Was haben Datenschutz und Virtual Reality miteinander zu tun? Schon heute mehr, als man vielleicht denkt. Und was beide Begriffe künftig miteinander zu tun haben, ist kaum absehbar. Aber fangen wir von vorne an:

Ich habe meine erste Virtual Reality Brille im März 2014 bestellt. Das Oculus Rift Development Kit 2. Gedanken über den Datenschutz, machte ich mir damals keine. Genau vier Tage nach meiner Bestellung meldete sich jedoch Mark Zuckerberg über Facebook zu Wort und verkündete die Übernahme von Oculus VR. Ab jetzt war Datenschutz tatsächlich ein Thema. Zuckerbergs Vision von Virtual Reality als Kommunikationsplattform, schien jedoch noch weit entfernt:

„After games, we’re going to make Oculus a platform for many other experiences. Imagine enjoying a court side seat at a game, studying in a classroom of students and teachers all over the world or consulting with a doctor face-to-face — just by putting on goggles in your home. This is really a new communication platform. By feeling truly present, you can share unbounded spaces and experiences with the people in your life.“

Zwei Jahre später, habe ich mit AltspaceVR und RecRoom die ersten Social VR-Anwendungen erlebt und mich dank der Room Scale Funktion der HTC Vive auch viele Stunden in einer dieser Umgebungen bewegt. Und um ehrlich zu sein: Mein Eindruck ist, dass Social VR tatsächlich funktionieren könnte.

Nehmen wir die Anwendung RecRoom als Beispiel. Mit einer HTC Vive auf dem Kopf, zwei Controllern in den Händen und einem aufgebauten Lighthouse System, dass eine Spielfläche von 12m² in der echten Welt einmisst, startet die Social VR-Erfahrung. Ich beginne in einem Raum – noch alleine – und gestalte meinen Avatar, den ich im Spiegel sehe. Kurze Zeit später gehe ich durch eine Tür und sehe andere Avatare in einem Raum, die mit Gegenständen interagieren, sich gegenseitig zuwinken oder sich sogar miteinander unterhalten. Das VR-System erkennt dabei in nahezu Echtzeit mithilfe von Infrarotlasern und Photosensoren die Lage meiner Controller und VR-Brille im Raum sowie deren Bewegungen. Diese Form des Motion Capturings funktioniert so gut, dass ich binnen kurzer Zeit sogar virtuelle Gegenstände mit den Händen jonglieren kann. Schnell erregt dies die Aufmerksamkeit anderer Nutzer und die Kameras werden ausgepackt. Denn RecRoom macht insofern seinem Namen alle Ehre und legt virtuelle Kameras aus, mit denen wahlweise animierte GIFs oder ganze Videos im VR Room aufgezeichnet und auf der Festplatte abgelegt werden können. An dieser Stelle bin ich das erste Mal erleichtert, dass nicht mein echter Name über dem Kopf meines Avatars schwebt, sondern nur mein Pseudonym.

Wenig später höre ich auf zu jonglieren und stelle mich zu zwei Avataren, die in ein Gespräch vertieft sind. Ich höre zu und mache mir lautstark Gedanken, wie die beiden neben der VR Brille wohl noch ihr Mikrofon angeschlossen haben. „We can hear you …“ dröhnt es aus meinem Kopfhörer und mir wird klar: Die Brille hat ein eingebautes Mikrofon, welches mit dem Betreten der Anwendung aktiviert wurde. Freundlich erklären mir die beiden Avatare auf Nachfrage, dass man es auch ausschalten oder auf Push-to-Talk umschalten kann. In der Ausgangseinstellung ist es in der Anwendung aber aktiviert. Ich brauche mir also keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie ich ein Mikrofon anschließen kann. Stattdessen mache ich mir Gedanken über Standardeinstellungen, fehlende Hinweistexte und das Telefonat, für welches ich die VR Brille kurzzeitig beiseitegelegt hatte und das ich geführt habe, ohne mich auszuloggen, …

Wenig später bin ich wieder abgetaucht und erahne das Potential von Social VR. Ich setze einen anderen Avatar, bzw. eine andere Person, die auch mit virtuellen Dingen jonglieren kann, auf meine „Freundesliste“.

Noch ein wenig später scheinen mir VR-Learnings, Telepresence Meetings oder sogar VR-Fitnesskurse vorstellbar. Ich frage mich für den Hauch einer Sekunde tatsächlich, warum es eigentlich keine Statistiken zum Aktivitätslevel meiner letzten VR-Session gibt, in der ich eine gute Stunde Paintball mit anderen Nutzern zusammengespielt habe – echter Muskelkater inklusive. Ein Gefühl für das, was Social VR ausmachen könnte entsteht.

Ich logge mich aus. Die Spieleplattform Steam zeigt mir an, dass mein neuer „Freund“ unter seinem Pseudonym noch online ist. Arstechnica meldet beinahe zeitglich, dass Facebook nun die eigene VR-Plattform „Oculus Store“ noch stärker mit Facebook verknüpfen möchte. Facebook „Freunde“ sollen sich so noch leichter und mit ihren Klarnamen über die VR-Plattform finden können. Innerhalb der einzelnen VR-Anwendung könne man aber ruhig ein Pseudonym nutzen. Ob das auch für die auf der letzten Facebook Developer Conference vorgestellte Eigenentwicklung Oculus Social VR gilt? Und welche Daten sammelt Oculus respektive Facebook über die VR-Nutzung eigentlich? Dienen diese langfristig sogar der Monetarisierung durch Verbesserung des Social Graph? Auch Datenschutzportale wie Youngdata äußern an dieser Stelle Befürchtungen.

Es scheint noch vieles denkbar. Ist es mit verbesserten Motion Capturing Lösungen, wie z.B. von Perception Neuron, in Zukunft vielleicht sogar realistisch, dass sich Krankenkassen für Bewegungsdaten interessieren, die nicht nur einen Aktivitätslevel abbilden? Können anhand der Motion Capturing Daten nicht vielleicht auch Störungen im Bewegungsapparat diagnostiziert werden? Was ist, wenn Kameras ins Spiel kommen und aus der Virtual Reality-Erfahrung, Augmented Reality-Erfahrungen werden?

Die Möglichkeiten und Anwendungsbereiche erscheinen enorm. Ich persönlich freue mich auf die Zukunft von Social VR. Die datenschutzrechtlichen Fragen, die in Zukunft relevant werden können, dürfen dabei aber nicht außer Acht gelassen werden.