept wird deutlich, dass durch die illegalen Müllablagerungen erhebliche Gefahren für Gesundheit und Umwelt gesehen werden, die zu verhindern sind.
Laut LfDI Rheinland-Pfalz hat die Stadt Ludwigshafen die beschriebenen Probleme mit illegalem Müll in der Vergangenheit schon mit verschiedensten Ansätzen bekämpft, die leider nicht den gewünschten Erfolg brachten. So erfolgten bspw. Kontrollgänge durch Müllsheriffs. Darüber hinaus bietet die Stadt umfangreiche Beratungsangebote für die Müllentsorgung an und hat die Thematik auch in ihre Öffentlichkeitsarbeit einbezogen. Insofern wurden in der Vergangenheit bereits verschiedene Maßnahmen gegen die illegalen Müllablagerungen ergriffen, die eine geringe Eingriffsintensität in die Rechte und Freiheiten der Bürger darstellen. Es wurden also bereits mildere Mittel ergriffen, die aber erfolglos ausgeschöpft wurden.
Datenschutzkonforme Umsetzung des Pilotprojekts
Der LfDI Rheinland-Pfalz wurde nicht nur vorab in die Konzepterstellung eingebunden, sondern wird das sechsmonatige Pilotprojekt auch begleiten und anschließend evaluieren.
Wichtig zu wissen: Es wurden zahlreiche technische und organisatorische Maßnahmen zum Schutz für die Bürger getroffen, die nicht Verursacher der illegalen Müllablagerungen sind. Nach dem abgestimmten Konzept erfolgt bspw. nur an ausgewählten Orten eine mobile Videoüberwachung. Mittels Hinweisschildern wird zudem auf den Umstand der Überwachung hingewiesen. Bestimmte Bereiche, wie Spielplätze oder die Eingangsbereiche von Gebäuden oder Häusern, unterfallen nicht der mobilen Videoüberwachung. Die Aufnahmen erfolgen verpixelt; nur bei einem konkreten Verdacht auf eine illegale Müllablagerung kann die Verpixelung entfernt werden. Dies geschieht dann im Vier-Augen-Prinzip. Die reguläre Speicherdauer ist auf max. 30 Tage begrenzt, es sei denn, einschlägige Aufnahmezeiträume werden für ein Ordnungswidrigkeitenverfahren benötigt.
Wir sind gespannt auf die Evaluierung des Pilotprojekts und werden hierüber berichten.
Für Kommunen könnte darüber hinaus unser Beitrag zur datenschutzkonformen Ausgestaltung von sog. „Mängelmeldern“ interessant sein, mit dem auch Informationen zu illegalen Müllablagerungen an die zuständigen Behörden weitergegeben werden können.
Anonymous
26. August 2024 @ 13:12
Schmeiß ich meinen Müll halt 20m weiter hin. Steht ja ein Schild wo ich in Ruhe entsorgen kann.
Anonymous
26. August 2024 @ 12:57
Interessant wird es dann, wenn die Kameras eine schwerwiegende Straftat filmen, die nichts mit dem Zweck des „Erfassen des rechtswidrigen Müll-Abladens“ zu tun hat. Dann wird es faktisch kaum durchzuhalten sein, die Täter durch „Verpixelung“ zu schützen. Der Datenschutz steht hier mal wieder eher am Ende einer Kette gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, die am Anfang verhindert werden müssten. Ich wünsche den Betreibern trotzdem viel Erfolg. Als „Beifang“ kann ja es sogar sein, dass der Überwachungsdruck potentielle Täter schwererer Straftaten abschreckt. Es bleibt aber alles in allem eine traurige Bestandsaufnahme, dass wir es mittlerweile nötig haben zu hoffen, dass sich Straftäter von Videoaufzeichnungen abhalten lassen. Die kriminelle Energie erlischt dadurch meistens nicht, sondern wird in „unbefilmten“ Bereichen ausgelebt.