In diesem Jahr stehen in Deutschland wieder einige wichtige Wahlen an. Während in Bremen bereits am 14.05.2023 die Bremische Bürgerschaft gewählt wird, finden in Bayern und Hessen am 08.10.2023 Landtagswahlen statt. Der Bevölkerung dieser Bundesländer werden in den Wochen und Monaten vor der Wahl wieder die zahlreichen Wahlplakate am Straßenrand oder die Werbespots im Fernsehen oder Radio auffallen. Aus datenschutzrechtlicher Perspektive sind diese Formen der Wahlwerbung zumeist unproblematisch, da keine personenbezogenen Daten der Wähler*innen verarbeitet werden.

Anders ist dies dann, wenn die Parteien den Wahlberechtigten persönlich adressierte Briefsendungen zukommen lassen, die bspw. das Wahlprogramm oder eine Einladung zu einer Wahlkampfveranstaltungen beinhalten. Aufgrund der damit verbundenen Verarbeitung personenbezogener Daten haben die Parteien die Bestimmungen des Datenschutzrechts zu beachten. Dieser Blogbeitrag setzt sich deshalb schwerpunktmäßig mit der Wahlwerbung per Post auseinander, zu welcher auch der Hessische Beauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit (HBDI) jüngst die Handreichung „Datenschutz bei Wahl- und Abstimmungswerbung“ veröffentlicht hat.

Wahlwerbung im Anschluss an eine Melderegisterauskunft

Damit die Parteien den potenziellen Wähler*innen persönlich adressierte Wahlwerbung zu kommen lassen können, müssen diese zunächst die Privatanschriften der Wahlberechtigten erhalten. Diesbezüglich besteht für die Parteien die Möglichkeit, bei der zuständigen Meldebehörde eine Melderegisterauskunft nach § 50 Abs. 1 S. 1 Bundesmeldegesetz (BMG) einzuholen. Demnach darf die Meldebehörde den Parteien, in den sechs Monaten vor einer Wahl oder Abstimmung auf staatlicher oder kommunaler Ebene, Auskunft aus dem Melderegister über die in § 44 Abs. 1 S. 1 BMG bezeichneten Daten von Gruppen von Wahlberechtigten erteilen. Die Auskunft umfasst den Vor- und Nachnamen, den ggf. vorhandenen Doktorgrad sowie die derzeitige Wohnanschrift der Wahlberechtigten.

Der Umfang dieser Auskunft wird durch die Vorschrift selbst jedoch begrenzt. So sieht der § 50 Abs. 1 S. 1 BMG ausdrücklich vor, dass diese nur über einzelne Personengruppen erteilt werden darf, wobei stets das Alter für die Zusammensetzung der Gruppen maßgebend ist. Neben einer Übermittlung sämtlicher Wählerdaten ist somit auch die Heranziehung anderer Kriterien für die Auswahl der Gruppen (z. B. Religionszugehörigkeit, Geschlecht) unzulässig. Zudem dürfen die Geburtsdaten der Wahlberechtigten nicht mitgeteilt werden (§ 50 Abs. 1 S. 2 BMG).

Die über das Melderegister bezogenen Daten dürfen von den Parteien ausschließlich zum Zweck der „Werbung bei einer Wahl oder Abstimmung“ verwendet werden (§ 50 Abs. 1 S. 3 BMG). Im Zusammenhang mit dem Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO stellt diese Vorschrift auch zugleich die erforderliche Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung dar. Der Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO erlaubt eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten nämlich u. a. dann, wenn diese für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt. Die personalisierte Wahlwerbung kann dabei grundsätzlich als eine solche Aufgabe angesehen werden, da diese zur politischen Willensbildung und damit zur Funktionsfähigkeit der Demokratie beitragen kann (vgl. auch die Handreichung des HBDI, S. 6).

