Einige unserer Kunden haben in den letzten Tagen Abmahnungen von einer CREDICON Ltd. vertreten durch den Direktor Rainer Deyhle, Registration No.: 08013596, 196 High Road London, N22 8HH United Kingdom erhalten.
Inhalt der Schreiben
Angeblich verletzten die Webseiten unserer Kunden Herrn Deyhle in seinen Persönlichkeitsrechten, weil Google Analytics eingesetzt werde, nicht aber die IP-Adressen der Besucher – wie von den Datenschutzaufsichtsbehörden empfohlen – anonymisiert würden.
Das Schreiben nimmt Bezug auf einen Beschluss des Landgerichts Hamburg, der es einem Webseitenbetreiber untersagt, Google Analytics einzusetzen, ohne die Nutzer in einer Datenschutzerklärung darüber zu informieren.
Das großzügige Angebot der CREDICON Ltd.: die Vorwürfe werden gegen Einmalzahlung in Höhe von 249,00 € fallengelassen.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass ein weiterer Vergleichsvorschlag nicht erfolge, der Streitwert bei 20.000 € liege (das soll wohl implizieren, dass CREDICONs Angebot günstig ist) und von einem persönlichen Kontakt unter allen Umständen abzusehen sei. Stattdessen solle bei Rückfragen ein Rechtsanwalt Günter Porzner aus Eppingen-Rohrbach angeschrieben werden (eine Telefon oder Faxnummer fehlt).
Was ist zu tun?
Wir als Unternehmen würden den Vergleich sicher ablehnen. Das Schreiben erscheint unter mehreren Gesichtspunkten fragwürdig.
- Es ist bereits fraglich, ob CREDICON entsprechende Ansprüche geltend machen kann. Juristen sprechen hier von einer sogenannten Aktivlegitimation. Nicht jeder Mensch in London oder auf den Molukken kann sich nämlich auf vermeintliche Verletzungen deutscher Datenschutzregelungen berufen.
- Der im Schreiben zitierte Beschluss des Landgerichts Hamburg betrifft einen gänzlich anderen Fall. Das Landgericht Hamburg hat im einstweiligen Rechtsschutz festgestellt, dass Google Analytics nicht genutzt werden darf, wenn darauf in der Datenschutzerklärung nicht hingewiesen wird.
a) dieser Sachverhalt ist nicht vergleichbar mit der von CREDICON unterstellten fehlenden Anonymisierung von IP-Adressen per Skript.
b) Im einstweiligen Rechtsschutz genügt es, wenn der Antragssteller seinen Anspruch „glaubhaft“ macht. Erst im Hauptsacheverfahren sind dann die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Soweit erkennbar ist es zu einem Hauptsacheverfahren nicht gekommen. Aus guten Gründen: - Der Anspruch dürfte kaum zu beweisen und damit durchsetzbar sein: In einem Hauptsacheverfahren müsste CREDICON nämlich den Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte BEWEISEN. Dazu müsste CREDICON darlegen, welche personenbezogenen Daten konkret an Google übermittelt werden (schwierig), es müsste das Gericht überzeugen, dass IP-Adressen für Google personenbezogen sind (auch nicht ganz einfach nach dem Breyer Urteil des EuGH. CREDICON müsste weiter beweisen, dass durch die Übermittlung datenschutzrechtliche Regelungen verletzt werden (auch schwierig: Google ist dem EU-US-Privacy Shield beigetreten und hält sich damit an europäische Datenschutzgrundsätze.
- Ganz abgesehen von juristischen Argumenten erscheint das Schreiben doch recht windig:
CREDICON Ltd. ist laut UK-Handelsregister eine „dormant company“ aus London, gegründet 2012 als „WESTERN DIGITAL LTD“. Innerhalb des ersten Jahres wurden vier unterschiedliche Geschäftsführer ernannt. Anfang 2013 wurde die Gesellschaft dann in CREDICON umbenannt. Eine Geschäftstätigkeit ist nicht erkennbar. Am 13.02.2017 wurde dann Herr Rainer Deyhle Geschäftsführer und Ende Februar begannen die Abmahnungen. Herr Deyhle residiert laut Handelsregister in Deutschland.
Das erklärt ggf. auch die Tatsache, dass eine persönliche Kontaktaufnahme unter keinen Umständen erwünscht ist.
Gänzlich unüblich ist auch die Bezugnahme auf einen Gerichtsbeschluss per Screenshot aus einem Firmenblog. Üblich wäre es, den Beschluss im Original oder zumindest als Abzug aus einer juristischen Datenbank beizulegen.
