Die Stadt Mannheim startet wohl noch in diesem Jahr ein großes Pilotprojekt mit intelligenter Videoüberwachung an verschiedenen lokalen Brennpunkten. Insgesamt sollen 71 Kameras an 28 Standorten installiert werden, um dort die Straßenkriminalität zu bekämpfen. Das auf 1,1 Millionen Euro veranschlagte Konzept präsentierte vor wenigen Tagen der Erste Bürgermeister der Stadt, Christian Specht (CDU) in Zusammenarbeit mit der Polizei und dem Frauenhofer-Institut.
Das bekannte Karlsruher Institut entwickelt gerade das eingesetzte intelligente Computerprogramm, welches später das erfasste Videomaterial anhand von Algorithmen und deep Learning-Prozessen auswerten soll. Doch auf die Mitwirkung der Polizei soll nicht gänzlich verzichtet werden, vielmehr sitzen die Polizeibeamten direkt vor den Bildschirmen und können, sofern ein Alarm ausgelöst wird, das Videomaterial direkt betrachten und die Kollegen zu dem etwaigen Tatort hinbeordern. Der Mensch soll auch in Zukunft nicht ersetzt werden.
Transparenz in Punkto Datenschutz und Datensicherheit
Angesichts der Kritik am Pilotprojekt am Berliner Bahnhof Südkreuz wolle man möglichst transparent über die Überwachungssysteme informieren, betonten die Beteiligten immer wieder. Deshalb stellten Specht und der Polizeipräsident Thomas Köber einige technische Eckpunkte der Anlage vor: Demnach würde weder eine Gesichtserkennung noch eine Tonaufnahme stattfinden. Das Sicherheitskonzept sieht vor, dass die Videobilder verschlüsselt durch ein Glasfaserkabel zum Lagezentrum der Polizei übermittelt würden. Nach 72 Stunden soll das Videomaterial wieder gelöscht werden, was auch den Forderungen der Aufsichtsbehörden entsprechen dürfte. Zudem weisen Schilder an den betroffenen Orten auf die Videoüberwachung hin, die nach Vorstellung der Verantwortlichen auch eine gewisse Abschreckungswirkung entfachen sollen.
Gleichwohl stellt bereits das Erfassen einer erkennbaren Person durch eine Videokamera wie auch eine mögliche Feststellung von personenbezogenen Merkmalen eine Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO darstellt – selbst wenn die Erfassung und Auswertung nur wenige Millisekunden dauert. Eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Videoüberwachung könnte sich derzeit aus § 21 PolG des Landes Baden-Württemberg ergeben. Die Maßnahme müsste sich ab Mai an der DSGVO und den novellierten Landesgesetzen orientieren. Würde ein System darüber hinaus noch zusätzliche offenkundige Umstände zur Person diagnostizieren, wie z.B. das Tragen einer Brille oder Sitzen im Rollstuhl, wäre eine besondere Kategorie personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten) betroffen, die nach Art. 9 DSGVO noch an höhere Anforderungen der Datenverarbeitung geknüpft ist.
Sofern die Software jedoch gar keine Gesichter darstellt oder die Person nur grob ohne individuell eindeutig erkennbare Merkmale skizziert, verringern sich diese datenschutzrechtlichen Bedenken. Ganz aus der Welt sind diese bei einer derartigen intelligenten Videoüberwachung jedoch nicht.
Der Überwachungsdruck bleibt
Denn der Überwachungsdruck (vgl. VG Hannover, Urteil vom 9.6.2016, Az.: 10 A 4629/11) ausgehend von den öffentlichen Kameras lässt sich auch dann nicht von der Hand weisen, wenn keine Gesichtserkennung zum Einsatz kommt. Immerhin löst bereits eine hektische Bewegung oder ein auffälliges Verhalten ein Signal aus. „Dem System wird beigebracht, bei schädlichem Verhalten Alarm zu schlagen“, konstatiert der Erste Oberbürgermeister von Mannheim. Ein schnelles Wegrennen wie auch das längere Warten an bestimmten Plätzen kann unter Umständen schon dazu führen, dass die Software einen Dieb bzw. Drogendealer vermutet. Die Fehlerquote dürfte zwar angesichts des lernenden Systems stetig verringert werden. Das Restrisiko durch bestimmte Bewegungsabläufe als Verdächtiger eingestuft zu werden, bleibt jedoch auch weiterhin bestehen. So könnten sich also die Anwohner zum unauffälligen, angepassten Gang durch die erfassten Zonen genötigt sehen – oder die Orte gänzlich meiden. Beides stellt eine Einschränkung in der Bewegungsfreiheit des Menschen dar (Art. 2 Abs. 2 GG).
Es wird sich zeigen, ob und inwiefern der „Mannheimer Weg 2.0“ positiv ausfällt und sich weitere Städte diesem Konzept anschließen werden.