Wahlwerbung nach dem Ankauf der Daten von Adresshändlern

Die Parteien müssen die für (Wahl-)Werbezwecke erforderlichen Daten jedoch nicht zwingend bei der Meldebehörde erfragen. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, die personenbezogenen Daten der Wahlberechtigten über einen Adresshändler zu beziehen. Die Verarbeitung der angekauften Daten für die postalische Wahlwerbung lässt sich in diesem Fall grundsätzlich auf das berechtigte Interesse nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen. Demnach ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist und keine überwiegenden Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person vorliegen, die einen Schutz personenbezogener Daten erfordern. Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung stellt dabei nach dem Erwägungsgrund 47 S. 7 der DSGVO eine solche, dem berechtigten Interesse dienende, Verarbeitung dar. Überwiegende Grundfreiheiten und Grundrechte der betroffenen Personen bestehen regelmäßig nicht, da der Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nicht schwerer zu gewichten ist, als der Eingriff, den der bereits erwähnte § 50 Abs. 1 BMG gestattet. Zu beachten ist jedoch, dass den Betroffenen bei einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten für die Zwecke der Direktwerbung ein jederzeitiges Widerspruchsrecht eingeräumt wird (dazu später mehr).

Erfüllung der Informationspflichten durch die Parteien

Als verantwortliche Stelle müssen die Parteien bei der postalischen Wahlwerbung auch die Informationspflichten der DSGVO erfüllen. Der Umfang der mitzuteilenden Informationen bemisst sich dabei nach dem Art. 14 DSGVO, da die personenbezogenen Daten nicht bei den betroffenen Personen selbst erhoben wurden. Der Art. 14 Abs. 1 DSGVO sieht vor, dass die Parteien den Betroffenen insbesondere den Namen und die Kontaktdaten des Verantwortlichen und ggf. die des Datenschutzbeauftragten mitteilen müssen. Außerdem müssen die Betroffenen Personen über die Zwecke der Datenverarbeitung und deren Rechtsgrundlage informiert werden. Um im Rahmen der personalisierten Wahlwerbung eine faire und transparente Datenverarbeitung zu gewährleisten, wird auch eine Information über die Speicherdauer der Daten und insbesondere über deren Herkunft erforderlich sein (vgl. Art. 14 Abs. 2 lit. a und f DSGVO). Zudem müssen die Parteien die Betroffenen auf ihre Rechte nach Art. 15 ff. DSGVO und das Bestehen eines Beschwerderechts bei der Aufsichtsbehörde hinweisen.

Sofern die personenbezogenen Daten auf Grundlage einer Melderegisterauskunft nach § 50 Abs. 1 BMG verarbeitet werden, stellt sich die Frage, ob im Hinblick auf die Informationspflicht die Ausnahmeregelung des Art. 14 Abs. 5 lit. c DSGVO Anwendung findet: Demnach muss eine Information nicht erfolgen, wenn die „Erlangung oder Offenlegung [personenbezogener Daten] durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten, denen der Verantwortliche unterliegt und die geeignete Maßnahmen zum Schutz der berechtigten Interessen der betroffenen Person vorsehen, ausdrücklich geregelt ist“. Der Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (LfDI) Baden-Württemberg vertritt die Auffassung, dass der § 50 Abs. 1 BMG durchaus als eine solche Ausnahmeregelung angesehen werden kann (siehe die „Hinweise zum Datenschutz im Europa- und Kommunalwahlkampf“ des LfDI Baden-Württemberg). Jedoch empfiehlt dieser den Parteien weiterhin, aus Gründen der Transparenz und des Vertrauens, über die wesentlichen Umstände der Datenverarbeitung zu informieren.

Einhaltung der Löschfristen

Die Festlegung der Speicherdauer bzw. die Einhaltung datenschutzkonformer Löschfristen stellt eine weitere Pflicht dar, die von den verantwortlichen Parteien zu erfüllen ist. Diesbezüglich müssen die aus dem Melderegister stammenden personenbezogenen Daten gem. § 50 Abs. 1 S. 3 BMG spätestens einen Monat nach der Wahl gelöscht bzw. vernichtet werden. Für die über einen Adresshändler bezogenen Daten dürfte ebenfalls eine Löschfrist von maximal einem Monat nach Beendigung der Wahl anzunehmen sein. Mit Beendigung der Wahl entfällt nämlich regelmäßig der Zweck der Datenverarbeitung, sodass eine Löschung gem. Art. 17 Abs. 1 lit. a DSGVO erforderlich ist.

