Der EuGH hat in einer viel beachteten arbeitsrechtlichen Entscheidung bestimmt, dass die Mitgliedstaaten der EU die Arbeitgeber verpflichten müssen, „ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzuführen, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann“. Das Gericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die Mitgliedsstaaten dabei Besonderheiten für Tätigkeitsbereiche oder Unternehmen berücksichtigen können, unter anderem die Größe der Unternehmen.

Auswirkungen auf Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice

Für das deutsche Arbeitsrecht wird nun diskutiert, welche Auswirkungen dies auf Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice hat. Einerseits wird lautstark vorgebracht, dass damit Vertrauensarbeitszeit und Homeoffice nicht mehr möglich sei. Andererseits wird dagegen vorgebracht, dass es genügend moderne Mittel wie Apps oder Softwareprogramme gebe, die eine systematische Erfassung der Arbeitszeit auch im Homeoffice ermögliche.

In der Tat stellt sich insbesondere die Frage, wie Arbeitszeiten von Mitarbeiterinnen und -mitarbeitern im Außendienst oder im Homeoffice erfasst werden sollen. Vor allem für solche Situationen, in denen Beschäftigte einmal kurz am Smartphone im Wartezimmer des Arztes eine dienstliche E-Mail lesen oder unterwegs dienstlich im Internet recherchieren, muss überlegt werden, wie fein so ein System das Arbeitsverhalten der Beschäftigten erfassen muss. Denn in solch einer Situation könnten sich die Beschäftigten durch den Arbeitgeber überwacht fühlen.

Überwachung von Beschäftigten im Lichte der Grundrechte

Im Lichte der Grundrechte ist die nationale, gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur Vollüberwachung zu berücksichtigen. So hat das BAG zur Videoüberwachung darauf hingewiesen, dass die Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu berücksichtigen seien: „Die mit der elektronischen Datenverarbeitung grundsätzlich verbundenen technischen Möglichkeiten, Einzelangaben über eine Person unbegrenzt zu speichern sowie jederzeit abzurufen, sind geeignet, bei den betroffenen Personen einen psychischen Anpassungsdruck zu erzeugen, durch den sie in ihrer Freiheit, ihr Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt werden.“ Daher müssten bei einem Eingriff in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigen die Freiheitsrechte berücksichtigt werden.

Der EuGH hat in seinem aktuellen Urteil argumentiert, dass das Recht eines jeden Beschäftigten auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten ausdrücklich in Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta verbürgt ist. Die EU-Richtlinie 2003/88, die die Arbeitszeiten regeln soll und die Grundlage für die nationalen Gesetze der Arbeitszeitregelungen ist, sei daher im Lichte dieses Grundrechts auszulegen. Ausdrücklich weist der EuGH in der Entscheidung auf den Zweck der Richtlinie hin, nämlich den „besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer“.

Auch die vom BAG in seiner Entscheidung der Videoüberwachung angesprochenen Persönlichkeitsrechte finden sich in der EU-Grundrechtecharta in Art. 7 und 8 wieder. Danach hat jede Person das Recht auf Achtung ihres Privatlebens und das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Diese Grundrechte sind bei der Ausgestaltung eines vom EuGH geforderten Systems zur Messung der Arbeitszeit zu berücksichtigen.

Es gilt also daher bei der Ausgestaltung eines solchen Systems die strenge Zweckbindung der Datenverarbeitung zu beachten. Die Beschäftigten dürfen nicht unter Anpassungsdruck geraten, wenn die Software Arbeitszeiten aufzeichnet. Dies kann bspw. dadurch erfolgen, dass für den Arbeitgeber aus den Daten nur ersichtlich ist, dass der Beschäftigte gearbeitet hat, aber nicht der Inhalt der Arbeitstätigkeit protokolliert wird. Es kann vorgesehen werden, dass die Beschäftigten ihre Zeiterfassungsdaten bearbeiten dürfen, und es können Besonderheiten oder Ausnahmen für kleine und mittlere Unternehmen oder für bestimmte Branchen vorgesehen werden. Gewisse Ausnahmen sind bereits in Art. 17 der Richtlinie 2003/88 enthalten, auf die sich der EuGH in seinem Urteil gestützt hat. Das Urteil lässt eine weitgehende Berücksichtigung von Besonderheiten einzelner Branchen zu, wie z.B. von Bereitschaftsdiensten im Krankenhaus, oder von vertraglichen Vereinbarungen, etwa wenn die Dauer der Arbeitszeit vom Mitarbeiter selbst bestimmt werden kann. Nach Art. 18 der Richtlinie 2003/88 können durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag angemessene Abweichungen vorgesehen werden, das ist in § 7 Arbeitszeitgesetz bereits vorgesehen.

Nicht in Aktionismus verfallen

Der EuGH verweist ausdrücklich auf Spielräume der Mitgliedstaaten bei der Verpflichtung der Arbeitgeber auf den Einsatz von Zeiterfassungssystemen. Sollten Arbeitgeber dennoch tätig werden wollen, bevor der Gesetzgeber die Entscheidung des EuGH im Arbeitszeitgesetz umsetzt, sollten sie die Vorgaben des EuGH beachten und aus datenschutzrechtlicher Sicht die strenge Zweckbindung der Datenverarbeitung ebenso berücksichtigen, wie die Eingriffsintensität in die Rechte der Beschäftigten durch eine detaillierte Zeiterfassung.