Noch dubioser wird es bei einem beiliegenden Auszug (woraus eigentlich?) in der plötzlich von einer „CREDICON Digital Datenschutz Ltd.“ ein Aktenzeichen (4008/17) und eine Klasse (KW3/hd) mit Anzeigedatum (13.3.2017) die Rede ist. Wem gegenüber die Anzeige erstattet wurde, wer das Aktenzeichen und die Klasse vergeben hat, bleibt im Dunkeln.
Auch interessant: Die Anschrift der CREDICON wurde in der Vergangenheit auch bereits im Zusammenhang mit anderen „Abmahnungen“ der sogenannten „Berliner Anwalts AG“ genutzt. Die im Handelsregister angegebene Anwaltskanzlei als Korrespondenzadresse (Adam & Frey LLP) und die laut Register dahinterstehenden Person hat nach dieser Quelle zumindest eine interessante Historie als „directors“.
Allem Anschein nach, soll hier die schnelle Mark gemacht werden. Die Spekulation ist wohl, dass Unternehmen geneigt sind, sich durch Zahlung eines Betrages in Höhe von 250 € Ärger vom Hals zu halten, statt sich in diese Materie einzuarbeiten.
Melden Sie sich bei Fragen gerne bei uns.
Update 05.04.2017: hier finden Sie ein Update zur Abmahnwelle
Andreas
16. Januar 2018 @ 10:56
Habe auch eine Abmahnung erhalten. DIeses mal, ohne Creditcon sondern nur von Rainer Deyhle. Was nun, hat jemand eine Rückantwort dazu?
„Digitale“ Chancengerechtigkeit für junge Menschen, die in Deutschland eine Selbstständigkeit anstreben? - Matthias Andrasch
27. Juli 2017 @ 15:24
[…] 249,00€ gefordert wird, weil die IP-Anonymisierung bei Google Analytics nicht aktiviert wurde: „Das großzügige Angebot der [Unternehmensname des Abmahnenden].: die Vorwürfe werden gegen Einm…. Berufen tun sich die Abmahnenden hierbei auf ein Urteil des Landgerichts […]
Micha
2. Mai 2017 @ 22:38
Kein Grund zur Panik, die Herren haben alles so unprofesionell eingefädelt, dass kein Gericht in Deutschand sicn darauf einlassen wird.
Es ist einfach ein netter Versuch, Leute abzuzocken. Wer drauf rein fällt: selbser Schuld
Anonymous
8. April 2017 @ 18:11
Die Abmahnung beinhaltet den Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte. Nach Deutschem Recht ist das Persönlichkeitsrecht ein Grundrecht, das dem Schutz der Persönlichkeit einer Person vor Eingriffen in ihren Lebens- und Freiheitsbereich dient. Ist das wirklich passiert durch fehlende Anonymisierung? Mich würde interessieren, wie da die Rechtssprechung ist. Angenommen, es liegt ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht vor, dann wurde eine Straftat begangen. Gegen eine Zahlung in Höhe von 249 € und neuerdings 349 € will Herr Deyhle diese Straftat gegen Geldzahlung vertuschen helfen. Wie nennt man das? Ist das womöglich eine Straftat?
Heiko Westermann
5. April 2017 @ 14:19
Hallo,
wir haben auch so ein Schreiben aus London bekommen und gedacht es handelt sich um irgendeinen neuen Enkeltrick oder so, und den Brief in den Eimer geworfen.
Nun haben wir aber auch eine Unterlassungserklärung über 1100€ bekommen und waren damit bei unserem Anwalt. Der sagte, dass das System auf unserer Webseite sehr wohl das Persönlichkeitsrecht aller Besucher der Seite verletzen würde, und dass die Sache in Hamburg auch so schon entschieden wurde. Wir sollen das System sofort umstellen.
Wir haben ihm auch die Kommentare im Netz gezeigt. Er meint hier wird immer davon ausgegangen, dass diese dubiose Firma aus London nicht anspruchsberechtigt sei. Wir haben die Unterlassungserklärung jetzt aber von dem windigen Director Rainer Deyhle persönlich bekommen, und nicht von dieser Firma aus London. Und Privatpersonen sind nach unserem Anwalt sehr wohl anspruchsberechtigt.
Auch sagte der Anwalt, dass theoretisch jeder Besucher unserer Webseite einen solchen Anspruch gegen uns hat, und wir auch von anderen Leuten solch ein Schreiben bekommen könnten, etwa auch von allen anderen Mitarbeitern dieser Credicon LTD.