Rechte der Wähler*innen

Bei einer Verarbeitung von personenbezogenen Daten für die Zwecke der Wahlwerbung stehen den Wähler*innen verschiedene Rechte zu, die diese gegenüber den verantwortlichen Parteien geltend machen können. In erster Linie sind hier die Betroffenenrechte der Art. 15 ff. DSGVO zu nennen, die den Betroffenen u. a. ein Recht auf Auskunft, Berichtigung oder Löschung der Daten einräumen. Im Zusammenhang mit der personalisierten Wahlwerbung kommt dem Widerspruchsrecht nach Art. 21 DSGVO eine besondere Bedeutung zu. Die strikten Voraussetzungen für dessen Geltendmachung sind nämlich im Falle einer Direktwerbung gelockert, sodass den Betroffenen bei einer Wahlwerbung auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO ein jederzeitiges Widerspruchsrecht zusteht (Art. 21 Abs. 2 DSGVO).

Sofern die Wahlwerbung auf Grundlage einer Melderegisterauskunft erfolgt, räumt der § 50 Abs. 5 BMG, den betroffenen Personen das Recht ein, der Übermittlung ihrer Daten durch die Meldebehörden an die Parteien zu widersprechen. Hierauf muss die Meldebehörde den betroffenen Personen bei der Anmeldung einer Wohnung sowie einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung aufmerksam machen. Darüber hinaus darf eine Auskunftserteilung nach § 50 Abs. 6 BMG nicht erfolgen, wenn eine Auskunftssperre nach § 51 BMG vorliegt.

Daneben haben die Wähler*innen das Recht, bei einem mutmaßlichen Verstoß gegen die DSGVO, eine Beschwerde bei der zuständigen Aufsichtsbehörde einzureichen (Art. 77 DSGVO). Bei einer datenschutzrechtswidrigen Verarbeitung personenbezogener Daten steht den Betroffenen unter Umständen auch ein Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 DSGVO gegen den Verantwortlichen zu.

Weitere Kommunikationsmittel und -kanäle

Während die Wahlwerbung über den Postweg unter Beachtung der dargestellten Regelungen grundsätzlich zulässig ist, ist die Wahlwerbung über Telefonanrufe oder per E-Mail aufgrund des damit verbundenen unverhältnismäßigen Eingriffs in den Schutzbereich der Betroffenen i. d. R. nur mit einer ausdrücklichen Einwilligung erlaubt (näher hierzu Handreichung des HBDI, S 8 f.)

Einer zunehmenden Bedeutung kommt der Wahlwerbung über soziale Netzwerke zu. Hier gelten grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie im „Offline-Bereich“. So ist bspw. das Senden von persönlichen Nachrichten an potenzielle Wähler*innen nur mit einer ausdrücklichen und informierten Einwilligung zulässig, die regelmäßig nicht vorliegen wird.

Darüber hinaus sorgt im Bereich der sozialen Netzwerke zurzeit die von der Datenschutzorganisation noyb eingereichte Beschwerde für Aufsehen. noyb wirft dabei mehreren deutschen Parteien vor, während des Bundestagswahlkampf im Jahr 2021 mithilfe von Microtargeting auf Facebook, potenziellen Wähler*innen gezielt personalisierte Wahlwerbung angezeigt zu haben. Ein solches Vorgehen sei nach Ansicht von noyb zwar nicht per se verboten, jedoch wurden die betroffenen Nutzer*innen gerade deshalb ausgewählt, weil Facebook im Hintergrund deren politische Ansichten ausgewertet habe. Diese seien nach Art. 9 DSGVO besonders geschützt, sodass im Ergebnis sowohl Facebook als auch die Parteien gegen die DSGVO verstoßen haben.

Es bleibt nun abzuwarten, wie sich sowohl die Parteien als auch die Aufsichtsbehörden zu diesem Vorwurf verhalten. Wir werden Sie in jedem Fall auf dem Laufenden halten.

Fazit

Die Bestimmungen des Datenschutzrechts finden auf die Wahlwerbung durch Parteien nur dann Anwendung, wenn auch personenbezogene Daten der Wähler*innen verarbeitet werden. Dies ist insbesondere bei persönlich adressierten Briefsendungen der Fall, bei denen die Parteien neben den Regelungen des Bundesmeldegesetzes auch die Vorschriften der DSGVO zu beachten haben. In Zukunft wird aus datenschutzrechtlicher Sicht die Wahlwerbung über soziale Netzwerke weiter zu beobachten sein. Dies betrifft vor allem die Fälle, in denen auf Grundlage der vorhandenen Daten politische Ansichten ausgewertet und für die Zustellung personalisierter Wahlwerbung genutzt werden.