Die Bundesregierung hat den von ihr favorisierten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung zwar dem Bundestag zugeleitet, eine endgültige Verabschiedung durch den Bundestag wird aber frühestens im September erfolgen. Dies teilte der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion Thomas Oppermann bereits Anfang Juni mit. Grund seien viele Bedenken, für die man genügend Beratungszeit benötige.

Bedenken allerorten…

So hat sich die Konferenz der Datenschutzbeauftragten der Länder und des Bundes gegen die Vorratsdatenspeicherung positioniert und hob in einer Entschließung hervor, dass durch die Vorratsdatenspeicherung massiv in die Freiheitsrechte aller Menschen unabhängig von einem konkreten Verdacht eingegriffen werde. Sie könne nicht erkennen, dass die Regelungen grundrechtlichen Anforderungen genügen, was namentlich besonders für die Kommunikation mit Berufsgeheimnisträgern (z.B. Abgeordneten, Ärzten, Rechtsanwälten und Journalisten) gelte.

Auch haben sich Medienverbände und Medienunternehmen wie ARD und ZDF in einer gemeinsamen Pressemitteilung gegen die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Die Speicherung von Telefonnummern, IP-Adressen und Standortdaten untergrabe den Schutz der Informanten, zu dem Journalistinnen und Journalisten und andere Medienmitarbeiter berechtigt und ethisch verpflichtet seien. Weiter kritisieren die Medien den fehlenden Schutz von Berufsgeheimnisträgern.

Aus dem gleichen Grund lehnt der Deutsche Anwaltsverein die Vorratsdatenspeicherung ab. In einer Stellungnahme wies er zudem darauf hin, dass sich nach dem Entwurf insbesondere Journalistinnen und Journalisten bei Ausübung ihres Berufes der Datenhehlerei strafbar machen könnten.

Bundesdatenschutzbeauftragte hat erhebliche verfassungsrechtliche und europarechtliche Bedenken…

Detaillierte Bedenken wurden insbesondere von der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff (CDU) formuliert. In Ihrer Stellungnahme für den Bundestag stellt sie fest, dass der Entwurf ihre bereits geäußerten Bedenken an der Vorratsdatenspeicherung (wir berichteten) nicht ausräumen konnte.

Vielmehr rügt sie die kurze Frist, die ihr für eine Stellungnahme gewährt worden war als inakzeptabel. Weiter formulierte sie erhebliche Zweifel daran, dass die Vorratsdatenspeicherung überhaupt zur Bekämpfung von Straftaten geeignet ist. So weist sie darauf hin, dass gerade Internet-Cafés, Restaurants oder Hotels, die WLAN Zugänge anbieten, nicht von der Speicherpflicht im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erfasst werden. Ebenso sollen E-Mail Verkehrsdaten nicht zu den zu speichernden Daten gehören. Auch würden Messengerdienste wie WhatsApp, der von fast 60% aller mobilen Internetnutzer verwendet werde, nicht unter die Vorratsdatenspeicherung fallen. Unterstelle man den Kriminellen nicht eine ausgeprägt fehlende Intelligenz, so sei zu erwarten, dass sie diese Lücken nutzen werden.

Weiter weist Frau Voßhoff darauf hin, dass es bereits in der Vergangenheit eine Vorratsdatenspei­cherung gegeben hat. Dabei sei ein Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, dass die damalige Vorratsdatenspeicherung zu keiner messbaren Effektivitätssteigerung bei der Strafverfolgung geführt habe. Dass nun eine zum Vergleich zur damaligen Vorratsdatenspeicherung eingeschränkte Neuauflage die Effektivität steigern soll, sei zu bezweifeln.

Aber die Kritik geht noch weiter. So führt sie ins Feld, dass die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, das im Jahre 2010 die damalige Vorratsdatenspeicherung für rechtswidrig erklärte, nicht eingehalten worden sind. So stellte das Bundesverfassungsgericht klar, dass eine vorsorglich anlasslose Speicherung der Telekommunikationsverkehrsdaten nur dann verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn diese eine Ausnahme bleibt und zusammen mit anderen Daten eben nicht zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen darf. Genau diese Bedingung, so Frau Voßhoff, werde aber im Rahmen der Überwachung der Internetnutzung außer Acht gelassen, da ein umfangreicher Datenpool über die Verpflichtung zur Speicherung von IP-Adressen geschaffen werde (neben der IP-Adresse zur klassischen Internetnutzung findet eine Datenspeicherung bei VoIP-Telefonie statt). So werde es den Sicherheitsbehörden ermöglicht zumindest über mehrere Wochen das Surfverhalten der Internetnutzer äußerst detailliert zu überwachen.

Neben den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden aber auch die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs schlichtweg ignoriert. So forderte das Gericht, die Vorratsdatenspeicherung unter anderem auf betroffene Personen zu beschränken, die in irgendeiner Weise in eine schwere Straftat verwickelt seien. Dies werde, so Frau Voßhoff in ihrer Stellungnahme, weder in den zu ändernden Vorschriften noch in der Gesetzesbegründung thematisiert. Damit würden aber die Grundrechte aus der EU-Grundrechtecharta auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Artikel 7 und dem Schutz personenbezogener Daten in Artikel 8 missachtet.

Zusammenfassend zieht daher die Bundesdatenschutzbeauftragte die Eignung der Vorratsdatenspeicherung in Zweifel und geht von einem Verstoß gegen höchstrichterliche Rechtsprechung aus.

Die Regierungsparteien stehen zur Vorratsdatenspeicherung…

Während die CDU/CSU sich bereits in der Vergangenheit für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hatte, war zuletzt im Vorfeld eines SPD-Parteikonvents Unmut in der Partei zu hören gewesen (wir berichteten).

In der Zwischenzeit hat der Parteikonvent der SPD am 20 Juni mit 124 Stimmen dafür und 88 Ablehnungen der Vorratsdatenspeicherung zugestimmt, nachdem der SPD-Chef Sigmar Gabriel indirekt mit Rücktritt gedroht hatte.

Das Gesetz kommt. Fraglich ist, wie lange es Bestand hat…

Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Entwurf nach der Sommerpause im Bundestag verabschiedet und danach Gesetz wird. Ebenso steht außer Zweifel, dass auch gegen dieses Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Klage vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben wird. Ob es Bestand haben wird, ist wohl mehr als zweifelhaft.