Anderen Artikel hier im Internet zu diesem Abmahntrick sagen auch alle dass Google Analytics nur anonymisiert verwendet werden darf.
Ich würde hier allen Betroffenen empfehlen sofort nach Erhalt des ersten Schreibens einen Rechtsanwalt aufzusuchen, das Ganze ist scheinbar nicht so einfach vom Tisch.
Was soll ich tun, könnt ihr mir raten? Hat schon Jemand Erfahrungen gemacht?
Gruss Heiko
Peter Suhren
5. April 2017 @ 14:50
Hallo Herr Westermann,
vielen Dank für Ihren Bericht aus der Praxis. Es stimmmt: grundsätzlich sollten lediglich anonymisierte IP-Adressen von Webseitennutzern erhoben werden. Darüber haben wir wiederholt in unserem Blog berichtet. Dass Webseiten Datenschutzerklärungen enthalten müssen, dürfte auch bekannt sein. Ihr Anwalt hat weiter Recht, wenn er auf den Beschluss des Landgerichts Hamburg hinweist. Das LG hat in einem vorläufigen Verfahren (zum einstweiligen Rechtsschutz) beschlossen, IP-Adressen seien zu anonymisieren.
Richtig ist aber auch:
1. Der Beschluss des Landgerichts Hamburg betrifft einen abweichenden Sachverhalt, u.a. fehlte eine Datenschutzerklärung.
2. Im einstweiligen Rechtsschutz muss der Antragssteller den Anspruch nur glaubhaft machen und nicht beweisen.
3. Der „Anspruch“ vor Gericht wird schwer zu beweisen sein.
4. Bislang wurde nach unserer Kenntnis keine Gerichtsentscheidung veröffentlicht, nach der in einem Hauptsacheverfahren (!) Schadensersatz in dieser Sache zugesprochen wurde.
5. Die Umstände des Schreibens Ungereimtheiten aufweisen und die hinter den Schreiben stehenden Personen z.T. auch in andere Abmahnwellen involviert gewesen zu sein scheinen.
Mir ist nicht ganz klar, was Ihnen Ihr Anwalt nun geraten hat. Wir raten allen Beteiligten, kurzfristig IP-Adressen von Webseitenbesuchern zu anonymisieren oder auf Webtracking zu verzichten und eine Datenschutzerklärung einzubinden. Sollte der Rechtsanwalt im Namen seines Mandanten tatsächlich eine Klage anstrengen, freuen wir uns über Mitteilung.
A.Y.
30. März 2017 @ 13:24
Vielen Vielen Dank für Eure Zeit und Bemühungen.
Schön, das es liebe Menschen wie Euch gibt 🙂
A.Y.
29. März 2017 @ 22:23
Guten Abend,
meine Schwester hat ein Friseur Laden, und ich habe ihr eine WordPress Webseite gebaut. Heute hat Sie auch so ein Schreiben mit ein Einmalzahlung in Höhe von 349,00 Euro erreicht.
Ich habe deswegen große Probleme mit meiner Schwester.
Bitte euch um Helfe, wie soll ich jetzt vorgehen?
Als ich die google analytics plugin installiert habe, habe alles richtig eingestellt, wie im Tutorail Video.
Kann mann google deswegen verantwortlich machen? Es gab kein Hinweis deswegen.
Vielen Dank für Eure Zeit und Mühe im Voraus.
A.Y.
Daniela Windelband
30. März 2017 @ 10:32
Hallo A.Y.,
ohne Ihren Fall oder das Schreiben zu kennen: Wir würden in dem oben beschriebenen Fall kein Geld an dieses dubiose englische Unternehmen bezahlen. Es ist aber damit zu rechnen, dass das Unternehmen weitere Schreiben schicken wird, die im Ton bedrohlicher werden. Das müssten Sie/Ihre Schwester dann aushalten.
Sie sollten auf den Seiten Ihrer Schwester möglichst kurzfristig die Empfehlungen aus der Handreichung der hamburgischen Aufsichtsbehörde umsetzen (https://www.datenschutz-notizen.de/hamburger-aufsichtsbehoerde-bestaetigt-datenschutzkonformen-einsatz-von-google-analytics-0517357/). Damit dürfte einer möglichen einstweiligen Verfügung durch die CREDICON Ltd. der Boden entzogen werden.
Dass dieses Unternehmen – dem es erkennbar auf die Zahlung der 249 € ankommt – auf Grundlage des von mir oben beschriebenen Sachverhalts klagen wird, halte ich zwar für denkbar aber sehr unwahrscheinlich.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Blogredaktion im Auftrag von Herrn Suhren